Die ehemalige Bundeskanzlerin Angela Merkel ruft zum selbstbewussten Umgang mit der AfD auf. Die demokratischen Parteien dürften „nicht wie das Kaninchen vor der Schlange sitzen“ und sich nicht „von der AfD fast in der Manege herumführen lassen“, sagte die CDU-Politikerin in der Sendung „Phoenix persönlich“. Sie ging im Verlauf des Gesprächs die AfD teils hart an.

Parteien, die die EU nicht richtig fänden, ein völlig anderes Verhältnis zu Russland hätten und die liberale Demokratie nicht verteidigen würden – „mit diesen Parteien – das ergibt sich dann von selbst – kann ich nicht zusammenarbeiten“, betonte Merkel. Union und SPD hätten so viel einzubringen, um Menschen zu überzeugen. „Mehrheiten zu suchen mit der AfD, das verbietet sich allein aus der eigenen Definition“, sagte die 71-Jährige, die vor rund 20 Jahren erstmals zur Bundeskanzlerin gewählt wurde.

Stattdessen müssten die Parteien ihre eigenen politischen Positionen deutlicher vermitteln. Grundüberzeugungen, etwa in der Migrationspolitik und beim Schutz der Menschenwürde, dürften nicht aufgegeben werden, um „Populisten dann quasi recht zu geben“. Bezüglich einer möglichen Zusammenarbeit sagte Merkel: „Mehrheiten zu suchen mit der AfD, das verbietet sich allein aus der eigenen Definition.“ Die Bundeskanzlerin a.D. wies darauf hin, dass sie natürlich auch zu ihrer Zeit gesehen habe, „dass nach den Entscheidungen in der Flüchtlingspolitik die AfD erst immer stärker geworden ist“.

Merkel hatte bereits im Januar während des Bundestagswahlkampfs kritisiert, dass die CDU/CSU-Fraktion mit dem damaligen Fraktionschef Friedrich Merz einen Migrationsbeschluss im Bundestag mit den Stimmen der AfD durchgesetzt hatte. Nun machte sie aber deutlich, dass sie sich nicht zu jeder aktuellen Diskussion äußern wolle. Im Fall der AfD im Januar sei dies „ein ziemlich einmaliger Fall“ gewesen. Sie behalte sich dies bei staatspolitisch wichtigen Dingen vor, sagte Merkel.

Merkel: Konnte wegen Corona nicht regelmäßig mit Putin sprechen

Merkel stellte erneut klar, dass sie Polen und den baltischen Staaten keine Mitschuld am Angriff Russlands auf die Ukraine gebe. Das seien „Fake News“, eine entsprechende Passage ihrer Autobiografie „Freiheit“ sei „in einen falschen Kontext“ gesetzt worden.

In der Text-Passage hieß es, die baltischen Staaten und Polen hätten 2021 ein von Merkel vorgeschlagenes Dialogformat mit Russland abgelehnt. Die frühere Kanzlerin hatte diese These auch in einem Interview mit einem ungarischen Medium angesprochen. Die entsprechenden Interview-Aussagen Merkels wurden damals kontrovers diskutiert, auch WELT hatte berichtet.

Merkel betonte noch einmal, dass mit ihrer Einschätzung „keine Schuldzuweisung verbunden“ gewesen sein. „Dieser Krieg ist ausgebrochen, er hat unsere Welt verändert, das ist eine Aggression der Russischen Föderation, der russischen Republik, Wladimir Putins“, sagte Merkel nun. „Wir alle haben nicht vermocht – alle, ich, alle anderen haben nicht vermocht, diesen Krieg zu verhindern.“ Das sei der Sachverhalt.

Zur Aussage des früheren Außenministers Sigmar Gabriel (SPD) in der ARD-Sendung „Maischberger“, mit Merkel hätte es keinen Krieg in der Ukraine gegeben, sagte die ehemalige Bundeskanzlerin: „Das ist vollkommen spekulativ.“ Sie glaube, dass die Corona-Pandemie einen großen Einfluss gehabt habe, weil bislang übliche Gesprächsformate in sich zusammengebrochen seien.

Sie habe nicht regelmäßig mit Putin sprechen können: „Und das ist im Umgang mit nicht demokratisch regierten Ländern noch schwieriger, als wenn man schon unter gleich organisierten Ländern so wenig miteinander redet.“ Ihr sei aber schon seit „vielen, vielen Jahren“ klar gewesen, dass von Putin eine ernsthafte Gefahr ausgehe.

Auch zum Rentenstreit formulierte Merkel eine Einschätzung

Befragt wurde sie auch nach anderen aktuellen tagespolitischen Themen. Im Rentenstreit der Koalition etwa ging sie dabei von einer Einigung aus. „Ich denke, alle werden einen Weg finden“, sagte die CDU-Politikerin. Sie verwies auf lange Erfahrungen, dass man sich am Ende immer zusammenraufen müsse. Die Junge Gruppe in der Unionsfraktion lehnt das Rentenpaket mit der Begründung zu hoher Belastungen für die jüngere Generation ab. Am Abend befasst sich der Koalitionsausschuss mit dem Thema.

Die Verlängerung der sogenannten Haltelinie von 48 Prozent bis 2031 nannte die Kanzlerin folgerichtig. Damit ist eine Stabilisierung dieses Absicherungsniveaus der Rente im Verhältnis zum Einkommen bei 48 Prozent gemeint. „Wir haben damals mit Geltung ab 2018 diese Haltelinie von 48 Prozent eingeführt bis zum Jahr 2025. Deshalb musste jetzt ja auch darüber entschieden werden, wie macht man es weiter.“ Insofern sei es logisch, „wie es jetzt gemacht wurde“, nämlich diese bis 2031 zu verlängern.

Merkel verwies darauf, dass in ihrer Amtszeit mit der schrittweisen Einführung der Rente mit 67 bis 2029 ein entscheidender Schritt zur Sicherung der Altersversorgung gemacht worden sei. Die Anhebung war im ersten Kabinett von Merkel zusammen mit dem damaligen Sozialminister und Vizekanzler Franz Müntefering (SPD) durchgesetzt worden.

Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt beim ursprünglichen Autor. Die erneute Veröffentlichung dieses Artikels dient ausschließlich der Informationsverbreitung und stellt keine Anlageberatung dar. Bei Verstößen kontaktieren Sie uns bitte umgehend. Wir werden bei Bedarf Korrekturen oder Löschungen vornehmen. Vielen Dank.