Die Bundesregierung steht vor einer entscheidenden Woche: Am Dienstag soll in der Unionsfraktionssitzung die Entscheidung über den Gesetzentwurf zur Rente fallen, bis Freitag könnte dann die Entscheidung im Bundestag folgen. Doch in der Unionsfraktion knirscht es weiterhin: Die Junge Gruppe droht damit, das Rentenpaket zu blockieren – sie befürchtet zu hohe Belastungen für die junge Generation. In der ARD-Talkshow „Caren Miosga“ stellt sich der Unions-Fraktionsvorsitzende Jens Spahn am Sonntagabend der Frage, ob eine Mehrheit hinter dem Rentenpaket steht.

Spahn war selbst einmal in der Jungen Union aktiv. Davon zeugen an diesem Abend Einspielfilme aus den 2000er-Jahren, die ihn als jungen und kämpferisch auftretenden Parlamentarier zeigten, in denen er selbst gegen frühere Rentenpläne protestiert hatte. Dazu stellte Moderatorin Caren Miosga dem CDU-Politiker die Frage: „Wie überzeugen Sie junge Leute, gegen deren innere Haltung dem Kurs des Kanzlers und des Fraktionsführers zu folgen?“ Im Studio verdichtete sich die Spannung.

Spahn begann, seine Argumente für die geplante Reform aufzuzählen: Aktivrente, Modellprojekte, Zukunftsversprechen. Miosga entgegnete: „Was die jungen Leute nicht überzeugt.“ Gegen das Rentenpaket rebellieren 18 Abgeordnete der Jungen Gruppe der Unionsfraktion – ohne sie hat die Koalition keine eigene Mehrheit für die Reform. Spahn räumte ein, er verstehe das Anliegen der Jungen Gruppe. Das deutsche Rentensystem sei nicht gut auf die 2030er-Jahre vorbereitet, wenn die geburtenstarken Jahrgänge in den Ruhestand gingen.

Dennoch zeigte sich der CDU-Politiker optimistisch, die notwendigen Stimmen zu erlangen. Der aktuelle Stand sei, dass viele Kritiker des Rentenpakets in der Unionsfraktion „sehr stark mit sich ringen“, sagte Spahn. „Die Mehrheit ist im Werden, so würde ich es formulieren in diesen Tagen“, so der CDU-Politiker.

Spannungen in der Unionsfraktion

Doch Spahn steht unter Druck. Zuletzt wurden Berichte öffentlich, wonach Spahn Mitglieder der Jungen Gruppe unter Druck gesetzt haben soll, nachdem diese ihre Zustimmung zu den Regierungsplänen weiterhin verweigern. Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (FAZ) und „Bild“ berichteten unter Verweis auf mehrere Abgeordnete, Spahn habe angedeutet, sie könnten ihren Listenplatz für die nächste Bundestagswahl verlieren. Die Betroffenen werteten dies demnach als Drohung.

Miosga griff die Spannungen innerhalb der Union auf: Junge Abgeordnete riskierten öffentlich einen Showdown, weil sie sich nicht ernst genommen fühlten. Spahn reagierte darauf abwehrend, sprach von taktischer Ablenkung und betonte die Notwendigkeit klarer, handlungsfähiger Entscheidungen in der Koalition. Miosga fand dafür klare Worte: „Wenn das schiefgeht, haben Sie eine Regierungskrise.“

Spahn nahm das zum Anlass, das Rentenpaket vehement zu verteidigen, sprach von einer „verdammten Pflicht, dass Union und SPD das erfolgreich machen“. „An vereinbarten Dingen wird nichts mehr geändert. Das sind die Grundfesten dieser Koalition“, so der Unionsfraktionschef. Schließlich gab er aber zu: „Ich kann Ihnen keine Garantie geben.“ Am Dienstag tagen die Fraktionen im Bundestag. Dann werde klar sein, wie die Stimmung sei. Spahn zufolge führt er bis dahin noch „freundliche Gespräche“. Niemand gehe aus diesen eingeschüchtert nach Hause. „Ich drohe nicht.“

Kritik an den Plänen der Koalition kommt jedoch nicht nur von der Jungen Gruppe innerhalb der Union. Auch Clemens Fuest, Ökonom und Präsident des ifo-Instituts, warnte in der Sendung am Sonntagabend vor massiven Folgekosten für Bund und Rentenkasse und nannte die Rentenkommission eine „Alibiveranstaltung, mit der die Leute beruhigt werden.“

Eva Quadbeck, Chefredakteurin beim RedaktionsNetzwerk Deutschland, hob hervor, dass vor allem kleine und mittlere Einkommen belastet werden könnten. Die Zahlen variieren stark: Manche Schätzungen sprechen von Mehrausgaben im niedrigen zweistelligen Milliardenbereich pro Jahr, andere von kumulierten Belastungen bis 2050 von rund 479 Milliarden Euro. Fuest erhob schwere Vorwürfe gegen Spahns Partei: „Ich habe kein Verständnis dafür, wie die CDU dem zustimmen konnte. Es steht nicht im Koalitionsvertrag.“ Quadbeck nannte den Koalitionsvertrag „schwammig“.

Schließlich kam ein Vorschlag zur Sprache, der einst vom früheren Vizekanzler und Ex-Wirtschaftsminister Robert Habeck angeregt worden war. Der Grünen-Politiker hatte Anfang des Jahres vorgeschlagen, Kleinanleger und Sparer bei den Rentenbeiträgen einzubeziehen. Miosga ordnete ein: „Als Robert Habeck das gefordert hat, ist die Union an die Decke gegangen.“ Spahn sieht in dem Vorschlag eine taktische Ablenkung und betonte, dass es in dieser Koalition vor allem um handlungsfähige, klare Entscheidungen gehe. „Alle wieder runterkommen“, riet er.

„Union und SPD ticken komplett anders“

Am Ende dieses Abends steht eine zentrale Erkenntnis: Das Rentenpaket ist eine der bisher größten Belastungsproben für die Koalition seit ihrem Regierungsantritt. Bei der Abstimmung über das Rentenpaket steht nicht nur Geld auf dem Spiel, sondern auch die Fähigkeit der Koalition, ihre internen Konflikte zu meistern.

Eva Quadbeck zog eine ernüchternde Bilanz: „Union und SPD ticken komplett anders.“ Sie verwies dabei auf Äußerungen von Arbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) beim Kongress der Jusos in Mannheim. Bas hatte dort etwa die Bürgergeldreform und die Rentenpläne verteidigt und gesagt, dass die SPD beim Thema Sozialstaat in die Offensive müsse. „Aber eins muss ich ja auch sagen: Ich stecke in einer Koalition“, so Bas. Quadbeck konstatierte: „Die Koalition hat sich sehr früh verhakt.“

„Wie sehr ist das jetzt ein ungemütlicher Moment für den Fraktionsvorsitzenden?“, fragte Miosga mit Blick auf ihren Studiogast Spahn. Quadbecks Antwort fiel deutlich aus: „Es könnte ihn den Kopf kosten.“ Spahn zeigte sich indes unbesorgt um seinen Posten. Die Frage, ob er angesichts des anhaltenden Widerstands in der von ihm geführten Fraktion personelle Konsequenzen erwäge, verneinte Spahn. Er akzeptiere aber, „dass wir am Ende Manöverkritik machen müssen“ – auch was die Zusammenarbeit von Regierung und Fraktion angehe.

Entscheidend ist für Spahn, welche Folgen eine Ablehnung der Rentenreform nach sich ziehen würde. In seinen aktuell laufenden Gesprächen mit den fraktionsinternen Kritikern des Rentenpakets stelle er „immer wieder eine Frage: Wie soll aus einer Ablehnung dieses Rentenpakets anschließend eine größere Reformfähigkeit, Reformmöglichkeit entstehen als bei einer Zustimmung? Die Folge wird ja nicht sein, dass wir einfach weitermachen, als wäre nichts gewesen“, so Spahn weiter. „Die Folge wird ja sein, dass alles erstmal zum Stillstand kommt: Bürgergeld, Migration, Energiepolitik.“

Dies gelte umso mehr angesichts der schwierigen politischen Gesamtlage, in der jede Abstimmung Folgen über die Sachfragen hinaus habe. „Da muss man auch schwere Kompromisse mittragen“, so der CDU-Politiker. Im Bundestag gebe es aber keine bessere Alternative zur schwarz-roten Koalition und ihrer Arbeit.

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