Nach der bizarren Rede eines Bewerbers um den Vorstand der neuen AfD-Jugend in Gießen fragten auch viele in der Partei: Wer ist Alexander Eichwald? Die AfD-Spitze überprüft mittlerweile die Ernsthaftigkeit des Auftritts. Ein Parteiausschlussverfahren wurde eingeleitet. Auch Eichwalds Kreisverband Herford geht auf Distanz.

Eichwald hatte am Samstag in Gießen mit einem an Adolf Hitler oder dessen Propagandaminister Joseph Goebbels erinnernden Tonfall inklusive rollendem „R“ für Verwirrung und Kritik im Saal gesorgt. Er sprach die Teilnehmer mit „Parteigenossen und –genossinnen“ an und rief in den Saal: „Die Liebe und Treue zu Deutschland teilen wir uns hier gemeinsam“ und „es ist und bleibt unsere nationale Pflicht, die deutsche Kultur vor Fremdeinflüssen zu schützen“.

Noch in der Halle stellten AfD-Mitglieder Fragen zu dem skurrilen Bewerber. AfD-Chef Tino Chrupalla zufolge kommt Eichwald aus dem Landesverband Nordrhein-Westfalen. Er sei erst am 5. Oktober in den Kreisverband Herford aufgenommen worden. Auf die Frage eines Parteikollegen, ob Eichwald ein V-Mann sei, antwortete Chrupalla, Eichwald sei Russlanddeutscher und rolle deshalb das „R“.

Doch selbst in Eichwalds Wahlkreis Herford gibt es Zweifel an der Seriosität des neuen Parteimitglieds. WELT TV sprach vor Ort mit dem AfD-Fraktionsvorsitzenden in Herford, Michael Schneidermann. Eichwald sei ihm erst seit der Kommunalwahl in Herford bekannt. Laut einem Bericht des „Westfalen-Blatts“ war Eichwald im Mai 2019 Praktikant der Gleichstellungsbeauftragten in Enger. Auf einem Foto posiert er für ein Kita-Projekt, in dem es darum geht, Gefühle und Ängste offen anzusprechen.

„Er hat sich hier als Politikwissenschaftler und Studierter angepriesen, gesagt, er möchte gerne teilhaben an der Kommunalpolitik in Herford“, sagte Schneidermann bei WELT TV. „Das hat er auch getan.“

Entsprechend sei der 30-Jährige auch aufgetreten. Eichwald habe einen professionellen Einruck gemacht, sich erst während des Kommunalwahlkampfes und dann in der Vorplanung für die Besetzung der Ausschüsse im Stadtrat eingebracht. Die AfD holte mit 13,6 Prozent der Stimmen deutlich mehr als im Jahr 2020, wo sie noch unter fünf Prozent kam.

Von WELT auf die skurrile Rede im Hitler-Duktus angesprochen, bei der Eichwald auch wild mit dem Finger herumgefuchtelt hatte, entgegnete der Herforder AfD-Fraktionschef, dass sich Eichwald mit seinem Auftritt „absolut demaskiert“ hätte. „Am Wochenende in Gießen, das ist ein Verhalten gewesen, das ist mir absolut nicht bekannt gewesen“, so Schneidermann.

Schneidermann wollte auch nicht ausschließen, dass es sich bei Eichwald um einen V-Mann handelt, „dass er geschickt wurde aus satirischem Umfeld“. Was jedoch feststehe, sei, dass das, was sich der 30-Jährige in Gießen geleistet habe, „nicht die Stimme ist, mit der wir sprechen“. Eichwald habe sich alleine auf die Bühne gestellt. „Und es hat der Partei geschadet und auch dem Ansehen der gerade mal zu dem Zeitpunkt einer Stunde gegründeten Jugend“, kritisierte Schneidermann.

Eichwald habe seinen skurrilen Auftritt damit begründet, „dass er durch sein Politikstudium entsprechend im linken Milieu unterwegs gewesen ist“. Letztendlich, argumentierte Schneidermann, könne man bei Eichwald aber nicht abschätzen, „was er in diesem Moment tut, wenn er auf der Bühne steht und spricht“.

Konsequenzen in Herford Eichwald soll die AfD verlassen

Doch wie konnte Eichwald überhaupt Parteimitglied werden? Die Mitgliedschaften innerhalb der AfD würden bereits „sehr stark geprüft“, so Schneidermann. „Es gibt im Gegensatz zu vielen anderen Parteien eine Unvereinbarkeitsliste. Es gibt ein Parteiaufnahmegespräch, das machen nicht alle“, zählt der AfD-Fraktionsvorsitzende auf.

Letztendlich könne man den Menschen aber nur vor den Kopf schauen. „In dem Moment, als er seine Rede beendet hatte, hatte ich schon einen Telefonhörer in der Hand und habe mich erkundigt, welche Maßnahmen ergriffen werden können“, erzählte der Herforder AfD-Fraktionschef.

Eine erste Reaktion sei bereits erfolgt: Eichwald sei noch am Sonntag per Umlaufbeschluss als sachkundiger Bürger in der AfD-Ratsfraktion abgesetzt worden. „Entsprechend wurde auch die Maßnahme ergriffen, gestern per Umlaufbeschluss anzustreben, Herrn Eichwald aus der Partei auszuschließen durch ein Parteiausschlussverfahren.“ Gleichzeitig appelliere die AfD an Eichwald, dass er aus der Partei austreten möge. Der Bielefelder AfD-Bundestagsabgeordnete Maximilian Kneller sagte der Nachrichtenagentur dpa, die Vorbereitungen für ein Parteiausschlussverfahren liefen.

Auf der Internetseite des Stadtrates waren am Montag die Angaben zu Eichwald aktualisiert worden: Seit Konstituierung des neu gewählten Stadtparlamentes vor wenigen Wochen war er dort als Mitglied der AfD-Fraktion genannt. Bis die Gremienumbesetzung durch einen Ratsbeschluss Mitte Dezember wirksam werde, werde er als fraktionsloser, sachkundiger Bürger geführt, sagte eine Sprecherin der Stadt Herford.

Alexander Parteck, Kreisvorsitzender der AfD Herford, sagte bei WELT TV später, das Aufnahmegespräch mit Eichwald sei völlig normal gelaufen. „Er hat auch das ‚R‘ nicht gerollt“, sagte Parteck bei WELT TV.

Angesprochen auf die Rede, die Eichwald auf dem AfD-Kongress gehalten hatte, sagte Parteck: „Ich war erst einmal sprachlos. Da hat er sich wirklich komplett anders verhalten. Ein anderes Mitglied rief mich noch während der Rede an und sagte: ‚Guck dir das sofort an‘.“

Kneller sagte hingegen, diejenigen in der Partei, die Eichwald kennen, sagten, dass er nie das R gerollt habe. Eichwald habe sich bisher unauffällig verhalten. Das spreche dafür, dass sein Auftritt in Gießen eine Aktion gewesen sei, ob auf eigene Faust oder im Auftrag Dritter sei Spekulation. Die AfD sei sich sofort einig gewesen und leite alles in die Wege, „um ihn überall dort, wo es gehe, loszuwerden.“

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