Vor der Konferenz der Innenminister von Bund und Ländern stellt sich der ehemalige Geschäftsführer des Bundesligavereins Union Berlin, Oliver Ruhnert, hinter die Fanproteste. „Was wir nicht brauchen, sind Innenminister, die Millionen Fußballfans unter Generalverdacht stellen!“, sagte Ruhnert, designierter Generalsekretär des Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW), WELT. Die Wagenknecht-Partei lehne es ab, „die Fußballfans in Deutschland mit personalisierten Tickets und Gesichtserkennung anlasslos zu überwachen“, sagte der frühere Sportmanager.

„Die Kriminalitätszahlen in den Stadien sinken. Dieser massive Eingriff ist völlig willkürlich und steht juristisch auf wackeligen Beinen“, so Ruhnert. „Das Stadionerlebnis muss erhalten bleiben – auch durch Tickettausch und ohne Gesichtsscanner.“

Seit Wochen demonstrieren Fußballfans und die organisierten Fan-Szenen gegen die Innenminister-Konferenz (IMK), die von Mittwoch bis Freitag in Bremen stattfinden soll. Auf der Tagesordnung sollen auch die Sicherheitslage in deutschen Stadien sowie etwaige strengere Kontrollen von Fans stehen.

Am Dienstag informierten die Spitzen von Deutschem Fußball-Bund (DFB) und Deutscher Fußball Liga (DFL) die 36 Profi-Vereine über vorläufige Verhandlungsergebnisse mit der Politik, wie WELT berichtete. Demnach soll es vorerst keine Kollektivstrafen wie Zuschauer-(Teil-)Ausschlüsse oder personalisierte Tickets geben, auch die Einsetzung einer zentralen, unabhängigen Kommission zur Festsetzung von Stadionverboten solle demnach nicht eingesetzt werden.

Die organisierte Fanszene protestiert seit Wochen vehement gegen mögliche Sicherheitsverschärfungen im Stadion. Sie befürchten personalisierte Eintrittskarten oder KI-gestützte Videoüberwachung. In den ersten zwölf Minuten der meisten Spiele der oberen Ligen wird geschwiegen. Damit soll gezeigt werden, welch hohen Wert die sonst so lauten und bunten Fankurven für den Fußball haben. Mitte November demonstrierten rund 20.000 Fans aus mehreren Städten unter dem Motto „Der Fußball ist sicher – Schluss mit Populismus! Ja zur Fankultur!“ in Leipzig, darunter teils politisch weit voneinander entfernte und verhasste Ultra-Szenen, etwa aus Dresden, Rostock oder München.

Der Zusammenschluss „Fanszenen Deutschlands“ startete neben der Demonstration eine Petition gegen eine „Verschärfung der Stadionverbotspraxis“ sowie für weniger Polizeikräfte an Spieltagen und eine größere Anerkennung für die bestehende Fankultur, inklusive des Einsatzes von Pyrotechnik. Die Organisatoren verweisen auf Zahlen der Zentralen Informationsstelle Sporteinsätze (ZIS) der Polizei Nordrhein-Westfalen, die 2025 bundesweit einen Rückgang der Straftaten in Stadien registrierten.

Ruhnert fordert mehr Engagement für Amateur-Fußball

Von einer „Gespensterdiskussion“ sprach wiederum Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU). In der aktuellen Debatte seien vermeintliche Beschlussvorhaben im Umlauf, die auf der kommenden Innenminister-Konferenz gar nicht geplant seien. „Insbesondere Themen wie Gesichtserkennung im Stadion und personalisiertes Ticketing stehen nicht auf der Tagesordnung – entsprechende Beschlüsse sind weder geplant noch vorgesehen“, so Herrmann laut „Kicker“.

Ruhnert fordert andere Schwerpunkte in der Sportpolitik. „Statt mit billiger Symbolpolitik für Schlagzeilen zu sorgen, sollten sich die Innenminister lieber um die wirklichen Probleme im Sport kümmern: In Ballungsgebieten müssen Amateurvereine Kinder abweisen, weil jahrelang nicht in Sportstätten investiert wurde“, so Ruhnert zu WELT. „Gleichzeitig werden Ehrenamtliche durch bürokratische Auflagen erdrückt, wodurch viele der rund 86.000 Sportvereine um ihre Existenz kämpfen.“ Es brauche ein eigenes Sportministerium, dass sich diesen Herausforderungen stelle.

Das BSW trifft sich am kommenden Wochenende zu seinem dritten Bundesparteitag. Ruhnert kandidiert als Teil eines Personalvorschlags des Bundesvorstands um Parteichefin Sahra Wagenknecht für das Amt des Generalsekretärs. Wagenknecht selbst wird nicht mehr als Parteichefin kandidieren.

Neben Amira Mohamed Ali soll der frühere Linke-Politiker und BSW-Europaabgeordnete Fabio De Masi künftig die Partei führen. Zudem soll die Partei künftig Bündnis Soziale Gerechtigkeit und Wirtschaftliche Vernunft (auch BSW) heißen.

Politikredakteur Kevin Culina berichtet für WELT über Gesundheitspolitik, die Linkspartei und das Bündnis Sahra Wagenknecht.

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