Einen neuen Friedensplan hat der Besuch von Wolodymyr Selenskyj in Paris nicht gebracht, aber symbolisch war das Treffen mit Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron dennoch. Nach ihren mehrstündigen Gesprächen haben die beiden Präsidenten mehrfach die Mediatoren-Rolle der USA gelobt, aber betont, dass es ihnen um die Bedingungen für einen „gerechten und dauerhaften Frieden“ gehe. „Der Krieg muss so schnell wie möglich beendet werden“, sagte der ukrainische Präsident Selenskyj auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem französischen Präsidenten im Élysée-Palast und fügte hinzu: „auf würdige Weise“.
Man darf die Symbolik nicht unterschätzen. In einem Moment, da die Verhandlungen um einen Friedensplan wieder in den Händen des Kremls und des amerikanischen Sondergesandten Steve Witkoff sind, der am Dienstagnachmittag mit Kremlchef Wladimir Putin in Moskau zusammentreffen soll, wollen die Europäer zeigen, dass ihre Unterstützung der Ukraine trotz des Korruptionsskandals und des Rücktritts von Selenskyjs Stabschef Andrij Jermak ungebrochen ist.
Macron betonte, dass Moskau mehrfach Friedenspläne abgelehnt habe. „Ich stelle fest, dass sie es nicht eilig haben.“ Er erhoffe sich nach dem Besuch von Witkoff in Moskau „Präzision über Russlands Willen, den Krieg zu beenden“. Denn im selben Augenblick, da man in Paris über Frieden spreche, setzte Russland „seine Zerstörung und das Morden fort“, so Macron.
Jeder habe jetzt seinen Beitrag für einen Friedensplan zu leisten. An erster Stelle müsse Moskau mit seinen Angriffen auf die Ukraine aufhören, mahnte der französische Präsident. Zweitens könne „nur die Ukraine (…) über ihre Gebiete entscheiden“. Das gelte auch für die Sicherheitsgarantien. Die Europäer wie auch die Repräsentanten der „Koalition der Willigen“ müssten dabei am Tisch sitzen, forderte Macron.
Selenskyj: „Entscheidende Tage“
Der improvisierte Besuch in Paris, bei dem Selenskyj von der lange geplanten Einladung seiner Ehefrau Olena Selenska profitieren konnte, hatte sich im Laufe des Tages in eine Friedenskonferenz verwandelt, bei der man sich mit den europäischen Partnern und den USA abzustimmen versuchte. Nach dem gemeinsamen Mittagessen gab es Telefongespräche mit dem britischen Premierminister Keir Starmer und Kanzler Friedrich Merz sowie mit den Regierungschefs von Polen, Italien, Norwegen, Finnland, Dänemark, den Niederlanden und Vertretern der Europäischen Union. Außerdem haben sich die beiden Staatschefs mit Witkoff und Rustem Umjerow, dem Leiter des Sicherheitsrates der Ukraine, ausgetauscht.
Selenskyj bedankte sich bei US-Präsident Donald Trump und betonte, dass es sich „um entscheidende Tage“ handele. „Um echte Sicherheit zu schaffen, müssen wir auch dafür sorgen, dass Russland selbst nichts erhält, was es als Belohnung für diesen Krieg ansehen könnte“, sagte Selenskyj. Er gab zu, dass die Frage nach Abtretung von Gebieten für ihn die schwierigste sei. „Krieg darf keine profitable Angelegenheit sein“, sagte Selenskyj und forderte, noch mehr „Druck auf Russland“ auszuüben.
Macron wies darauf hin, dass man bereits das 19. Sanktionspaket verabschiedet habe und dabei sei, dass 20. vorzubereiten. Er betonte, dass sich Washington in Fragen des Kampfes gegen den illegalen Ölhandel von Moskau und seine Schattenflotte den Europäern angeschlossen habe.
Eindeutiges Signal: Selenskyj hat den Kampfanzug abgelegt
Dass Selenskyj aufgrund des Korruptionsskandals auch einen Krieg der Kommunikation führt, war bei seinem Besuch in Paris offensichtlich. Als er am Vormittag im Élysée-Palast eintraf, sah man ihn im lockeren, schwarzen Baumwollanzug, unter dem er ein offenes, schwarzes Hemd trug. Im selben Anzug zeigte er sich zuletzt immer wieder vor US-Präsident Donald Trump, nachdem er im Februar von einem Reporter im Oval-Office aggressiv darauf angesprochen worden war, warum er keinen Anzug trage. Selenskyj antwortete damals, er ziehe erst wieder einen an, wenn der Krieg vorbei sei.
Seither tritt er dem US-Präsidenten in einem Baumwollanzug gegenüber, den die ukrainische Designerin Elvira Gasanova entworfen hat. Gasanova, die mit ihrem Label „Damirli“ Selenskyj regelmäßig ausstattet, bezeichnet den Stil dieses Anzugs als „militärisch“. Doch der Fashion-Kompromiss des ukrainischen Präsidenten ist ein eindeutiges Signal: Selenskyj hat den Kampfanzug abgelegt, weil er seinen Platz am Verhandlungstisch beansprucht.
Angesichts einer von allen Seiten als für die Ukraine entscheidend wahrgenommen Woche sei die spontane Einladung Selenskyjs nach Paris „kein Zufall“, wie es der französische Außenminister Jean-Noël Barrot formulierte. Er spielte damit auf die Tatsache an, dass Kremlchef Putin Selenskyj zum wiederholten Mal die Legitimität abgesprochen hatte. Barrot betonte, Präsident Selenskyj habe „alle Legitimität, um die Ukraine in den Frieden zu führen“. In einem Interview mit der Sonntagszeitung „Tribune de Dimanche“ sagte Barrot, der Frieden sei „in greifbarer Nähe“, „wenn Wladimir Putin auf die verrückte Hoffnung verzichtet, das Reich der Sowjetunion wieder errichten zu wollen, indem er die Ukraine unterwirft. Die Ukraine gehört den Ukrainern und nur ihnen“.
Während der Gespräche mit europäischen Regierungschefs waren die Ehefrauen Brigitte Macron und Olena Selenska zum Sitz des französischen Außenministeriums am Pariser Quai D’Orsay gefahren, um dort um Unterstützung für die Initiative „Bring Kids Back UA“ zu werben. Rund 20.000 ukrainische Kinder sind nach Angaben Kiews seit Beginn des Angriffskrieges nach Russland verschleppt worden. Dort müssen sie ihre Namen, ihre Identität ablegen und dürfen nicht mehr ihre Muttersprache sprechen. Ziel der Initiative ist es, mithilfe internationaler Partner die verschleppten Kinder ausfindig zu machen und sie nach Hause zu bringen. Bislang ist es gelungen, 1859 entführte Kinder zurückzubringen.
Anschließend haben die beiden Ehefrauen die ukrainische Kultur-Saison in Frankreich lanciert, die am Montagabend mit einer Festveranstaltung im Pariser „Théâtre de la Ville“ beginnt. Unter dem Titel „Reise in die Ukraine – Die Kultur schlägt zurück“ sind eine Serie von 50 Kulturveranstaltungen in Kiews Partnerstadt Paris programmiert, die von Dezember bis März nächsten Jahres die Rolle der Kultur und der Sprache im Widerstand aufzeigen sollen.
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