Brandenburgs stellvertretender Ministerpräsident und Finanzminister Robert Crumbach hat eine mögliche Kandidatur für den Vorstand des Bündnisses Sahra Wagenknecht (BSW) angekündigt. „Ich erwäge, auf dem Bundesparteitag als Parteivorsitzender oder stellvertretender Vorsitzender zu kandidieren“, sagte Crumbach WELT. Die Entscheidung über eine Kandidatur wolle er bis zum Samstag treffen. Crumbach ist Teil der Landesregierung von SPD und BSW unter Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD).

Kommenden Samstag und Sonntag trifft sich das BSW zu seinem dritten Bundesparteitag in Magdeburg. Dort soll auch ein neuer Bundesvorstand gewählt werden. Parteigründerin Sahra Wagenknecht kündigte im Vorfeld an, nicht mehr für den Bundesvorsitz zu kandidieren. Laut einem Personalvorschlag der Parteispitze sollen künftig die amtierende Co-Vorsitzende Amira Mohamed Ali und der Europaabgeordnete Fabio De Masi als Bundesvorsitzende die Partei führen. Beide waren zuvor Linke-Mitglieder.

Crumbach wiederum wirbt für eine größere politische Breite im Parteivorstand. „Wir sind angetreten, keine Linke 2.0 zu sein – aber bilden personell eine Linke 2.0 ab. Manchen ehemaligen Linke-Mitgliedern geht es auch um das Absichern ihrer eigenen Position“, sagte der ehemalige Arbeitsrichter, der 41 Jahre lang in der SPD war, zum geplanten neuen Vorstand.

Das BSW sei angetreten, eine neue Art von Politik zu machen und damit auch enttäuschte SPD-Wähler zu erreichen. „Wenn wir uns allein auf das Personal der alten Linkspartei beschränken, können wir unser Potenzial nicht ausschöpfen.“ Zuletzt wurde im BSW heftig über die künftige Ausrichtung und die prominente Rolle ehemaliger Linke-Mitglieder im Führungszirkel der Partei gestritten.

Crumbach fordert mehr Fokus auf Ostdeutschland

Nach Wagenknechts angekündigtem Rückzug als Vorsitzende sei ein „Machtvakuum“ in der Partei entstanden. Zudem sei die Partei zuletzt zu „monothematisch“ aufgetreten, so Crumbach. „Die Friedenspolitik ist enorm wichtig, aber das allein reicht nicht: Unsere Kompetenzen in Steuer-, Finanz- und Arbeitsmarktpolitik müssen stärker betont werden“, sagte Crumbach WELT. Themen aus dem „Gründungskonsens“, wie eine „gerechte Arbeitsmarktpolitik und Sozialpolitik sowie wirtschaftliche Vernunft“ oder eine andere Migrationspolitik, müssten wieder stärker eingebunden werden.

Die Wagenknecht-Partei müsse sich zudem viel mehr auf Ostdeutschland konzentrieren, sagte Crumbach. „Die Stärke unserer Partei liegt in Ostdeutschland. Das muss sich in der Parteispitze widerspiegeln.“

Große Erfolge feierte das BSW in Sachsen, Thüringen und Brandenburg, in den beiden letztgenannten Ländern regiert die junge Partei mit. Im kommenden Jahr stehen Landtagswahlen unter anderem in Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern an. „Mit einer Parteiführung allein aus Westdeutschen wird man im kommenden Jahr keine guten Karten haben. Da braucht es sehr, sehr viel mehr Ostdeutsche“, sagte Crumbach WELT.

Auch Thüringens Digital- und Infrastrukturminister Steffen Schütz (BSW) kritisierte im November die fehlende Repräsentanz von Ostdeutschen im geplanten neuen Vorstand. „Das geht nicht für eine Partei, die am stärksten im Osten ist“, sagte Schütz, langjähriger Weggefährte von Landesfinanzministerin Katja Wolf (BSW). Schütz kündigte an, er wolle ebenfalls für ein Vorstandsamt kandidieren. „Wir brauchen Einigkeit und eine starke Stimme aus Ostdeutschland.“

Brandenburg erlebte zuletzt eine schwere Regierungskrise. Die BSW-Fraktion im Landtag verweigerte der Regierungskoalition aus SPD und BSW in der Abstimmung über eine Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks die Gefolgschaft. Crumbach warb für eine Zustimmung – die Mehrheit seiner Fraktion war dagegen.

Vier Abgeordnete warfen ihrer Partei „autoritäre Tendenzen“ vor und traten aus. „Der Bundesvorstand des BSW regiert in die Landtagsfraktion“, sagte André von Ossowski, einer der Ausgetretenen, in einem WELT-Interview. Teile der Parteifunktionäre versuchten, die Regierungskoalition zu torpedieren: „Das BSW ist eine ‚Linke 2.0‘: Oben werden Beschlüsse gefasst, die dann durchgepeitscht werden“, sagte von Ossowski.

Crumbach hält das für einen fundamentalen Konflikt in der Partei. „Es gibt einen Grunddissens: Will man gestalten oder will man kritisieren?“, so Crumbach. „Ich will unsere Gesellschaft besser machen und dafür meine Gestaltungsmöglichkeiten in der Regierung nutzen. Damit erreicht man am Ende mehr. ‚Die anderen machen alles falsch‘ ist keine ausreichende Position.“

Wenn Teile der Partei ein Fazit über ein Jahr in der Koalition ziehen wollten, sei das legitim. „Ich ziehe ein extrem positives Fazit von einem Jahr Regierungsbeteiligung des BSW“, betonte Crumbach. „Mit der SPD konnten wir industrielle Arbeitsplätze im Land sichern und ansiedeln, sozialen Wohnraum fördern, Stellen bei der Polizei erhöhen, mehr Schulreferendare einstellen, die Mietpreisbremse verlängern.“

Auf dem Bundesparteitag plant das BSW eine Umbenennung. Die Parteispitze schlägt hierzu den neuen Namen Bündnis Soziale Gerechtigkeit und Wirtschaftliche Vernunft vor; die Abkürzung BSW soll bleiben. Am Donnerstag soll im Wahlprüfungsausschuss über einen Einspruch der Partei gegen das Ergebnis der Bundestagswahl und für Neuauszählung entschieden werden. Es wird mit einer Ablehnung gerechnet. Die Wagenknecht-Partei verpasste den Einzug in den Bundestag nur knapp um gut 9500 Stimmen.

Politikredakteur Kevin Culina berichtet für WELT über Gesundheitspolitik, die Linkspartei und das Bündnis Sahra Wagenknecht.

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