Die schwarz-rote Berliner Landesregierung will mit einem eigenen Vorschlag in die Debatte um ein AfD-Verbotsverfahren eingreifen. CDU und SPD wollen am Donnerstag einen Antrag ins Abgeordnetenhaus einbringen, der den sperrigen Titel trägt: „Freiheitlich demokratische Grundordnung schützen, Instrumente der wehrhaften Demokratie nutzen, Prüfverfahren der verfassungsmäßigen Konformität durch das Bundesverfassungsgericht“. Das Wort AfD kommt darin an keiner Stelle vor. Doch die Stoßrichtung ist klar.

„Das Abgeordnetenhaus von Berlin bekennt sich zu einer wehrhaften Demokratie. Dies beinhaltet, gegen extremistische, verfassungsfeindliche Vereinigungen und Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen, vorzugehen“, heißt es dort. Dies könne als „Ultima Ratio bei Vorliegen der rechtlichen Voraussetzungen sowohl den Ausschluss von der staatlichen Finanzierung als auch ein Verbotsverfahren von Parteien bedeuten.“

Mit dem etwas umständlich formulierten Antrag, der sich laut CDU-Fraktionschef Dirk Stettner ausdrücklich „gegen alle Verfassungsfeinde – unabhängig davon, ob sie rechts-, linksextrem oder islamistisch motiviert sind“ richtet, will die Koalition vermeiden, dass das Landesparlament in zweiter Lesung über den Antrag „Jetzt ein AfD-Verbotsverfahren einleiten!“ von Grünen und Linkspartei abstimmt. Der Antrag der Koalition soll den der Opposition ersetzen.

Teile der SPD hatten sich dem Vernehmen nach schwergetan, dem Antrag der Opposition nicht zuzustimmen. Der Kompromiss soll nun einen Weg aufzeigen, ein AfD-Verbotsverfahren weiter voranzutreiben, ohne die hohen verfassungsmäßigen Hürden dafür aus dem Auge zu verlieren – und ohne sich weiter von der Opposition treiben zu lassen.

„Es liegt in der Verantwortung der Verfassungsorgane, die hohen Hürden und Risiken des Scheiterns eines Verbotsverfahrens und die weitreichenden Folgen für den Wettbewerb der politischen Parteien sorgsam abzuwägen“, heißt es dazu in der Begründung. Hier müsse „Gründlichkeit vor Schnelligkeit“ gehen. Sollten die Voraussetzungen aber gegeben sein, wird der Senat aufgefordert, „im Bundesrat die Möglichkeiten und Mehrheiten – idealerweise auf Initiative aller 16 Bundesländer – zur Einleitung eines entsprechenden Verfahrens ausloten, mit der zeitnahen Zielsetzung eine entsprechende Bundesratsinitiative zu ergreifen, um diese dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorzulegen.“

CDU-Fraktionschef Dirk Stettner zeigte sich zufrieden mit dem gefundenen Kompromiss. „Klar ist: Das schärfste Schwert der Demokratie darf nur ziehen, wer rechtlich sicher steht. Gründlichkeit geht vor Schnelligkeit. Recht geht vor Lautstärke“, erklärte er. Allein das Bundesverfassungsgericht könne entscheiden, ob eine Partei oder Organisation die freiheitlich-demokratische Grundordnung bekämpft.

Das Scheitern der Weimarer Republik und der Aufstieg des Nationalsozialismus hätten gezeigt, wie verletzlich eine Demokratie sein kann, so Stettner weiter. „Gleichzeitig zieht das Grundgesetz daraus eine zweite, ebenso wichtige Lehre: Staatliche Macht braucht klare Grenzen. Deshalb sind die Hürden für ein Parteienverbot in Deutschland bewusst sehr hoch. Ein Verbot darf niemals Ergebnis politischer Mehrheiten oder tagespolitischer Stimmung sein.“

Grüne und Linke wollen am Donnerstag in ihren Fraktionssitzungen vor der Abgeordnetenhaussitzung darüber entscheiden, ob sie dem Koalitionsantrag zustimmen, obwohl das Wort AfD nicht darin vorkommt. „Opposition wirkt“, sagte der Grünen-Abgeordnete Ario Mirzaie, Sprecher seiner Fraktion für Strategien gegen Rechts, dem „Tagesspiegel“. „Obwohl der Antrag der Koalition hinter unseren Forderungen zurückfällt und sehr unspezifisch ist, empfehle ich meiner Fraktion die Zustimmung, denn es ist ein erster Schritt in die richtige Richtung.“

Sabine Menkens berichtet über gesellschafts-, bildungs- und familienpolitische Themen.

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