MDR AKTUELL: Die Panzergrenadierbrigade 37 gilt als Elite-Einheit und wird auch "Speerspitze der Nato" genannt. Was können Sie besser als andere, Herr Markus?

David Markus: Nun, wir haben einige Erfahrungen sammeln können in den vergangenen Jahren als sogenannte Nato Response Force. Wir waren beauftragt, drei Jahre lang tatsächlich die Speerspitze der Nato zu sein und egal an welchem Ort der Welt mit unseren Kräften – und das waren tatsächlich um die fast 15.000 – einsatzbereit verlegen zu können, um dort im Auftrag der Nato die Sicherheit wiederherzustellen. Das haben wir tatsächlich vielen anderen Verbänden der Bundeswehr voraus.

Weil Sie schnell einsatzbereit sind, voll ausgestattet, maximal flexibel – oder wie können wir uns das vorstellen?

Tatsächlich alles. Wir sind nicht nur schnell verlegbar, wir haben auch eine unglaublich gute Ausbildung. Wir haben die neuesten Materialien, wir sind voll ausgestattet und wir sind für den Kampf zuständig mit den knapp 4.000 Soldaten, die aus dem Raum Thüringen und Sachsen kommen. Die weiteren knapp 2.000 Soldaten, die aus Thüringen kommen, die nicht zu mir gehören, sind dafür zuständig, die Verlegung sicherzustellen, aber auch die Versorgung, die notdienstliche Unterstützung, die Anbindung an die IT-Systeme und Feldjägerwesen. Mit uns gemeinsam sind sie letztendlich diejenigen, die – wenn man so will – das Abschreckungspotenzial klar verdeutlichen: Bis hierher und nicht weiter.

Das heißt, wenn Wladimir Putin, der russische Präsident, mitbekommt, dass hier die Panzergrenadierbrigade 37 anrückt und sich aufstellt, dann muss der wissen, jetzt wird es ernst?

Ich denke, er weiß es. Es ist ja nicht so, dass Russland nicht weiß, welche Kräfte ihm gegenüberstehen werden. Wir hören sehr wohl die Signale aus Russland – was Manöver und Truppenbewegungen angeht – und darauf reagiert die Nato. Wir sind ja kein Abschreckungsbündnis, sondern ein Verteidigungsbündnis. Was wir aktuell in Russland oder auch in Belarus sehen, führt uns dazu, dass wir sicherlich in der Lage sind, relativ zügig vor Ort zu sein und Russland aufzuzeigen: Das reicht jetzt.

Wir sind kein Abschreckungsbündnis, sondern ein Verteidigungsbündnis.

David MarkusKommandeur der Panzergrenadierbrigade 37

Abschrecken sollen Sie also doch.

Ja, abschrecken schon, aber nicht proaktiv im Sinne von: Wir sind permanent da. Wir sollen tatsächlich signalisieren: Wenn Russland der Auffassung ist, sie müssten sich so wie in der Ukraine etwas nehmen, was ihnen nicht zusteht, dann sind wir da und sagen: Bis hierher und nicht weiter.

Wie kann man sich denn diese Manöver-Einsätze im Herbst Ihrer Brigade in Litauen vorstellen?

Das Ziel dieser Übung war ja, insbesondere die Verfahren einzuüben und zu verbessern, wo wir bislang zwar schon einige Erfahrungen haben, aber festgestellt haben, dass es noch zu hundertprozentig gut läuft. Das waren unter anderem Verlegungen, die medizinische Versorgung, aber auch die Unterstützung mit Verpflegung, mit Kraftstoffen, Munition, mit Wasser und so weiter.

So ein Manöver soll letztlich ein Einsatz unter Kriegsbedingungen sein, um diesen Ernstfall zu simulieren. Das bedeutet zum Beispiel auch, ohne Handy unterwegs zu sein oder ohne ständige Anbindung ans Internet. Was ist der Sinn dahinter?

Ja, das ist genauso. Wir hatten ein Handyverbot ausgesprochen. Die Masse der Soldaten hatte auch kein Handy dabei. Ich glaube, Sie können sich vorstellen, dass es für den einen oder anderen – gerade die Jüngeren – ein bisschen schwierig ist, nicht am Handy zu sein und nachzuschauen, was gerade bei Instagram passiert. Das hat tatsächlich auch dazu beigetragen, dass das Mindset sich verändert hat. Das Mindset nämlich, dass uns gegenüber zur selben Zeit die russisch-belarussische Übung Sapad stattfindet und 80 Kilometer von uns entfernt Truppenbewegungen sind, die dazu beitragen könnten, dass im nächsten Moment das Ganze nicht nur Übung ist, sondern tatsächlich bitterer Ernst.

Wenn Sie dann den Soldaten sagen: 'Passt mal auf, ihr gebt eure Handys ab und ihr habt keine Verbindung nach zu Hause und ihr seid jetzt hier mit uns gemeinsam und wir stehen jetzt hier gemeinsam für etwas ein', dann macht das was mit den Leuten und sie verstehen, warum wir eigentlich hier sind. Dazu gehört auch, dass wir darauf reagiert haben, dass beispielsweise einige unserer Funkfrequenzen massiv gestört worden sind durch Russland. Wenn man dann sagt: Gut, also die wissen ja, dass wir da sind, die wissen, dass wir geübt haben, die selbst haben geübt. Sie haben unsere Frequenzen gestört. Dann haben wir ein passendes Rezept dafür und das waren Ausweichmöglichkeiten, die wir erprobt haben. Insofern war es genau richtig.

Das macht was mit den Leuten und sie verstehen, warum wir eigentlich hier sind.

David Markus Kommandeur der Panzergrenadierbrigade 37

Diese Provokationen haben Sie dort also erlebt, auch im Nato-Luftraum?

Die haben wir auch im Nato-Luftraum erlebt. Wir haben erlebt, dass über uns die Drohnen geflogen sind. Da kann man natürlich immer schwer zuordnen, wo gehören die eigentlich hin, wer hat sie gestartet. Ich will jetzt auch gar keine Spekulationen darüber äußern, von wem sie kommen. Fakt ist: Es sind Drohnen über uns geflogen. Wir sind permanent in der Drohnenabwehrsituation gewesen und meine Soldaten hatten den klaren Auftrag, wenn sie Drohnen aufklären, dann holen sie sie runter.

Abschießen?

Absolut.

Wie erleben die Soldaten diese Situation? Ständig mit einer Drohnengefahr umgehen zu müssen?

Zunächst einmal ist das skurril, glaube ich, weil einem das in Deutschland nicht so begegnet. Aber wie ich eben schon beschrieben habe: Wenn Sie erst mal vor Ort sind, im Wald stehen und dann schwirrt die Drohne über Sie rüber, dann wissen Sie, das ist jetzt nicht mehr nur ein Spaß und das sind keine eigenen Drohnen gewesen. Da erkennen Sie schon, dass sich ein Bewusstseinswandel einstellt, gerade bei auch bei den jüngeren Leuten. Insgesamt muss ich sagen: Es schon wichtig, dass wir das genauso erlebt haben.

Perspektivisch geht es ja um den Aufbau einer Bundeswehrbrigade in Litauen – ein multinationales Projekt. Wie funktioniert die Kooperation mit den anderen Streitkräften?

Die funktioniert herausragend gut. Nehmen wir mal die Litauer zum Beispiel: Dort sind wir nicht nur gern gesehener Gast als die Panzergrenadierbrigade 37, sondern wir erfüllen die Brückenfunktion, bis die Panzerbrigade 45 aufgestellt sein wird. Das wird so Ende 2027, Anfang 2028 sein.

Das ist die Litauenbrigade.

Ganz genau. Und da erkennen Sie bei den Litauern nicht nur eine große Freude, dass wir unser Wort gehalten und Truppe zur Verfügung gestellt haben, sondern Sie erkennen auch, dass all die Bemühungen, die die Litauer machen, nur dazu dienen, dass wir gemeinsam es besser hinbekommen. Und das sieht man wirklich allerorten.

Das wird eine riesige Kaserne, eine ganze Stadt? Oder was wird am Ende da stehen?

Das wird eine große Kaserne werden, direkt an einem Übungsplatz, sodass der Brigadegeneral Huber mit seinen Soldatinnen und Soldaten unmittelbar aus der Kaserne raus auf den Übungsplatz fahren kann, um dort seine Einsatzbereitschaft zu verbessern.

Sie selbst sind Brigadegeneral mit Auslandserfahrung – auf dem Balkan und in Afghanistan sind Sie gewesen. Wie sehr hilft Ihnen das jetzt und wie prägend war das für Sie?

Insbesondere mit Blick auf die Zusammenarbeit mit den Amerikanern beispielsweise oder mit anderen Nationen war das schon sehr hilfreich, um zu verstehen: Wie ticken die? Was machen die anders als wir, was sind deren Herangehensweisen und wie wie muss man sich gemeinsam einen gemeinsamen Einsatz vorstellen? Das war schon ziemlich gut.

Bei dieser Version handelt es sich um eine gekürzte Variante des Interviews mit David Markus. Das gesamte Interview können Sie im oben verlinkten Audio hören.

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