- Auf dem Bundesparteitag in Magdeburg attackiert Sahra Wagenknecht die BSW-Landesverbände in Brandenburg und Thüringen.
- Das Bundestagswahlergebnis will das BSW weiter juristisch anfechten – und dann Oppositionspartei sein.
- Bis zu den Landtagswahlen im kommenden Jahr hat die Partei noch zentrale Herausforderungen zu bewältigen, insbesondere mit Blick auf die Wählerschaft im Osten.
Ihre Strahlkraft ist ungebrochen. Auch auf diesem Bundesparteitag in Magdeburg ist die Parteigründerin selbst gefragt. Selfie hier, Selfie da. Die meisten Interviews übernimmt Wagenknecht selbst. Auf der Bühne gefeiert wie ein Politstar. Gerade in Ostdeutschland ist sie immer noch das Gesicht einer linken Politik, die bei den Wählern verfängt. Mit ihr ist ein Wahlkampf zu machen und zu schaffen, hoffen viele Mitstreiter in Ostdeutschland. Doch seit Samstagabend hat das Verhältnis zu Teilen ihrer ostdeutschen Basis einen für alle sichtbaren Riss bekommen.
Koalieren heißt nicht klein beigeben.
Wagenknecht greift auf offener Bühne die Landesverbände in Brandenburg und Thüringen scharf an. "Koalieren heißt nicht klein beigeben", ruft sie den Delegierten in Magdeburg zu. Das BSW sei nicht gewählt worden, um Politik für die SPD zu machen. Ein Fingerzeig Richtung Brandenburg. Hier regiert das BSW mit der SPD. Die Landtagsfraktion ist tief zerstritten. Zuletzt gab es mehrere Austritte aus der Partei.
Auch die Botschaft in Richtung Thüringen ist unmissverständlich. Hier habe man das beste Landesergebnis eingefahren. Aber es sei am Ende wenig von dem übrig geblieben, was man den Wählern versprochen habe. Wagenknecht sieht das als Anbiederung an das Establishment. Man habe zu schnell versucht, in die Regierungsverantwortung zu kommen. Sie nimmt die Thüringer in Mithaftung für das schlechte Wahlergebnis bei der Bundestagswahl.
Steffen Schütz, der Infrastrukturminister aus Thüringen, wehrt sich gegen die Vorwürfe. Man dürfte nicht innerhalb einer Partei Krieg führen. Schütz, der charismatische Unternehmer aus Thüringen, sucht die Auseinandersetzung auf Augenhöhe und zeigt sich dennoch versöhnlich. Er verzichtet auf seine Kandidatur zum stellvertretenden Parteivorsitzenden und nennt es ausdrücklich ein Friedensangebot. Wagenknechts Antwort: eine versteinerte Miene. Wagenknecht will künftig eine "Politik aus einem Guss". Das ist ihre Botschaft an die Delegierten in Magdeburg.
Nicht um jeden Preis regieren
Es ist ein bemerkenswerter Perspektivwechsel. Sahra Wagenknecht, die einstige Rebellin in der Linken, ruft zur Geschlossenheit auf. Sie, die einst in Magdeburg wegen ihrer Haltung zur Flüchtlingspolitik, mit einer Torte beworfen wurde, von linken Aktivisten. Hier in Magdeburg beim Parteitag 2016 war sie diejenige, die in der Linkspartei gegen den Strom geschwommen ist, sich schon damals für einen rigoroseren Kurs, für einen Aufnahmestopp etwa ausgesprochen hat. Ausgerechnet hier rechnet sie mit denen ab, die ebenfalls gegen den Strom schwimmen, in diesem Fall diejenigen, die regieren, abgewatscht auf offener Bühne.
In der Sache bleibt sie sich treu. Wagenknecht schwört die Delegierten und die Parteibasis auf Opposition ein. Regieren wollte sie ohnehin noch nie wirklich. Sie sieht sich als Fraktionsvorsitzende im Deutschen Bundestag, lieber gestern als morgen. Das Bundestagswahlergebnis soll neu ausgezählt werden. Das BSW will dafür vor das Bundesverfassungsgericht ziehen. Bei der Ankündigung tobt der Saal. Die Mehrheit sieht es wie Wagenknecht. In dieser, in ihrer Partei sind die Regierungswilligen in der Minderheit.
Schwierige Voraussetzungen für die Landtagswahlen im Osten
Das macht es für die Wahlkämpfer in den Ländern nicht gerade leicht. Gerade im Osten gibt es einen starken Willen, zu gestalten. Dafür braucht es auch ostdeutsche Gesichter im Bundesvorstand. Einige konnten sich durchsetzen. Doch die Kritik in den ostdeutschen Landesverbänden bleibt. Dort sehen sich einige unterrepräsentiert im BSW, gemessen am Erfolg bei den vergangenen Landtagswahlen im Osten.
Auch inhaltlich gibt der Parteitag den Pragmatikern wenig an die Hand. Es geht um eine Abrechnung mit der Bundespolitik. Es geht um Friedenssicherung, gegen Waffenlieferungen an die Ukraine, gegen die Wehrpflicht, Verhandlungen mit Putin, nicht Krieg gegen Putin.
Doch wenn Wagenknecht mit ihrer Partei auch in Ostdeutschland im kommenden Jahr Wahlen gewinnen will, braucht es mehr wahrnehmbare Angebote. Das weiß die Parteigründerin auch. Die Antworten will sie selbst liefern, als Vorsitzende der Grundwertekommission. Es braucht politische Angebote, die die Menschen mit kleinem Portemonnaie verstehen und mitnehmen. Rente, Bildung, Wirtschaft, weniger Bürokratie. Mehr inhaltliche Breite, mehr Abgrenzung zur Linkspartei. Wagenknecht verspricht Antworten darauf.
Und sie werden sie auch als Person brauchen, bei den Wahlkämpfen in Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern, trotz aller parteiinternen Kontroversen. Sie bleibt für viele in der Partei eine wichtige Identifikationsfigur, gerade in Ostdeutschland. Eine, die den Parteitag regelrecht wachreden kann. Von dieser rhetorischen und persönlichen Strahlkraft wollen auch die ostdeutschen Wahlkämpfer im Wahljahr 2026 profitieren.
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