Keine drei Wochen sind vergangen, seitdem der vom Kreml und Donald Trumps Chefunterhändler Steve Witkoff verfasste 28-Punkte-Plan öffentlich wurde. Seither sind Ukraine und Europäer im Dauer-Verhandlungsmodus, um für das kriegsgebeutelte Land einen akzeptablen Friedensfahrplan zu erreichen.
Am Montag trifft sich Wolodymyr Selenskyj erneut mit Spitzenvertretern Europas. In London wollen Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron auf Einladung des britischen Premierministers Keir Starmer mit dem ukrainischen Präsidenten die nächsten Schritte ausloten. Es geht darum, Einfluss auf den US-Friedensplan zu gewinnen. Wie dieser mittlerweile aussieht, ist nicht bekannt.
Der Druck ist enorm. US-Präsident Trump kritisierte Selenskyj am Sonntag erneut. „Wir haben mit Präsident Putin gesprochen und wir haben mit ukrainischen Führern gesprochen, darunter auch mit Selenskyj“, sagte Trump in Washington. „Ich muss sagen, dass ich ein wenig enttäuscht bin, dass Präsident Selenskyj den Vorschlag noch nicht gelesen hat – das war vor ein paar Stunden.“ Russland hingegen sei mit dem – von Trump nicht näher ausgeführten Papier – „einverstanden“.
Selenskyj hatte zuvor erklärt, Gespräche mit Washington seien zwar konstruktiv, aber nicht einfach. „Die US-Vertreter kennen die grundlegenden ukrainischen Positionen“, so der ukrainische Präsident. Zuvor war er von seinem neuen Chefunterhändler Rustem Umerow gebrieft worden, der drei Tage lang Gespräche in Miami mit Witkoff und Jared Kushner geführt hatte.
Die Bedingung: Europa und Deutschland zahlen
Um die US-Regierung von einem für Kiew akzeptablen Weg zu überzeugen, müssen Merz und Macron den Kontrast zwischen der Haltung Russlands auf der einen und dem Einsatz der Europäer und der Ukrainer auf der anderen hervorheben. „Die US-Seite sieht, dass die Russen nicht bereit sind, an den Verhandlungstisch zu kommen“, sagte Finnlands Verteidigungsminister Antti Häkkänen WELT am Rande des Reagan National Defense Forum in Kalifornien.
Häkkänen zufolge braucht es eine Aufgabenverteilung, die mit Trumps „America First“-Politik übereinstimmt. „Die Europäer zahlen die Unterstützung der Ukraine. Die USA müssen sich in bestimmten kritischen Bereichen engagieren.“ Zugleich zahle Europa den USA große Summen für die Lieferung von Waffen.
Sein schwedischer Amtskollege Pal Jonson betonte, dass das intensive Engagement Europas zugunsten der Ukraine von Washington wahrgenommen werde. „Verteidigungsminister Hegseth betont, dass er Alliierten zuhört, die mit viel Geld Worten Taten folgen lassen“, so Jonson im Gespräch mit WELT. Der Schwede hatte Hegseth am Freitag im Pentagon getroffen.
„Sind auf den letzten zehn Metern“
Trumps Ukraine-Gesandter Keith Kellogg gab sich derweil vorsichtig optimistisch. „Wir sind auf den letzten zehn Metern. Aber die sind immer die schwierigsten“. Kellogg gilt als kritisch gegenüber dem Kreml. Er war zuletzt aus den Gesprächen mit Russen und Ukrainern ausgeschlossen worden und räumt seinen Posten zu Jahresanfang.
Der ukrainischen Botschafterin in Washington zufolge sind zwei entscheidende Punkte weiter ungelöst. „Territorialfragen und Sicherheitsgarantien sind derzeit die beiden kompliziertesten Themen in der Diskussion“, sagte Olga Stefanishyna WELT.
In Hinsicht auf die Sicherheitsgarantien gab sich ein hochrangiger europäischer Vertreter am Rande des Reagan Forums zuversichtlich. „Die kombinierte Schlagkraft der Nato ist fünf oder sechs Mal größer als die Russlands.“ Die Ukraine habe die Unterstützung von mehr als dreißig Ländern, die den Luftraum, das Schwarze Meer und die Grenzen sichern könnten. Russland müsse klar kommuniziert werden, dass es „nicht einfach ein paar Jahre vier Jahre aufrüsten muss und dann erneut angreifen kann“.
Doch Trump zeigt in den vergangenen Wochen gegenüber Selenskyj erneut keine Aufgeschlossenheit für die ukrainischen Nöte. Kiew ist mit einer wachsenden Stimmung in der Trump-Administration konfrontiert, die ein Diplomat so zusammenfasst: „Zu Beginn des Krieges hatten die Russen drei Prozent des ukrainischen Territoriums, jetzt sind es 20. Es wird nicht besser für Kiew“. Die Sorge wachse, dass die USA mit dem Entzug militärischer und geheimdienstlicher Unterstützung drohen, um die Ukrainer zu Konzessionen zu zwingen.
Die militärische Unterstützung „sollte nicht dazu benutzt werden, Druck auf die Ukraine auszuüben“, so Botschafterin Stefanishyna. Die Hilfen müssten vom Prozess der Verhandlungen getrennt gesehen werden. „Wir wissen, dass sich die Lage in den nächsten sechs Monaten verschlechtern kann. Aber uns zu ergeben wäre noch schlechter.“
Stefanie Bolzen berichtet für WELT seit 2023 als US-Korrespondentin aus Washington, D.C. Zuvor war sie Korrespondentin in London und Brüssel.
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