Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, lehnt die Idee ab, den Renteneintritt nicht mehr an das Alter zu koppeln – sondern an die Zahl von Beitragsjahren. „Der Vorschlag wird die Altersarmut nicht reduzieren, sondern Ungleichheiten verstärken“, sagte der Ökonom der „Rheinischen Post“.
Zudem werde der Vorschlag zu einem intensiven Streit über die Frage führen, „ob und wann Unterschiede im Renteneintrittsalter berechtigt sind oder nicht“, sagte Fratzscher. Aus seiner Sicht würden auf diese Weise „Menschen und vor allem Frauen, die viele Jahre ehrenamtlich tätig waren oder sich um die Familie gekümmert haben, schlechter gestellt“.
Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) hingegen befürwortet den Vorschlag. „Grundsätzlich finde ich dieses System spannend und auch gerechter“, sagte sie am Sonntag im „Bericht aus Berlin“ der ARD. „Ich kann dem viel abgewinnen, weil es insofern gerechter ist: Wer früh einzahlt, kann dann auch früher gehen, und die, die erst später einzahlen, wissen, dass sie dann länger arbeiten müssen.“
Es gebe zwei unterschiedliche Modelle, sagte Bas weiter. Zum einen könne man das Renteneintrittsalter nach der Lebenserwartung formulieren oder danach, wer eine bestimmte „Strecke“ eingezahlt habe. Bas nannte ein Beispiel: Wenn jemand mit 16 schon angefangen habe mit einer Ausbildung und dann eine gewisse Strecke in die Sozialversicherungssysteme einbezahle, der könne dann auch früher aussteigen. „Und wer später anfängt, vielleicht erst ein Studium macht und dann später erst in die Kassen einzahlt, der muss dann auch länger arbeiten.“ In der Rentenkommission würden sicherlich beide Modelle diskutiert werden.
Ökonom Jens Südekum, der auch Berater von Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) ist, hatte sich dafür ausgesprochen, den Beginn der Rente nicht mehr mit dem Alter, sondern mit der Zahl der Beitragsjahre zu verknüpfen. „Die Lebensarbeitszeit ist eine Stellschraube, an die wir ranmüssen, um die gesetzliche Rente zu sichern“, sagte er der „Bild am Sonntag“. „Für alle die Rente mit 70 ist aber falsch. Besser ist es, den Renteneintritt nicht an eine starre Alterszahl zu koppeln, sondern an eine Mindestanzahl von Beitragsjahren.“
Ökonomen fordern seit Jahren eine weitere Erhöhung des Renteneintrittsalters. Es brauche auf jeden Fall eine große Rentenreform, sagte Südekum dazu. „Die Babyboomer fangen erst jetzt an, in Rente zu gehen. Heißt: Die große finanzielle Belastung für die gesetzliche Rente kommt erst noch.“
Im Detail sei es aber gerechter, auf die tatsächliche Lebensarbeitszeit zu schauen. „Akademiker zahlen deutlich später in die Rentenkasse ein als jemand, der mit 16 oder 18 Jahre eine Lehre beginnt und dann durcharbeitet.“
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