US-Präsident Donald Trump hat in einem Interview mit „Politico“, das wie WELT zu Axel Springer gehört, die europäische Migrationspolitik scharf kritisiert und vor einer tief greifenden Veränderung des Kontinents gewarnt. Europa sei „in Gefahr, wie wir es kennen“, sagte Trump. Wenn Millionen Menschen unkontrolliert einreisten, werde der Kontinent „zerstört“.
Als Negativbeispiele nannte Trump Deutschland und Schweden – Polen und Ungarn nahm er ausdrücklich aus. Die Regierungen vieler europäischer Staaten bezeichnete er als „schwach“ und zu sehr auf politische Korrektheit bedacht. Deutschland habe unter der damaligen Kanzlerin Angela Merkel (CDU) „zwei große Fehler“ begangen: eine zu offene Migrationspolitik und eine Energiepolitik, die aus seiner Sicht den Standort geschwächt habe. Schweden und Deutschland wiederum seien von „praktisch kriminalitätsfreien Ländern“ zu Ländern mit „viel Kriminalität“ geworden.
Aus der Kanzlerpartei CDU kam prompt Widerspruch zu Trumps Interview-Äußerungen. Der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Jürgen Hardt, erklärte Trumps Darstellung gegenüber WELT für unzutreffend und verwies auf die Stärke Deutschlands. Das Land sei die „drittgrößte Industrienation“, ein „hervorragender Wissenschaftsstandort“ und ein „zukunftsfreudiges Land“. Dies müsse man den USA „offener, häufiger und glaubwürdiger vermitteln“.
Hardt forderte einen intensiveren Austausch auch mit der Republikanischen Partei und widersprach der These eines transatlantischen Bruchs. Europa und die USA seien Wertepartner „wie kaum zwei andere Weltregionen“. Zugleich müsse Europa „politisch und zivilgesellschaftlich wieder mehr investieren, um das Band über den Atlantik zu stärken“.
Auch der Koalitionspartner SPD sieht Handlungsbedarf, bewertete Trumps Aussagen jedoch grundlegend anders. Der außenpolitische Sprecher Adis Ahmetović ordnete sie als Bestandteil einer längerfristigen Strategie ein. Trump versuche, „Europa zu schwächen und autoritäre Kräfte zu stärken“. Die neue US-Sicherheitsstrategie und Vorschläge zur Ukraine seien „ein offener Angriff auf unser souveränes Europa“.
Zu Trumps Kritik an der deutschen Politik sagte Ahmetović, die Herausforderungen auf den Feldern Migration und Energie seien Folgen internationaler Konflikte und Kriege. Europa habe trotz dieser Belastungen „Resilienz bewiesen“. Für das deutsch-amerikanische Verhältnis erwarte er weniger Verlässlichkeit. Die USA blieben Partner, aber „nicht mehr im früheren Sinne eines Verbündeten auf Augenhöhe“. Europa müsse souveräner werden und eigene sicherheits- und wirtschaftspolitische Stärke ausbauen.
Trumps Einschätzungen stehen im Zusammenhang mit der neuen nationalen Sicherheitsstrategie der US-Regierung. In dem Papier wird Europa so deutlich kritisiert wie selten zuvor. Die Strategie konstatiert Demokratiedefizite, mangelnde Kontrolle staatlicher Institutionen, Probleme bei der Meinungsfreiheit und eine Entwicklung, die zu einer „zivilisatorischen Auslöschung“ führen könne. Gleichzeitig kündigt Washington an, mit nationalistischen Parteien in Europa zusammenarbeiten zu wollen, um politischen Widerstand gegen den aktuellen Kurs der EU zu stärken. Trumps Interview folgt damit einer Linie, die seit Beginn seiner zweiten Amtszeit immer schärfer formuliert wird, wie etwa bei der Rede von US-Vizepräsident J.D. Vance bei der Münchener Sicherheitskonferenz im Frühjahr.
Wohlwollend fiel denn auch die Reaktion der AfD aufs Trumps Äußerungen im „Politico“-Interview aus. Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Markus Frohnmaier begrüßte Trumps Analyse ausdrücklich und sieht darin eine Bestätigung zentraler AfD-Positionen. „Massenhafte Migration“ und „kulturelle Selbstverleugnung“ führten Europa „in eine existenzielle Krise“. Deutschland habe sich seit der Migrationskrise 2015 „radikal verändert“, was zu einer Erosion der inneren Sicherheit und zu Belastungen der Sozialsysteme geführt habe. Auch die Energiepolitik zählte er zu den „größten politischen Verfehlungen der jüngeren Geschichte“. Dass Präsident Trump „eine Kurskorrektur in Europa unterstützt“, sei aus seiner Sicht positiv, so Frohnmaier. Einen politischen Wechsel werde es jedoch „nur mit der AfD geben“.
Die Grünen wiesen Trumps Aussagen entschieden zurück. Die Bundesvorsitzende Franziska Brantner bezeichnete sie als Teil einer Strategie, „die auf Spaltung und Schwächung Europas abzielt“. Deutschland sei ein starkes demokratisches Land, die Energiewende „keine Bedrohung, sondern unsere Versicherung gegen gefährliche Abhängigkeiten“. Europa müsse sich außen-, sicherheits- und wirtschaftspolitisch stärker auf eigene Füße stellen und bei Rüstungskooperationen, digitaler Souveränität und einem europäischen Sicherheitsrat vorankommen.
Auch die stellvertretende Grünen-Fraktionsvorsitzende Agnieszka Brugger kritisierte Trumps Vorgehen deutlich. Sie rate, „nicht auf jede Aussage Trumps anzuspringen“. Viele seiner Formulierungen seien bewusst gesetzt: „Ich gehe davon aus, dass er es persönlich selber besser weiß, aber dass er diese Sätze genauso äußert, um uns zu triggern. Auf diese Provokation falle ich nicht rein und fallen viele viel zu oft rein.“
Merz: Einladung an Trump „steht natürlich“
Zuvor hatte Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) Darstellungen in Teilen der amerikanischen Sicherheitsstrategie zurückgewiesen. Manche seien nachvollziehbar, anderes sei aus europäischer Sicht „nicht akzeptabel“, sagte er bei einem Besuch in Mainz. Die Behauptung, die USA müssten die Demokratie in Europa retten, treffe nicht zu. „Dafür sehe ich keine Notwendigkeit. Wenn sie wirklich gerettet werden müsste, würden wir das schon alleine hinbekommen.“ Europa könne seine Ordnung selbst schützen.
Merz betonte zugleich die Bedeutung der amerikanischen Streitkräfte in Deutschland und sprach von einem „gemeinsamen Ziel“, nämlich der Bewahrung von Freiheit, Sicherheit und Frieden in Europa. Er ermutigte Politik und Kommunen, „ein gutes Einvernehmen“ mit den US-Truppen zu pflegen.
Falls sich die Vereinigten Staaten stärker von Europa lösen sollten, müsse der Kontinent jedoch unabhängiger werden. „America first“ sei okay, „America alone“ schade ihnen selbst, so Merz. Die Rede von US-Vizepräsident J.D. Vance bei der Münchner Sicherheitskonferenz habe zudem „etwas ausgelöst“, was sich in den jüngsten Entscheidungen zur Erhöhung der Verteidigungsausgaben zeige.
Merz bestätigte außerdem, dass US-Präsident Trump 2026 nach Deutschland kommen wolle. „Die Einladung steht natürlich“, sagte er. Trump habe „mit großer Begeisterung zugesagt“, auch wenn ein konkreter Termin noch nicht feststehe.
Maximilian Heimerzheim ist Volontär im Innenpolitik-Ressort.
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