Das Bild, das Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) auf dem CSU-Parteitag in München vom Zustand der deutschen Wirtschaft zeichnete, war düster. Aber laut den ökonomischen Daten sowie den Ankündigungen der Unternehmen zum Abbau von Stellen ist es ziemlich zutreffend. Deutschland ist von der Konjunkturmaschine der 2010er-Jahre zum viel zitierten „kranken Mann Europas“ geworden.

Die Stabilisierung der Wirtschaft und Impulse für Wachstum haben nach den Worten des Kanzlers nun innenpolitisch absolute Priorität. Es gehe um die „Wiederherstellung der Wettbewerbsfähigkeit“ der Volkswirtschaft sowie die „Herstellung der Verteidigungsfähigkeit“ Deutschlands, sagte Merz in München. Die Steuern, Energiekosten, Bürokratie- und Arbeitskosten müssten gesenkt, das Land „von Grund auf saniert und modernisiert werden“.

Dazu will der Kanzler auch mehr Wirtschaftskompetenz in der Parteispitze verankern.

Auf dem Parteitag der CDU am 20. und 21. Februar 2026 in Stuttgart soll dafür das Präsidium, das höchste Gremium der Partei, umgebaut werden. Merz will die Frauenquote erhöhen und eine Wirtschaftsexpertin in das Topgremium holen. Nach Informationen von WELT aus der Führung mehrerer Landesverbände soll die CDU-Bundestagsabgeordnete und Staatssekretärin im Bundeswirtschaftsministerium, Gitta Connemann, in das erweiterte CDU-Präsidium aufrücken.

Connemann ist Vorsitzende der Mittelstands- und Wirtschaftsunion (MIT), einer der einflussreichsten Vereinigungen in der CDU, Beauftragte der Bundesregierung für den Mittelstand und hat mehrfach in ihrem ostfriesischen Wahlkreis das Direktmandat geholt. Sie spricht im CDU-Bundesvorstand, dem sie als MIT-Chefin angehört, regelmäßig die Probleme der Wirtschaft, vor allem des Mittelstands, an. Wie es intern heißt, hat Connemann die Unterstützung der Landesverbände Nordrhein-Westfalen, Hessen, Thüringen und Sachsen-Anhalt. Der Landesverband NRW ist der mit Abstand mitgliederstärkste und damit einflussreichste in der CDU.

Hessische Abgeordnete soll Vize-Chefin werden

Geplant ist, dass auf dem Parteitag in Stuttgart Ines Claus, Vorsitzende der CDU-Fraktion im Hessischen Landtag, zu einer der stellvertretenden Parteivorsitzenden gewählt wird. Weil der Posten von fünf auf sechs Stellvertreter aufgestockt werden soll, wären dann drei der sechs Mitglieder Frauen, also Parität hergestellt. Vizevorsitzende der CDU auf Seite der Frauen wären dann neben Claus die Bundesbildungsministerin Karin Prien und die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundeslandwirtschaftsministerium, Silvia Breher.

Durch den Wechsel von Claus würde im erweiterten Präsidium, zu dem unter anderem Thüringens Ministerpräsident Mario Voigt und NRW-Heimatministerin Ina Scharrenbach zählen, ein Platz frei. Den soll Connemann einnehmen. Davon abgesehen soll das Gremium um einen Posten verringert werden, womöglich scheidet die Abgeordnete Ronja Kemmer aus. Sämtliche Entscheidungen werden die Delegierten des Parteitags treffen.

Connemann hat sich zuletzt für die Abschaffung der telefonischen Krankschreibung eingesetzt, für den Erhalt der Mittelstandsklausel im Baurecht, damit bei Staatsaufträgen auch kleinere Unternehmen zum Zug kommen, sowie für die Abschaffung eines Feiertags, um die Produktivität zu steigern. Die jüngste Attacke von SPD-Co-Chefin Bärbel Bas auf dem Bundeskongress der Jusos auf die Arbeitgeber hatte Connemann scharf gekontert: „Wer Arbeitgeber nicht will, will am Ende auch keine Arbeitnehmer“, hatte sie WELT TV gesagt.

Merz wollte eigentlich eine andere Kandidatin

Bei der Vorbereitung der Besetzung dieser Top-Personalie ist Kanzler und CDU-Chef Merz allerdings eine Panne passiert. Auf einer der jüngsten Sitzungen des CDU-Bundesvorstands war Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche als von Merz präferierte Kandidatin für das erweiterte Präsidium vorgeschlagen worden.

Reiche hat Wirtschaftskompetenz, Reformwillen und scheut die Debatte mit dem politischen Gegner und Koalitionspartner nicht. Zuletzt hatte sie im Gespräch mit Table.Media vorgeschlagen, angesichts der wirtschaftlichen Krise den Koalitionsvertrag in Teilen neu auszuhandeln. Dieser Vorschlag hatte, jenseits des offiziellen Programms, auf dem CSU-Parteitag für großes Echo gesorgt und vielfach Zuspruch gefunden. Nur: Reiche hat keinerlei Ambitionen auf ein Parteiamt.

Sie sagte dem Kanzler für den Präsidiumsposten ab, was unglücklich ist, nachdem sie bereits dafür vorgeschlagen worden war. „Warum spricht man so etwas nicht besser ab?“, fragten daraufhin intern gleich mehrere Spitzenfunktionäre aus den Landesverbänden kritisch in Richtung des Parteivorsitzenden und der Parteiführung. Nach der Absage Reiches haben die vier Landesverbände mit Connemann nun einen Vorschlag vorgelegt, der besser abgestimmt sein soll.

Die Ministerin soll wenig Lust dazu haben, sich neben der Kabinettsdisziplin auch noch derjenigen der Partei unterwerfen zu müssen. Katherina Reiche hat mehrfach mit Vorschlägen für Aufsehen gesorgt, wie etwa einem höheren Renteneintrittsalter, die nicht der beschlossenen Parteilinie entsprechen. Wenn die Delegierten auf dem Parteitag in Stuttgart nun dem Vorschlag der Landesverbände folgen und Connemann wählen, müsse sie sich allerdings darauf einstellen, dass diese sich ebenfalls mit unkonventionellen Ideen wie Reiche zu Wort meldet.

Die CDU wählt turnusgemäß alle zwei Jahre ihre Vorsitzenden und die Mitglieder des Präsidiums neu. Eine Anfrage von WELT bei Connemann blieb unbeantwortet.

Nikolaus Doll berichtet über die Unionsparteien und die Bundesländer im Osten.

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