Der Bund der Steuerzahler, der Landesrechnungshof und mehrere Politiker kritisieren die erneute Ausrufung einer Corona-Notlage in Sachsen-Anhalt. Der Landeschef des Bundes der Steuerzahler, Ralf Seibicke, hält den Beschluss für „Bullshit“. „Die Entscheidung zeigt, dass der Landeshaushalt in finanzieller Hinsicht außer Kontrolle geraten ist“, sagte Seibicke der „Bild“-Zeitung. Die Folgekosten könnten „brandgefährlich“ hoch sein. Er hoffe auf eine Klage vor dem Landesverfassungsgericht.
Der Landtag in Magdeburg hatte am Dienstag auch für das Jahr 2026 eine außergewöhnliche Notsituation festgestellt. Bei der namentlichen Abstimmung votierten 51 Abgeordnete mit Ja und 31 mit Nein. Damit können weiterhin Projekte aus dem sogenannten Corona-Sondervermögen finanziert werden. Der kreditfinanzierte Sondertopf wurde eingerichtet, um die Folgen der Pandemie abzufedern und Vorsorge für die Zukunft zu treffen.
Mit den zwei Milliarden Euro will die Regierung das Land pandemie-resilient machen. So soll etwa an Schulen und Hochschulen neue Technik angeschafft und in die Digitalisierung der Landesverwaltung sowie in Krankenhäuser investiert werden. Finanzminister Michael Richter (CDU) argumentierte, man sei auf die Feststellung der Notlage angewiesen.
Der Landesrechnungshof sieht das anders. Präsident Kay Barthel warnte laut „Bild“ schon vor der Abstimmung, er halte „Nachwirkungen der Corona-Pandemie“ als Begründung für fragwürdig und vor Gericht angreifbar. Der Staat dürfe sich nicht dauerhaft auf Notlagen stützen, um Schulden und Sondervermögen zu rechtfertigen. Mehr als die Hälfte der 63 Maßnahmen im Corona-Sondervermögen hätten keinen ausreichenden Pandemie-Bezug, viele Projekte seien normale Staatsaufgaben.
Auch im Landtag gibt es Kritik an der Entscheidung. „Bild“ zitierte AfD-Sprecher Patrick Harr mit den Worten, seine Fraktion werde „ein Vorgehen beim Landesverfassungsgericht“ prüfen. Auch die Grünen denken der Zeitung zufolge darüber nach. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Fraktion, Olaf Meister, sagte: „Wir prüfen auch die Klagemöglichkeit.“
„Trickserei, um an Kohle zu kommen“
BSW-Gründerin Sahra Wagenknecht sprach von einer „Trickserei, um an Kohle zu kommen und die Regierungsparteien in eine bessere Startposition für die Landtagswahlen zu bringen.“ Sie forderte ein Eingreifen des Bundes: „Dieses Foulspiel muss gestoppt werden! Im Notfall gäbe es dafür sogar Artikel 37 des Grundgesetzes, ein Bundeskommissar könnte diesen Missbrauch stoppen.“ FDP-Vize Wolfgang Kubicki nannte das „einen bestechenden Gedanken, der weiterverfolgt werden sollte“.
Artikel 37 des Grundgesetzes wurde für den Fall geschaffen, dass ein Bundesland seine gesetzlich geregelten Bundespflichten nicht erfüllt. Die Bundesregierung kann in einem solchen Fall mit Zustimmung des Bundesrates „die notwendigen Maßnahmen“ ergreifen, um das Land „im Wege des Bundeszwanges“ zur Einhaltung dieser Pflichten anzuhalten. So könnte der Bund etwa die Staatsgewalt in dem betroffenen Land übernehmen und dort Gesetze beschließen. Der Bundeszwang wurde in der Bundesrepublik noch nie angewandt. Verfassungsrechtler sprechen von einer Ultima Ratio.
Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt beim ursprünglichen Autor. Die erneute Veröffentlichung dieses Artikels dient ausschließlich der Informationsverbreitung und stellt keine Anlageberatung dar. Bei Verstößen kontaktieren Sie uns bitte umgehend. Wir werden bei Bedarf Korrekturen oder Löschungen vornehmen. Vielen Dank.