Die ehemalige Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat die Verdienste der am Freitag verstorbenen NS-Verfolgten und Holocaust-Zeitzeugin Margot Friedländer gewürdigt. „Wir können gar nicht dankbar genug sein, dass Margot Friedländer die Kraft fand, von ihrer Leidens- und Lebensgeschichte zu erzählen“, sagte Merkel der „Bild“-Zeitung.

Margot Friedländer war am Freitag im Alter von 103 Jahren in Berlin gestorben. Noch zwei Tage zuvor hatte sie bei einer Gedenkveranstaltung zum 80. Jahrestag der Befreiung vom Nationalsozialismus in Berlin bewegende Worte an die Gäste gerichtet und war dafür mit stehenden Ovationen bedacht worden.

Friedländer habe über ihre Lebensgeschichte Zeugnis abgelegt, weil sie überzeugt gewesen sei, „dass es von überragender Bedeutung war und ist, gerade junge Menschen dafür zu gewinnen, sich entschieden gegen Ausgrenzung, Abwertung, Rassismus, Antisemitismus und jede Form gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit zu wenden“, hob Merkel hervor. „Für mich kann kein Satz dieses Vermächtnis eindrucksvoller vermitteln als Margot Friedländers eigene, bis zuletzt wieder und wieder gesagten Worte: ‚Seid Menschen‘“, sagte die frühere Kanzlerin.

Friedländer war nach dem Krieg mit ihrem Mann zunächst in die USA emigriert. Erst im hohen Alter kehrte sie nach dem Tod ihres Mannes Adolf in ihre Geburtsstadt Berlin zurück. Die Jüdin hatte ihre Gefangenschaft im NS-Konzentrationslager Theresienstadt überlebt. Ihre Eltern und ihr Bruder wurden aber von den Nationalsozialisten ermordet, ebenso die Familie ihres Ehemanns, den sie im KZ kennenlernte.

Zahlreiche Persönlichkeiten aus Politik und Kultur zollten der Verstorbenen Respekt. Ab Dienstag werden in Berlin Kondolenzbücher im Roten Rathaus und im Bundestag ausgelegt. Als Ehrenbürgerin der Stadt erhält Friedländer in Berlin ein Ehrengrab. Ort und Tag der Beisetzung sollen zu Beginn der kommenden Woche bekannt gegeben werden.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier erklärte in einem Kondolenzschreiben, Friedländer habe „unserem Land Versöhnung geschenkt – trotz allem, was die Deutschen ihr als jungem Menschen angetan hatten. Für dieses Geschenk können wir nicht dankbar genug sein.“

Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) bezeichnete Friedländer auf der Plattform X als eine „der stärksten Stimmen unserer Zeit“. Sie sei für ein friedliches Miteinander, gegen Antisemitismus und Vergessen eingetreten.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sagte der „Bild“-Zeitung: „Diese zierliche Person war eine der größten Deutschen der vergangenen 100 Jahre.“ Friedländer verkörpere für Deutschland „Schuld, Vergebung und Verpflichtung zugleich“.

„Bis zum letzten Atemzug gekämpft“

Die Linke würdigte auf ihrem Parteitag in Chemnitz die Verstorbene und deren Einsatz für Versöhnung. Die Holocaust-Überlebende habe die Schrecken des Nationalsozialismus und des faschistischen Mordens in ihrer eigenen Familie erlebt, sagte der Berliner Bundestagsabgeordnete Pascal Meiser als Tagungsleiter. Friedländer habe „bis zum letzten Atemzug dafür gekämpft, dass das, was sie erlebt hat, nicht vergessen wird“.

„Das Vermächtnis von Margot Friedländer werden wir ehren und den Auftrag, den sie sich gegeben hat, weiter pflegen, und das Erlebte, die Schrecken der Nazi-Barbarei, auch den weiteren, den kommenden Generationen nahebringen, um dafür zu sorgen, dass das nie wieder geschieht“, sagte Meiser. Die mehr als 500 Delegierten erhoben sich zu einem Schweigemoment.

Ein „großes Wunder“ beim Deutschen Filmpreis

Beim Deutschen Filmpreis kämpfte Starpianist Igor Levit sichtlich mit den Tränen, als er auf der Bühne die Verstorbene würdigte, statt eine Laudatio für die beste Filmmusik zu halten. Die Nachricht vom Tod Friedländers hatte mitten in der Preisverleihung die Runde gemacht.

Es war der bewegendste Moment bei der mehrstündigen Gala am Potsdamer Platz in Berlin. Viele Schauspieler im Publikum wirkten überrascht und geschockt. Der jüdische Pianist rief zu einem Schweigemoment für Friedländer auf, immer wieder stockte seine Stimme. „Es gibt Momente, die sind größer als der Preis, als jeder Preis, als wir alle“. Friedländer sei ein „großes, großes Wunder gewesen“.

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