Eine Gruppe aus Sozialdemokraten um Ralf Stegner und Rolf Mützenich fordert von der schwarz-roten Bundesregierung eine Wende in der Außen- und Sicherheitspolitik. Dafür schlägt ihr Gegenwind auch aus den eigenen Reihen entgegen. Bundeskanzler Friedrich Merz gibt sich angesichts der Kritik in der SPD an der Verteidigungspolitik seiner Regierung hingegen gelassen. „Ich kann nur sagen, wir sind uns in der Bundesregierung zwischen CDU/CSU und SPD in der Bewertung des Krieges, den Russland gegen die Ukraine führt, und in den Konsequenzen, die es daraus zu ziehen gilt, vollkommen einig“, sagte der CDU-Chef am Mittwochabend nach einem Treffen mit der dänischen Ministerpräsidentin Mette Frederiksen in Berlin. „Und ich setze darauf, dass diese Einigkeit auch bestehen bleibt“, sagte er auf die Frage, ob Vizekanzler und SPD-Chef Lars Klingbeil ein Machtwort sprechen solle.
Die SPD-Linke fordert eine neue Sicherheits- und Außenpolitik, einschließlich einer Annäherung an Russland. Die dänische Ministerpräsidentin, ebenfalls eine Sozialdemokratin, betonte, „dass wir keine Anzeichen dafür sehen, dass Russland tatsächlich an einem Frieden interessiert ist“. Sie fügte hinzu: „Es gibt nur einen aggressiven Akteur hier in diesem Konflikt, und das ist Russland. Wir als Europäer müssen uns der Tatsache bewusst sein, dass es ja nicht nur die Ukraine ist, die bedroht wird.“
Kritik an dem Kurswechsel von Teilen der SPD kommt hingegen aus der Opposition. „Dass führende SPD-Politiker eine Kehrtwende in der Außenpolitik und im Umgang mit Russland fordern, ist höchst irritierend“, sagte die Vorsitzende der Grünen, Franziska Brantner, dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Niemand sehnt sich mehr nach Frieden als die Ukrainerinnen und Ukrainer. Und das sogenannte Manifest lässt unerwähnt, dass es seit Jahren immer wieder diplomatische Initiativen für Frieden mit Russland gibt. Die von den USA initiierten Gespräche in Riad und Istanbul sind nur die jüngsten Beispiele. Bisher ist Putins Antwort auf diese Bemühungen immer mehr Gewalt.“
Brantner fügte hinzu: „Friedenspolitik heißt in diesen Zeiten, an der Seite der Angegriffenen und nicht der Aggressoren zu stehen. Gemeinsame Sicherheit bedeutet Solidarität mit unseren Partnern im Osten und im Baltikum, die Sorge vor einer weiteren Ausweitung der Gewalt haben. Und auch wenn es uns nicht gefällt, bedeutet Friedenssicherung, in unsere eigene Wehrhaftigkeit zu investieren. Denn nur wenn wir uns glaubhaft verteidigen können, haben wir überhaupt diplomatischen Handlungsspielraum.“ Erneut zeige sich, „dass es in dieser zentralen Frage zwei SPD-en zu geben scheint“, sagte die Grünen-Chefin. „Die Frage ist, welche der beiden regiert?“
Kritik aus den eigenen Reihen an SPD-Linke
Zuvor hatten sich bereits diverse SPD-Genossen irritiert von dem außenpolitischen Kurswechsel einiger Parteikollegen gezeigt. Die saarländische Ministerpräsidentin Anke Rehlinger (SPD) grenzt sich im Berlin Playbook-Podcast von Politico, das wie WELT zu Axel Springer gehört, von dem „Manifest“ ab. „Ich teile diese Positionen nicht“, sagte Rehlinger, stellte aber zugleich klar: „Man muss nicht jede Position, die man nicht teilt, in Bausch und Bogen direkt abbiegen wollen.“
Rehlinger betonte, sie habe die außenpolitische Linie der SPD im Parteivorstand 2023 mitbeschlossen. Diese sei weiterhin Grundlage für die Regierungsarbeit. Das Manifest überrascht sie nicht: „Dass Ralf Stegner oder Rolf Mützenich diese Position vertreten, ist nicht wahnsinnig überraschend“, so Rehlinger.
Die Aussagen zur Ukraine und Russland sieht sie kritisch: „Ich glaube nicht, dass Russland unter Putin überhaupt momentan ein Gesprächspartner sein kann und sein will. (…) Zusammenarbeit mit Putins Russland, das glaube ich, ist nicht das, was die Situation gerade hergibt.“
Zum Vorwurf, Parteichef Lars Klingbeil habe linke Positionen vernachlässigt, sagte Rehlinger: „Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass es in Deutschland Menschen gibt, die sehr friedensbewegt sind. (…) Vielleicht ist ein solches Manifest der Anlass, um noch mal die Argumente auszutauschen.“
Einen Fehler in der Einbindung prominenter Kritiker sieht sie nicht: „Alle sind eingebunden und eingeladen in den Debatten.“ Posten allein könnten Überzeugungen nicht einbinden: „Menschen, die eine Haltung haben, lassen sich nicht alleine durch Posten einbinden.“
Zum anstehenden Parteitag erklärte Rehlinger: „Es geht darum, neue Stärke zu erlangen – manchmal eben auch über Debatten.“
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