- Großprojekte mit Wasserstoff laufen weiter, doch viele Mittelständler pausieren – grüner Wasserstoff ist knapp und noch immer teuer.
- Die Regierung will bis 2030 neue Gaskraftwerke bauen – ob sie wasserstofffähig sein müssen, ist noch unklar.
- Sachsens Wirtschaftsminister betont die Bedeutung von Wasserstoff, auch wenn ein früherer Hype nun einer realistischeren Einschätzung weicht.
Grüner Wasserstoff galt als Hoffnungsträger der Energiewende, um Kohle, Öl und Erdgas abzulösen – zum Beispiel in der Industrie oder im Verkehr. Auch Mitteldeutschland setzt auf Wasserstoff. Doch der größte ostdeutsche Energieversorger enviaM steigt aus einem Wasserstoff-Vorzeigeprojekt aus. Auch einem großen Wasserstoff-Werk südlich von Leipzig droht das Ende. Gerät die Wasserstoff-Strategie ins Wanken?
Die gute Nachricht zuerst, sagt Jörn-Heinrich Tobaben, Vorstandsmitglied des mitteldeutschen Wasserstoff-Netzwerks Hypos. Die Großindustrie sei auf dem Transformationspfad und gehe ihn weiter. Und da spiele auch Wasserstoff eine Rolle. Wasserstoff-Projekte der Raffinerie von Total Energies in Leuna oder des Leipziger BMW-Werks zum Beispiel würden weiter umgesetzt.
Jetzt kommt eine Art Reality-Check in der Form, dass man erkennt, grüner Wasserstoff ist unverändert knapp und teuer in Relation zur klassischen Gasversorgung.
Geändert habe sich hingegen die Markteinschätzung des Mittelstands, sagt Tobaben. "Jetzt kommt eine Art Reality-Check in der Form, dass man erkennt, grüner Wasserstoff ist unverändert knapp und teuer in Relation zur klassischen Gasversorgung für wärmegeführte Prozesse in großen Industriestandorten und auch bei Mittelständlern." Deswegen hätten viele Mittelständler ihre Projekte pausiert. Das sei absehbar gewesen, sagt Tobaben.
Neue Pläne der Bundesregierung
Eine Rolle könnte auch spielen, wie die schwarz-rote Bundesregierung die Kraftwerksstrategie der vorherigen Ampel-Regierung weiterentwickelt. Rot-Grün-Gelb hatte noch vorgesehen, dass neue Kraftwerke "H2-ready" sein müssen, also so gebaut werden, dass sie künftig auch mit Wasserstoff betrieben werden können.
Das CDU-geführte Bundesministerium für Wirtschaft und Energie teilt dazu schriftlich mit: "Im Koalitionsvertrag haben sich die Regierungsfraktionen auf die Absicht verständigt, bis 2030 den Bau von bis zu 20 Gigawatt an Gaskraftwerksleistung im Rahmen der zu überarbeitenden Kraftwerksstrategie technologieoffen und schnellstmöglich anzureizen." Die Bedingungen der Ausschreibung für die neuen Kraftwerke seien Gegenstand der aktuellen Abstimmung und der Gespräche der Europäischen Kommission.
Dabei müssten auch europäische Vorgaben und die Klimaschutzziele, die ebenfalls im Koalitionsvertrag stehen, einbezogen werden, meint Nina Scheer, die energiepolitische Sprecherin der SPD im Bundestag: "Man muss sich in diesem Gesamtkontext gut überlegen, ob Gaskraftwerke, die nicht wasserstofffähig sind, also nicht H2-Readyness können, auch zukunftsfähig und ökonomisch sinnvoll sind. Das muss mitbedacht werden in den Plänen, die es jetzt vorzulegen gilt."
Hype um Wasserstoff vorbei?
Auch ihr Parteikollege und Sachsens Wirtschaftsminister Dirk Panter spricht sich im Gespräch mit MDR AKTUELL dafür aus, dass die geplanten Kraftwerke H2-ready sind. Er setzt weiter auf Wasserstoff: "Wir wollen die Strategie weiterverfolgen. Wir sind in den letzten Jahren nicht dafür gewesen, dass man so einen Hype um den Wasserstoff macht. Genauso wenig sollte man aber jetzt ins Tal der Tränen gehen."
Wasserstoff werde in der Zukunft für unsere Energiesicherheit eine wichtige Rolle spielen, sagt Panter: "Er wird auch von der Industrie gebraucht, aber wir werden ihn unserer Meinung nach auch grundsätzlich bei Kraftwerken zur Versorgungssicherheit brauchen."
Den Wasserstoff-Hype kritisiert auch Jörn-Heinrich Tobaben vom mitteldeutschen Wasserstoffnetzwerk. Wasserstoff könne nur ein Teil der Lösung sein. Da sei nun Realität eingekehrt und das sei auch gut so.
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