In der Nacht zum 13. Juni begann „Operation Rising Lion“ – ein Militäreinsatz der Israelischen Verteidigungsstreitkräfte (IDF), der schon jetzt als historisch gilt. Etwa 200 Kampfflugzeuge griffen in mehreren Wellen Ziele im Iran an, um dort militärische Infrastruktur inklusive der Atomanlagen zu zerstören und das Raketenarsenal Teherans zu schwächen. WELT sprach mit einem der beteiligten Piloten. Aus Sicherheitsgründen bleiben Name und Identität geheim.
WELT: Sie gehören zu den wenigen Menschen, die Teil einer Militäroperation waren, die auf der ganzen Welt mit großer Aufmerksamkeit verfolgt wurde – und die Welt womöglich für immer verändert hat. Wie fühlt sich das an?
LTC (Reserve) A: Wir hoffen natürlich, dass wir die Welt verändert haben – zum Besseren. Es ist schwer, diese Gefühle in Worte zu fassen. Es war ein außergewöhnlicher Moment. Schon vor zwei Wochen, als alles begann, spürten wir, dass wir vor Tagen von großer Bedeutung stehen würden. Ich diene seit Dezember 2000 in der israelischen Luftwaffe, also seit 25 Jahren. Seit meiner Jugend haben wir auf diesen Moment trainiert – in dem Wissen, dass er eines Tages kommen würde und wir keine andere Wahl haben würden, als zu handeln. Nun ist dieser Tag gekommen. Wobei man sagen muss, dass seit dem 7. Oktober, als dieser Krieg begann, klar war: Der entscheidende Augenblick rückt näher. Und: Das Problem begann ja nicht erst an diesem Tag – es reicht viel weiter zurück. Ich empfinde es als große Ehre, Teil dieser notwendigen Operation gewesen zu sein. Wir hoffen, dass wir damit den Grundstein für eine sicherere Zukunft gelegt haben – für Israel, für den Mittelmeerraum und letztlich für die ganze Welt.
WELT: Sie waren Teil von etwas Historischem. Gleichzeitig saßen Ihre Lieben in Schutzräumen, während Sie über feindlichem Gebiet geflogen sind. Was ging in Ihnen vor?
LTC (Reserve) A: Ich habe fünf Kinder und eine Frau – und natürlich waren meine Gedanken gerade zu Beginn der Operation in jedem Moment bei ihnen. Aber unsere Zivilbevölkerung weiß, was in solchen Situationen zu tun ist, wie sie sich schützen kann, und was zu beachten ist. Ich vertraue darauf, dass Israel und unsere Führung mit dieser extrem komplexen Lage besonnen umgehen. In diesem Vertrauen und in dem Wissen, dass meine Familie so sicher ist, wie es unter den gegebenen Umständen möglich ist, habe ich meine Gedanken ganz auf die Mission gerichtet. Ich musste mich auf das fokussieren, was vor uns lag – und letztlich implizit ja auch darauf, durch unseren Einsatz dafür zu sorgen, dass meine Familie auch in Zukunft in Sicherheit leben kann.
WELT: Sie haben den Irak und Syrien überflogen?
LTC (Reserve) A: Diese Lufträume galten noch vor wenigen Monaten als feindlich. Nun war der Luftraum offen, aber auf dem Weg Richtung Iran bleibt man ohnehin hoch konzentriert und wachsam in jedem Moment. Die volle Aufmerksamkeit galt natürlich dem Iran – dem Zielgebiet unserer Operation.
WELT: Weltweit gibt es auch viel Kritik an der Mission. Wie gehen Sie damit um?
LTC (Reserve) A: Ich nehme diese Kritik zur Kenntnis. Allerdings gilt in Israel: Wir hören nicht nur, was aus Teheran gesagt wird, wir erleben auch die daraus folgenden Taten: über ihre Stellvertreter, über ihre Waffen. Diese Bedrohung ist für uns Realität. Ich bin davon überzeugt, dass viele Menschen in der freien Welt das verstehen. Das mag sich nicht immer in den lauten Stimmen der Proteste oder in den Schlagzeilen widerspiegeln – aber ich glaube, viele wissen, was auf dem Spiel steht. Die Menschen sind klüger, als manche meinen. Sie sehen und hören vieles und vollziehen nach, was auch wir hier sehen und hören. Für mich ist klar, was dieser Moment bedeutet. Und zwar erfasse ich das nicht nur durch abstraktes Wissen – wir spüren es hier Tag für Tag, seit Jahren, was es heißt, mit ständiger Bedrohung zu leben.
WELT: Wie werden die Piloten ausgewählt, die an so einer Mission teilnehmen?
LTC (Reserve) A: In unserer Staffel ist jeder für genau das qualifiziert, was ich getan habe. Fast alle waren an dieser Operation beteiligt. Ich wurde auch nicht speziell ausgewählt – wir sind alle für einen solchen Fall ausgebildet und bereit für solche Einsätze. Ich empfinde es aber gerade darum als Ehre und großes Glück, dass ich in diesem Moment handeln durfte – und dadurch diese Zeilen der Geschichte mitgeschrieben habe.
WELT: Wie lange haben Sie sich auf diese Mission vorbereitet?
LTC (Reserve) A: In gewisser Weise seit mehr als 20 Jahren. Speziell auf diese Operation haben wir uns über ein Jahr vorbereitet – in den letzten Monaten noch einmal sehr gezielt. Die Planung war hervorragend, die Aufklärung präzise. Ein Schlüssel zum Erfolg war, dass wir selbst die Initiative ergriffen haben. Wir wussten genau, was wir zu tun hatten – und das hat den Unterschied gemacht.
WELT: Auf der einen Seite steht Ihre Familie, die geschützt ist, so gut es geht – auf der anderen Seite die Zivilbevölkerung im Iran, für die sich niemand einsetzt. Wie gehen Sie mit dem Wissen um, dass dort Unschuldige sterben könnten?
LTC (Reserve) A: Nicht nur im Iran, in allen Einsatzgebieten tun wir alles, um zivile Opfer zu vermeiden. Da bin ich sehr entschieden und möchte sagen: Wir kümmern uns mehr um die Zivilisten auf der anderen Seite als deren eigene Führung. Wir nutzen Präzisionswaffen, modernste Aufklärung. Jede Bombe hat ein definiertes Ziel, und viele Menschen sind an der Prüfung beteiligt, bevor die Bombe abgeworfen wird. Wir zielen auf Waffen, auf Infrastruktur, wir zielen nicht auf Menschen. Es ist die feindliche Führung, die sich nicht um ihre Bevölkerung kümmert. Wir tun alles und Mögliche, um ihr Leid nicht noch zu vergrößern.
WELT: Wie gehen Sie persönlich mit diesem Druck um? Haben Sie Rituale? Sind Sie religiös?
LTC (Reserve) A: Nein, ich bin nicht religiös. Ich bin Reservepilot, das heißt, ich habe auch einen zivilen Beruf – den ich allerdings seit dem 7. Oktober ruhen lasse. Was mich antreibt? Ganz klar: Der Wunsch, hier in Israel weiterleben zu können. Ich will, dass Israel sicherer wird – für meine Kinder, für meine Familie. Ich glaube nicht, dass es irgendwo einen besseren Platz für uns gibt. Israel ist unsere Heimat. Und wenn klar ist, worum es geht, dann wird es einfacher, Risiken auf sich zu nehmen. Es wird nicht leichter, aber nachvollziehbar.
WELT: Der Waffenstillstand kam, von außen betrachtet, sehr plötzlich. Glauben Sie, er ist stabil? Und wie kehrt man zurück in ein normales Leben nach dem, was Sie erlebt haben?
LTC (Reserve) A: Ob der Waffenstillstand hält? Das wird sich zeigen. Wir bleiben wachsam, denn wir wissen: Wir leben definitiv nicht in einer friedlichen Region. Anders sieht es mit der Rückkehr in ein normales Leben aus – das gehört hier nämlich fast schon zum Alltag. Ich habe seit meinem 20. Lebensjahr an mehreren Operationen teilgenommen und bin danach jedes Mal ins zivile Leben zurückgekehrt. Ich werde also jetzt nach Hause fahren und meine Kinder umarmen. Aber ich bin mir bewusst, dass ich die Uniform vielleicht schon bald wieder anziehen muss. Darauf sind wir vorbereitet und das gehört dazu.
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