Der Dalai Lama will doch nicht das letzte geistliche Oberhaupt der Tibeter sein. Die jahrhundertealte tibetisch-buddhistische Institution werde auch nach seinem Tod weiter bestehen, sagte der Dalai Lama in einer aufgezeichneten Erklärung, die am Mittwoch bei einer Versammlung buddhistischer Mönche im indischen Dharamshala im Fernsehen übertragen wurde. Die Suche nach einem zukünftigen Dalai Lama solle ohne Einmischung und „in Übereinstimmung mit der vergangenen Tradition“ erfolgen.

Damit beendete der religiöse Führer jahrelange Spekulationen, die begannen, als er andeutete, er sei möglicherweise die letzte Person, die die Rolle des Dalai Lama innehat. „Die Institution des ,Dalai Lama‘ wurde zu etwas Wichtigem wegen der politischen Macht. Diese gibt es heute nicht mehr“, sagte das spirituelle Oberhaupt der Tibeter der WELT AM SONNTAG in einem Interview 2014. „Damit enden auch fast fünf Jahrhunderte der Dalai-Lama-Tradition – und das geschieht freiwillig. Politisch denkende Menschen müssen daher einsehen, dass die rund 450 Jahre währende Institution des Dalai Lama ausgedient haben sollte.“

Nun schätzt der Dalai Lama die Lage offensichtlich anders. Er sei in den vergangenen Jahren von zahlreichen Menschen in Tibet, Tibetern im Exil sowie Buddhisten aus der gesamten Himalaja-Region und weiteren Ländern eindringlich darum gebeten worden, „dass die Institution des Dalai Lama fortgeführt wird“, sagte der Friedensnobelpreisträger bei einer religiösen Konferenz veröffentlichten Videobotschaft kurz vor seinem 90. Geburtstag: „Die Institution des Dalai Lama wird fortbestehen“.

Viele Exil-Tibeter befürchten, dass China einen Nachfolger für den Dalai Lama ernennen könnte, um die Kontrolle Pekings über Tibet zu stärken. Aber der 89-Jährige betonte in seiner Videobotschaft, dass der Prozess, seine Reinkarnation und damit seinen Nachfolger zu finden und anzuerkennen, allein der Stiftung Gaden Phodrang obliege. Dabei handele es sich um eine 2015 von ihm gegründete gemeinnützige Organisation, die sich um die Angelegenheiten des spirituellen Führers und des Instituts des Dalai Lama kümmert. „Niemand sonst hat die Befugnis, sich in diese Angelegenheit einzumischen“, betonte er.

Der Dalai Lama hat zudem darauf bestanden, dass sein Nachfolger außerhalb Chinas wiedergeboren werden soll. Peking, das ihn als Separatisten betrachtet, hat erklärt, es sei allein befugt, zu bestimmen, wer die Reinkarnation des Dalai Lama ist. Der Dalai Lama hat seine Anhänger dagegen wiederholt aufgerufen, jeden von China benannten Nachfolger abzulehnen.

Der Präsident der tibetischen Exilregierung, Penpa Tsering, begrüßte die Entscheidung des Dalai Lama und warnte China, sich in die Suche nach einem Nachfolger einzumischen. „Wir würden das niemals akzeptieren“, sagte er. Die meisten tibetischen Buddhisten, sowohl in Tibet als auch im Exil, lehnen die strenge Kontrolle Chinas über Tibet ab.

Die tibetischen Buddhisten glauben, dass der Dalai Lama den Körper wählen kann, in den er reinkarniert wird, was seit der Gründung der Institution im Jahr 1587 bereits 14 Mal geschehen sei. Die Suche nach der Reinkarnation beginnt erst nach dem Tod des Amtsinhabers. In der Vergangenheit wurde der Nachfolger von hochrangigen Mönchsschülern auf der Grundlage spiritueller Zeichen und Visionen bestimmt. Es kann mehrere Jahre dauern, bis der nächste Dalai Lama als Baby identifiziert und auf die Übernahme der Führung vorbereitet ist.

Der derzeitige Amtsinhaber Tenzin Gyatso wurde 1940, mit vier Jahren, zur 14. Reinkarnation des Dalai Lama erklärt. Er floh aus Tibet, als chinesische Truppen 1959 einen Aufstand in der tibetischen Hauptstadt Lhasa niederschlugen, und lebt seitdem im Exil in Dharamshala.

Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt beim ursprünglichen Autor. Die erneute Veröffentlichung dieses Artikels dient ausschließlich der Informationsverbreitung und stellt keine Anlageberatung dar. Bei Verstößen kontaktieren Sie uns bitte umgehend. Wir werden bei Bedarf Korrekturen oder Löschungen vornehmen. Vielen Dank.