Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hat sich für spürbare Kürzungen bei Beziehern von Bürgergeld ausgesprochen. Im ARD-„Sommerinterview“ schlug er vor, die vom Staat erstatteten Wohnkosten für Bürgergeld-Empfänger zu begrenzen. Er nannte dabei eine Pauschalisierung der Wohnkosten, geringere Sätze oder eine Begrenzung der unterstützten Wohnungsgrößen als Möglichkeiten.
Merz kritisierte dabei, dass für Bürgergeld-Empfänger teils Wohnungen finanziert würden, die sich „eine normale Arbeitnehmerfamilie nicht leisten“ könne. Deshalb entstehende Spannungen wolle die Regierung abbauen.
Merz sagte: „Pauschalierung ist möglich, geringere Sätze sind möglich – aber das alles steht auf dem Prüfstand der Koalition, und darüber reden wir.“ Das Jobcenter übernimmt bei Bürgergeld-Beziehenden die Kosten für Unterkunft und Heizung, wobei bereits heute diese Höhe „angemessen“ sein muss.
Mit seiner Forderung nach einer Begrenzung des Wohngelds stieß Merz auf breite Kritik. Protest kam dabei auch vom Koalitionspartner SPD. Grüne und Linke sowie der Mieterbund und der Sozialverband VdK warfen dem Kanzler eine Politik zulasten der Schwächsten auf dem Wohnungsmarkt vor.
Das Problem teuren Wohnraums lasse sich nicht „durch mehr Obdachlosigkeit“ lösen, erklärte die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Dagmar Schmidt. „Schon heute sind die Wohnungsgrößen für Bürgergeld-Empfänger begrenzt. Und Wohnungen für Normalverdiener werden nicht günstiger, indem man Bürgergeld-Empfängern die Unterstützung streicht.“ Um das Problem knappen und teuren Wohnraums zu lösen, seien die beschlossene Verlängerung der Mietpreisbremse und Investitionen in bezahlbare Wohnungen sinnvoller.
Der bau- und wohnungspolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Kassem Taher Saleh, warf Merz vor, dieser suche sich „immer wieder Gesellschaftsgruppen aus, die es ohnehin schwer haben – und tritt dann noch drauf“. „Millionen Menschen“ könnten sich die Miete nicht mehr leisten und müssten jetzt auch noch fürchten, „im Falle eines Jobverlusts ihr Zuhause zu verlieren“, kritisierte Saleh laut „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ („RND“). Nötig seien Ideen für bezahlbaren Wohnraum. Hier gebe es von Merz' Regierung aber nur Ankündigungen.
Beim Bürgergeld anzusetzen, sei „genau der falsche Weg“, sagte Linken-Parteichefin Ines Schwerdtner. Nicht die Bürgergeld-Empfänger seien das Problem, sondern zu hohe Mieten, die von Wohnungskonzernen verlangt würden. Merz Aussagen seien deshalb eine „ganz klassische Täter-Opfer-Umkehr“.
Auch der Deutsche Mieterbund kritisierte Merz: Der Staat müsse Vermietern endlich wirksame Grenzen setzen und für ausreichend bezahlbaren Wohnraum sorgen, sagte Mieterbund-Präsidentin Melanie Weber-Moritz dem „RND“. „Stattdessen denjenigen die Gelder zu kürzen, die auf dem aus dem Ruder geratenen Mietwohnungsmarkt ohne staatliche Hilfe keine Bleibe finden, ist keine Lösung.“
Von Jobcentern und Sozialämtern übernommene Wohnkosten seien „fast immer zu niedrig für die lokalen Wohnungsmärkte angesetzt“, erklärte die Präsidentin des Sozialverbands VdK, Verena Bentele. „Es gibt schlicht keine Wohnungen mehr zu solchen Preisen. Die Folge ist, dass viele Familien im Bürgergeld einen Teil der Miete aus ihrem Regelsatz selber zahlen müssen.“ Dies bedeute, dass diese Menschen „noch weniger Geld für Ernährung oder Strom“ hätten.
Bürgergeld-Reform soll schon 2026 in Kraft treten
Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) will nach der Sommerpause den Entwurf für eine Bürgergeld-Reform vorlegen. 2026 soll die im Koalitionsvertrag verankerte Reform in Kraft treten, wie Merz im ARD-Interview bekräftigte. „Da muss sie Wirkung entfalten.“ Nachjustieren müsse man dann immer wieder, etwa bei den Regeln, welche Jobangebote als zumutbar gelten.
Bei „plötzlicher Arbeitslosigkeit“ könne er sich sogar eine Anhebung der Sätze beim Arbeitslosengeld vorstellen, sodass die Menschen Sicherheit hätten, wenn sie wieder eine Stelle suchten, sagte der Kanzler.
Wirken soll die Reform laut Merz gegen Schwarzarbeit und organisiertes Aufstocken von geringfügiger Beschäftigung oder von Teilzeitlohn mit Bürgergeld. „Zum Teil wird das sogar richtig organisiert, dass Menschen nur in geringfügige Beschäftigung gehen, Aufstocker werden, Schwarzarbeit machen – wir wissen, dass die Schwarzarbeit zugenommen hat in den letzten Jahren“, sagte Merz. „Da ist das System falsch, und das müssen wir korrigieren.“
Merz erwartet in diesem Herbst hitzige Diskussionen über Deutschlands Sozialsysteme. Die Vorarbeiten für groß angelegte Reformen liefen bereits teils in eigens eingesetzten Kommissionen. „Wir werden dann im Herbst intensive Diskussionen haben, in welche Richtung wir gehen.“ Er teile die verbreitete Sorgen um die Finanzierbarkeit des Staates. Auch über das Leistungsniveau der Sozialversicherungen werde zu reden sein.
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