Wie schnell es letztlich geht, wenn Brücken nicht rechtzeitig modernisiert werden, zeigte sich am 11. September des Vorjahres in aller Dramatik. Um drei Uhr nachts stürzte ein gut Hundert Meter langes Teilstück der Dresdner Carolabrücke in die Elbe. Dass der Einsturz keine Menschenleben forderte, ist dabei wohl nur dem Zeitpunkt zu verdanken.
Die Modernisierung von Brücken ist eines der zentralen Vorhaben der Infrastrukturerneuerung in Deutschland. Für die Autobahnbrücken hat das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) bereits im Jahr 2022 ein Programm aufgelegt. Bis 2032 sollen demnach die wichtigsten und schadhaftesten Teilbauwerke modernisiert werden.
Insgesamt umfasst das Vorhaben nach Zählung des Bundesrechnungshofs rund 5000 Teilbauwerke. Noch im September des Vorjahres stellte sich das Haus des scheidenden Ministers Volker Wissing selbst ein gutes Zeugnis aus und zog eine positive Zwischenbilanz zu diesem Brückenmodernisierungsprogramm.
Zu einer gänzlich anderen Einschätzung gelangt nun der Bundesrechnungshof. Am 29. April legten die Prüfer einen Sonderbericht zur Modernisierung von Brücken im Bundesfernstraßennetz vor. Vom Eigenlob des BMDV bleibt darin nicht viel übrig. So kommt der Bericht zu dem Ergebnis, dass die bundeseigene Autobahn GmbH nur 40 Prozent der bis Ende 2024 vorgesehenen Teilbauwerke an Brücken modernisiert hat.
„Die Zahl der fertiggestellten und kriteriengerechten Brückenmodernisierungen hat sogar von Jahr zu Jahr abgenommen. Von den für 2024 geplanten 280 Teilbauwerken hat die Autobahn GmbH lediglich 69 modernisiert“, heißt es in dem Bericht. Kay Scheller, Präsident des Bundesrechnungshofs, verdeutlichte bei der Präsentation des Sonderberichts den maroden Zustand vieler Autobahnbrücken.
„Viele Brückenbauwerke an Autobahnen und Bundesstraßen befinden sich seit Jahren in einem schlechten Zustand. Ihre Modernisierung kommt nur schleppend voran“, so Scheller.
Brückenmodernisierungen werden nicht erreicht
Zudem sei bereits jetzt absehbar, dass die Autobahn GmbH auch in den nächsten Jahren weniger Teilbauwerke des Brückenmodernisierungsprogramms fertigstellen wird als vom BMDV geplant. „Die Schere zwischen geplanter und erfolgreicher Modernisierung wird mit den Jahren immer weiter auseinandergehen. Das Ziel, das Brückenmodernisierungsprogramm bis zum Jahr 2032 abzuschließen, rückt in weite Ferne“, so Scheller.
Um das vom BMDV ausgebene Ziel noch zu erreichen, müsste die Autobahn GmbH ab jetzt rund 590 Teilbauwerke jährlich modernisieren. „Das erscheint nicht realistisch“, sagt Scheller.
Massive Kritik übte Scheller an der Kommunikation des BMDV über das Vorankommen der Brückensanierung. „Das Verkehrsministerium ignoriert den deutlichen Rückstand seines Brückenmodernisierungsprogramms. Es zieht stattdessen eine positive Zwischenbilanz, obwohl ‚Soll‘ und ‚Ist‘ immer weiter auseinanderklaffen“, so Scheller. Die Evaluierung des Verkehrsministeriums bezeichnete er „in wesentlichen Punkten“ als „irreführend und beschönigend“.
So habe das BMDV „fälschlicherweise“ sämtliche von der Autobahn GmbH fertiggestellten Teilbauwerke als Programmerfolg gewertet – obwohl davon nur weniger als die Hälfte unter das Programm fallen würden. Sogar neue Teilbauwerke an neuen Autobahnen und Maßnahmen an Teilbauwerken, die nicht dringlich entsprechend der Programmkriterien sind, habe das Ministerium laut Bundesrechnungshof mitgezählt.
Zum anderen würde das BMDV bei seinen Angaben 20 Prozent der zu modernisierenden Teilbauwerke unterschlagen. „Beides beschönigt den Programmerfolg erheblich“, heißt es vom Bundesrechnungshof.
Zudem habe das BMDV laut Bundesrechnungshof den Mittelbedarf für die Modernisierung von Autobahnbrücken unterschätzt, weil es bei seinen Berechnungen falsche Annahmen getroffen habe. „Es ist ihm zudem bislang nicht erkennbar gelungen, für eine ausreichende finanzielle Ausstattung zu sorgen, um die Brückenmodernisierung zu beschleunigen. Die Mittel dafür sind im Bundeshaushalt intransparent veranschlagt“, hieß es bei der Vorstellung des Berichts.
Brücken von Bundesstraßen nicht berücksichtigt
Laut dem Bericht könne auch die Autobahn GmbH nicht beziffern, wie viel sie für die Brückenmodernisierung jährlich ausgegeben hat. „In der Folge kann das BMDV nicht beurteilen, in welchem Umfang die jährlich bereitgestellten Mittel erhöht werden müssten. Ob und in welcher Höhe Mittel aus einem neuen Sondervermögen für Infrastruktur und Klimaneutralität im Speziellen für die Modernisierung von Brücken an Bundesfernstraßen zur Verfügung stehen werden, ist derzeit offen“, heißt es vom Bundesrechnungshof.
Bundesstraßen sind vom Modernisierungsprogramm des BMDV dabei gar nicht berücksichtigt. Zuständig für diese Brücken sind die Länder, die laut dem Bericht bei der Modernisierung auch nicht ausreichend vorankommen würden.
„Es ist nicht absehbar, wann sich die Brücken von Bundesstraßen wieder in einem zumindest weitgehend befriedigenden Zustand befinden werden. Das BMDV nimmt dies bislang lediglich zur Kenntnis. Es bleibt passiv, anstatt den Ländern messbare Modernisierungsziele vorzugeben und das Erreichen dieser Ziele zu kontrollieren“, heißt es vom Bundesrechnungshof.
Der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie schließt sich der Kritik des Bundesrechnungshofs am Brückenmodernisierungsprogramm des BMDV an und bezeichnet dieses als „enttäuschend“. „Der lang angekündigte Hochlauf bei Ausschreibungen sowie die Verstetigung der Aufträge sind ausgeblieben“, sagte Verbandschef Tim-Oliver Müller gegenüber WELT.
Den Schaden müssten nun die Baufirmen auffangen. „Schließlich wurde von uns gefordert, Personal aufzustocken. Stattdessen schicken wir die Beschäftigten teilweise in Kurzarbeit“, so Müller. Die Baufirmen hätten geliefert, die Politik jedoch nicht.
Andreas Macho ist WELT-Wirtschaftsreporter in Berlin mit den Schwerpunkten Gesundheit und Bauwirtschaft.
Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt beim ursprünglichen Autor. Die erneute Veröffentlichung dieses Artikels dient ausschließlich der Informationsverbreitung und stellt keine Anlageberatung dar. Bei Verstößen kontaktieren Sie uns bitte umgehend. Wir werden bei Bedarf Korrekturen oder Löschungen vornehmen. Vielen Dank.