Es klingt nach einer Sensation, die Hendrik Hoppenstedt da ganz beiläufig in der Phoenix-Sendung „Unter den Linden“ verkündet. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion wird in der TV-Sendung zur sogenannten Aktivrente befragt. Bislang schien klar, was damit gemeint ist: Rentner sollen sich steuerfrei bis zu 2000 Euro dazuverdienen können und so freiwillig länger arbeiten. Das steuerfreie Geld soll die Rente ergänzen, nicht ersetzen.
Doch bei Hoppenstedt klingt das plötzlich ganz anders. Er behauptet, dass die Rentenkasse durch die Aktivrente entlastet werde, weil „erstmal die Rentenzahlung nicht einsetzt“. Es gehe also nicht um einen Hinzuverdienst. „Ich kriege dann ja keine Rente, wenn ich weiter verdiene.“
Die Moderatorin hakt irritiert nach: „Ich gehe mit 67 noch nicht in Rente, sondern arbeite einfach weiter und kriege dann keine Rente für die Zeit?“ „Nein, aber Sie kriegen dann erst mal 2000 Euro steuerfrei, plus keine Rentenversicherung, plus keine Arbeitslosenversicherung, das kann sich gut lohnen“, bestätigt Hoppenstedt. „Ich hatte das bislang so verstanden, dass das ein Zuverdienst ist, aber gut, dass Sie das noch mal klargestellt haben“, stellt die Moderatorin fest.
Koalitionsvertrag nicht eindeutig
Die Aussagen in der Sendung sorgen in sozialen Netzwerken wie X für Aufsehen: Räumt die Union hier gerade ein Wahlversprechen heimlich ab. Kommt statt dem steuerfreien Zuverdienst nun doch nur eine Mogelpackung?
Auch der Koalitionsvertrag gibt dazu keine eindeutige Antwort. Dort heißt es: „Arbeiten im Alter machen wir mit einer Aktivrente attraktiv. Wer das gesetzliche Rentenalter erreicht und freiwillig weiterarbeitet, bekommt sein Gehalt bis zu 2000 Euro im Monat steuerfrei.“ Es ist nicht ausdrücklich von einem Hinzuverdienst die Rede.
Am Mittwochvormittag greift dann CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann in die Debatte ein, die sich gerade verselbstständigt. Linnemann bezeichnet sich selbst als Erfinder der Aktivrente. Und er pfeift seinen Parteifreund zurück: „Bei der Aktivrente muss man nicht auf gesetzliche Rente verzichten. Im Gegenteil: Der Bezug der gesetzlichen Rente ist Voraussetzung für die Aktivrente“, stellt er gegenüber WELT klar. Jeder, der in Rentenbezug sei und freiwillig weiterarbeiten wolle, könne zusätzlich bis zu 2000 Euro steuerfrei dazuverdienen. Und das, ohne Beiträge für die Rentenversicherung und die Arbeitslosenversicherung zahlen zu müssen. „Das schafft zusätzliche Kaufkraft und sichert Fachkräfte“, sagte Linnemann.
Auch Dennis Radtke, Bundesvorsitzender des Sozialflügels der Union, CDA, widerspricht Hoppenstedt: „In der Aussage von Hendrik Hoppenstedt lag leider ein Versprecher vor. Fakt ist: Die ersten 2000 Euro zusätzlich zur Rente bleiben steuerfrei. Das ist so vereinbart, dafür hat die CDU sich starkgemacht – und das wird nun umgesetzt“, sagte er. Auf diesem Weg werde auch das Vorbeschäftigungsverbot aufgehoben, wodurch Arbeitnehmer nach Erreichen der Regelaltersgrenze leichter zu ihrem bisherigen Arbeitgeber zurückkehren könnten.
In der SPD ist man ebenfalls um Klarstellung bemüht. Der Unterschied sei „schon immens wichtig“, sagt Wiebke Esdar, stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende. „Die Aktivrente gilt selbstverständlich zusätzlich zur Rente. Die Menschen erreichen ihr Renteneintrittsalter, erhalten regulär ihre hart erarbeitete Rente und sie können dann freiwillig weiterarbeiten und bis zu 2000 Euro monatlich steuerfrei hinzuverdienen.“ So habe man es im Koalitionsvertrag mit der Union verabredet und fest vereinbart.
Hoppenstedt selbst räumte am Mittwochvormittag ein, das Konzept falsch dargestellt zu haben. „Ich habe mich in der Hitze des verbalen Gefechts schlicht vertan und bitte das zu entschuldigen“, schreibt er in einem Post auf Instagram. Hitzig ging es in der Sendung allerdings eigentlich nicht zu.
Jan Klauth ist Wirtschaftsredakteur in Berlin. Er berichtet über Arbeitsmarkt-Themen, Rente, Migration und Sozialpolitik sowie Karriere-Themen.
Karsten Seibel ist Wirtschaftsredakteur in Berlin. Er berichtet unter anderem über Haushalts- und Steuerpolitik.
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