Kampfjets, Hubschrauber, Panzer und Fregatten sind bestellt - doch vieles ist immer noch nicht bei der Bundeswehr angekommen. Jetzt will die Regierung erneut die Beschaffung von Waffensystemen vereinfachen und beschleunigen.

Die deutsche Bürokratie ist bekanntermaßen zäh, doch die Bundesregierung will ihr Beine machen. Deshalb beschließt das Kabinett heute das "Bundeswehrbeschaffungsbeschleunigungsgesetz". Was sperrig klingt, soll in der Praxis dabei helfen, die Kaufverfahren für Rüstungsgüter weiter zu beschleunigen.

Denn vor mittlerweile mehr als drei Jahren hat der damalige Bundeskanzler Olaf Scholz, nach dem Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine, seine "Zeitenwende-Rede" gehalten. Das erste 100-Milliarden-Sondervermögen ist längst verplant, viele neue Panzer sind bestellt, sie stehen aber immer noch nicht in großer Zahl auf dem Kasernenhof.

Insbesondere beim Heer gibt es weiterhin große Lücken. Die Bundeswehr ist von einer vollen Einsatzfähigkeit und davon, bis 2029 "kriegstüchtig" zu sein, noch weit entfernt. Auch deshalb will Verteidigungsminister Boris Pistorius die komplizierten Vergabeverfahren jetzt beschleunigen, um Waffensysteme und Munition schneller zu beschaffen.

Juristische Entrümpelung

Bei der Rüstungsindustrie rennt der Verteidigungsminister mit seinem neuen Gesetz offene Türen ein. Man brauche Geld und Planbarkeit, also Aufträge, sagt Hans Christoph Atzpodien, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie dem ARD-Hauptstadtstudio. Er fordert schon lange "eine erleichterte, vereinfachte Regulatorik". Das geplante Gesetz gehe "Hand in Hand mit entsprechenden Erleichterungen auch auf der europäischen Ebene".

Konkret soll jede Beschaffung, die zur militärischen Bereitschaft Europas und der NATO beiträgt, als wesentliches nationales Sicherheitsinteresse gelten und damit eine Ausnahme vom europäischen Vergaberecht möglich machen.

Industrie soll abliefern

Auch der SPD-Haushaltspolitiker Andreas Schwarz begrüßt grundsätzlich das neue, zweite "Bundeswehrbeschaffungsbeschleunigungsgesetz". Er hofft aber auch, dass es "jetzt keine finanziellen und juristischen Gründe mehr gibt", die zu verspäteten Lieferungen der Rüstungsindustrie führen.

Mit dem neuen Beschleunigungsgesetz und mit der beschlossenen Änderung der Verschuldungsregel für den Verteidigungsbereich gibt es für Schwarz jetzt keine Ausreden mehr. Er hofft, dass die Rüstungsindustrie investiert, Produktionskapazitäten aufbaut und von der Manufakturarbeit zur industriellen Fertigung kommt. Die viel geforderte finanzielle und juristische Planungssicherheit - aus seiner Sicht ist sie nun gegeben.

Sein Parteifreund, Verteidigungsminister Pistorius, gibt sich verständnisvoller: Die Industrie habe das Ruder längst herumgerissen und sei dabei, die Produktionskapazitäten hochzufahren. Doch das gehe eben nicht von heute auf morgen, sagte der Minister gestern bei einem Termin in Erding. Er hat heute die Rüstungsindustrie ins Verteidigungsministerium eingeladen, zur weiteren Prozessabstimmung. Die Presse darf nicht nachfragen, aber zumindest Fotos machen.

Rüstungsprojekte im Zeitverzug

Boris Pistorius muss vorsichtiger agieren als ein normaler Abgeordneter. Denn im Moment drohen mehrere Rüstungsprojekte zeitlich aus dem Ruder zu laufen. Allen voran das zentrale Projekt der Marine: die Fregatte F126. Die bis zu zehn Milliarden Euro teure Beschaffung der neuen Kriegsschiffe soll sich um mehr als zwei Jahre verzögern.

Das erste von sechs geplanten Schiffen sollte der niederländische Generalunternehmer Damen Naval eigentlich 2028 an die Marine übergeben, doch daraus wird nichts. Hinter vorgehaltener Hand wird angesichts andauernder Probleme im politischen Berlin bereits über einen Abbruch des Milliardenprojekts spekuliert.

Aber auch beim Hightech-Radpanzer "Schwerer Waffenträger" soll die Industrie mit der Lieferung in Verzug sein. Und auch beim Einbau des Digitalfunksystems in die vielen unterschiedlichen Fahrzeugtypen der Bundeswehr gibt es seit Jahren Probleme. Abgeordnete warten auf Antworten aus dem Verteidigungsministerium, wie es um das Milliardenprojekt derzeit wirklich steht.

 

Keine Panzer auf Halde

Bislang war das "Ausgeben von Geld im Verteidigungsbereich extrem reguliert", sagt der Sicherheitsexperte Christian Mölling. Auch weil es in der Regel um viel Steuergeld geht. Aber auch weil es um gefährliche Waffensysteme geht, kann die Rüstungsindustrie logischerweise nicht einfach Panzer frei Hand verkaufen.

Gleichzeitig braucht sie aber auch Planungssicherheit für das Hochfahren der Produktion. Mit dem neuen Gesetz kommt man diesem Wunsch entgegen. Und gleichzeitig nehmen die Bestellvolumina zu. So sollen beispielsweise vom Transportpanzer des finnischen Rüstungskonzerns Patria statt der ursprünglich 1.000 Stück jetzt 3.000 Stück bis zum Jahr 2035 gekauft werden. Der klassischen Rüstungsindustrie winken in so einem Fall Milliardenaufträge.

"Bundeswehr first"

Mit dem neuen Gesetz sollen aber auch die Hürden für Start-ups und innovative Firmen gesenkt werden. Drohnenherstellern und KI-Experten soll mit der Möglichkeit von Vorauszahlungen bei der Finanzierung ihrer jungen Unternehmen geholfen werden.

Im neuen "Bundeswehrbeschaffungsbeschleunigungsgesetz" geht es aber nicht nur um die reine Beschaffung. Sondern auch um "Bundeswehr first". Beispielsweise da, wo zivile Bauvorhaben militärische Aufgaben stören könnten. Bestes Beispiel, so der Sicherheitsexperte Christian Mölling, sind "Windkraftprojekte, die möglicherweise Radare für die Flugabwehr stören". Hier ermöglicht das Gesetz, dass die Bundeswehr dieses Bauvorhaben verhindern kann. Da damit die Verteidigungsfähigkeit des Landes gefährdet werden könnte.

Die Regierung schafft mit dem Beschleunigungsbeschaffungsgesetz für das Militär und die Rüstungsindustrie viele Erleichterungen. Ob sie wirksam sind, wird sich aber erst in den nächsten Jahren zeigen. Denn die deutsche Bürokratie ist bekanntermaßen zäh.

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