Im Sommer 2015 prägte die damalige Kanzlerin Merkel den Satz: "Wir schaffen das". Hunderttausende Geflüchtete kamen ins Land. Doch die Stimmung hat sich in deren Augen seither gedreht - laut einer Studie wächst die Sorge vor Fremdenfeindlichkeit.
Immer weniger Geflüchtete fühlen sich offenbar in Deutschland willkommen. Zugleich steigt die Sorge vor Fremdenfeindlichkeit an - das zeigt eine Analyse des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin. Die Forscher hatten den Geflüchteten für ihre Untersuchung die Frage gestellt: "Fühlen Sie sich heute in Deutschland willkommen?"
Während das im Jahr 2017 noch 84 Prozent der Befragten ganz oder überwiegend bejahten, lag der Anteil im Jahr 2020 nur noch bei 78 Prozent. Im Jahr 2023 fühlten sich laut Studie nur noch 65 Prozent der Geflüchteten willkommen.
Bildungsstand, Geschlecht und weitere soziodemografische Merkmale hätten dabei Einfluss auf die wahrgenommene Diskriminierung. Frauen mit einem mittleren Bildungsabschluss berichteten etwa häufiger von Diskriminierung bei der Wohnungssuche als Frauen ohne Abschluss. Geflüchtete Männer, die in Ostdeutschland leben, würden laut eigener Angabe in allen untersuchten Bereichen häufiger diskriminiert.
Langzeitstudie nimmt alle Schutzsuchenden in den Blick
Im Rahmen der Studie wurden zwischen 2017 und 2023 jährlich Menschen befragt, die von 2013 bis einschließlich September 2022 in Deutschland einen Antrag auf Asyl oder vorübergehenden Schutz gestellt haben, unabhängig davon, ob ihr Antrag erfolgreich war. Aussagen von Geflüchteten aus der Ukraine und der Türkei wurden bei der Analyse nach Angaben des DIW nicht berücksichtigt. Das DIW bezieht sich auf Daten des Sozio-ökonomischen Panels (SOEP).
Die Autorinnen und Autoren sehen einen Zusammenhang zwischen der öffentlichen Debatte über restriktive migrationspolitische Maßnahmen - etwa zur Erleichterung von Rückführungen - und dem gesunkenen Willkommensgefühl. "Zudem zeigte sich 2023 wie heute ein hohes Niveau gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit und eine verstärkte Sichtbarkeit migrationskritischer Positionen im politischen Diskurs", heißt es in der Analyse.
98 Prozent wollen sich einbürgern lassen
Wie aus den Ergebnissen der Studie weiter hervorgeht, machen sich viele Menschen, die als Schutzsuchende nach Deutschland gekommen sind, inzwischen Sorgen über das gesellschaftliche Klima. Als das DIW in den Jahren 2016 und 2017 die Frage gestellt hatte: "Machen Sie sich Sorgen um Ausländerfeindlichkeit und Fremdenhass in Deutschland?", berichteten 32 Prozent beziehungsweise 29 Prozent der Geflüchteten von solchen Sorgen. 2023 waren es laut Studie schon mehr als die Hälfte der geflüchteten Menschen (54 Prozent).
Die Geflüchteten zeigen trotz allem den Willen, in Deutschland zu bleiben: Der DIW-Studie zufolge planen gut 98 Prozent, sich einbürgern zu lassen, haben dies bereits beantragt oder sind schon eingebürgert. Die Einbürgerungszahlen steigen demnach kontinuierlich an. Der Anteil der eingebürgerten Geflüchteten aus dieser Gruppe wuchs von 2,1 Prozent im Jahr 2021 auf 7,5 Prozent im Jahr 2023. Gleichzeitig stieg der Anteil derjenigen mit einem gestellten Einbürgerungsantrag von 7,3 Prozent auf 25,7 Prozent.
Entwicklung von Kindern ebenfalls untersucht
Das DIW hat auch untersucht, ob sich in Deutschland geborene Kinder von Geflüchteten in Bezug auf ihre Entwicklung von anderen Kindern unterscheiden. Sie kommen zu dem Ergebnis, dass Kinder Geflüchteter bei Sprache, sozialen Beziehungen und motorischen Fähigkeiten im Alter von zwei bis vier Jahren schlechter abschneiden als Kinder von anderen Müttern - mit und ohne Migrationsgeschichte. Grund dafür seien Faktoren wie die mentale Gesundheit der Mutter, ihr Bildungsstand sowie ihre Erwerbstätigkeit.
Bei den Alltagsfähigkeiten schnitten die Kinder von Müttern mit Migrationsgeschichte demnach insgesamt besser ab - womöglich das Ergebnis einer ausgeprägteren Selbstständigkeit der Kinder im Alltag, etwa bei einfachen Haushaltsaufgaben wie Tischdecken oder Aufräumen.
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