Der Mörder des Mannheimer Polizisten Rouven Laur ist zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Bei der Verkündung würdigte der Richter aber besonders die Opfer. Eindrücke von einer etwas anderen Urteilsbegründung.

Üblicherweise stehen bei einer Urteilsverkündung der Angeklagte und seine Tat im Mittelpunkt. Das liegt in der Natur der Sache, denn ein Gericht muss feststellen, ob der Angeklagte schuldig ist oder nicht. Darum geht es natürlich auch heute im gut gesicherten Gerichtssaal von Stuttgart-Stammheim. Und trotzdem ist etwas anders.

Gleich nachdem der Vorsitzende Richter Herbert Anderer den Urteilstenor verkündet hat - lebenslange Freiheitsstrafe wegen Mordes, plus besondere Schwere der Schuld - wendet er sich den Eltern und der Schwester von Rouven Laur zu. Er wolle heute zunächst die Opfer in den Blick nehmen, nicht den Täter. Das ist sein Plan für die folgenden drei Stunden Urteilsbegründung.

Frank Bräutigam, SWR, zur Bedeutung des Urteils im Prozess um tödlichen Messerangriff in Mannheim

tagesschau24, 16.09.2025 14:00 Uhr

"Ihr Sohn stand für den Rechtsstaat"

Die Familie war seit Prozessbeginn am 13. Februar 2025 häufig im Gerichtssaal präsent. "Ich will, dass Sie, sehr geehrtes Gericht, und dieser feige Mörder wissen, was für ein wunderbarer Mensch Rouven war. Rouven war ein Mensch voller Leben, voller Liebe, voller Mut, voller Gerechtigkeit. Und jetzt ist er weg", hieß es zum Beispiel im Schlussplädoyer von Laurs Schwester.

Seine Mutter hatte unter anderem geschildert, dass er nach dem Abitur nur einen einzigen Berufswunsch hatte: Polizist. "Das alles hat uns sehr berührt", sagt Richter Anderer heute. "Ihr Sohn stand für den Rechtsstaat, und er starb für ihn."

Was waren die Hintergründe der Tat?

Zunächst fasst er detailliert den Ablauf der Tat zusammen. Wie Sulaiman A. (26), geboren in Afghanistan und als unbegleiteter Flüchtling nach Deutschland gekommen, bei dem Angriff auf dem Marktplatz in Mannheim am 31. Mai 2024 sechs Menschen mit einem Messer verletzte. Fünf Teilnehmer einer Kundgebung der islamkritischen Bürgerbewegung Pax Europa (BPE) und Polizeihauptkommissar Rouven Laur. Der 29-jährige Beamte starb zwei Tage später an seinen Verletzungen.

Die Tat war durch Handyvideos gut dokumentiert. Das Gericht hatte aber von Anfang an angekündigt, dass es der Tat sehr genau auf den Grund gehen will. Am Ende sah es als erwiesen an, dass der Angeklagte sich in den Jahren vor der Tat vor allem über Kontakte im Netz radikalisierte und sich mit der Terrormiliz "Islamischer Staat" identifizierte.

Nicht nur trockene Fachsprache

Richter Angerer hat sich noch etwas vorgenommen. Er möchte sein Urteil nicht nur in trockener Fachsprache begründen. Sondern so, dass möglichst viele der Anwesenden im Gerichtssaal etwas verstehen.

So erklärt er, warum der Angeklagte bei der Tötung des Polizisten nicht mit dem Mordmerkmal der "Heimtücke" handelte - weil es sich hier nicht um einen Angriff aus dem Hinterhalt handelte -, warum er aber aus "niedrigen Beweggründen" handelte - weil er aus einer vermeintlichen religiösen Pflicht heraus einen Repräsentanten des demokratischen Rechtsstaats tötete.

Täter wird lange in Haft bleiben

Auf Mord steht laut Gesetz zwingend eine lebenslange Freiheitsstrafe. Die hat das Gericht verhängt und zusätzlich die "besondere Schwere der Schuld" festgestellt. Die Voraussetzungen für eine spätere Sicherungsverwahrung liegen aus Sicht des Gerichts nicht vor. Diese Gemengelage erklärt Richter Herbert Anderer besonders ausführlich.

Üblicherweise wird nach einer Verurteilung zu lebenslanger Haft später geprüft, ob der Täter womöglich nach 15 Jahren auf Bewährung freikommen kann. An dieser Stelle kommt aber die vom Gericht festgestellte "besondere Schwere der Schuld" ins Spiel. Die konkrete Folge ist nämlich: Eine Freilassung schon nach 15 Jahren scheidet aus. A. wird also definitiv länger im Gefängnis bleiben. Wie lange genau, das weiß man heute noch nicht.

Aber: Solange eine zu lebenslanger Haft verurteilte Person eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellt, wird sie nicht entlassen. Deswegen spielt bei Mord und lebenslanger Freiheitsstrafe die Frage einer anschließenden Sicherungsverwahrung keine entscheidende Rolle.

Wechselbad der Gefühle für die Familie

Nach der Urteilsverkündung sagt eine Anwältin der Familie Laur vor den Mikrofonen der Medienvertreter, dass man mit dem Urteil gut leben könne. Der Tag heute sei aber auch ein Wechselbad der Gefühle. Einerseits sei die Familie erleichtert, dass der Prozess vorbei ist. Andererseits könne kein Urteil der Welt den Schmerz beseitigen.

"Ich habe so viel Leid bereitet, das werde ich mir nicht verzeihen können", hatte Sulaiman A. in seinen letzten Worten am Tag vor der Urteilsverkündung gesagt. "Es tut mir wirklich sehr, sehr leid, was ich angerichtet habe."

Der Tag, als die Mutter und die Schwester des getöteten Polizisten Rouven Laur sich vor Gericht geäußert hätten, sei der schlimmste Tag in seinem Leben gewesen. A. kann das Urteil noch per Revision angreifen, es ist noch nicht rechtskräftig.

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