Bundesinnenminister Dobrindt empfängt heute in München Amtskollegen aus mehreren EU-Staaten, um über eine verschärfte Migrationspolitik zu beraten. Sein langfristiges Ziel geht bisher aber nicht auf.

Nach dem "Zugspitz Summit on Migration" nun das "Munich Meeting on Migration". Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) lädt zum zweiten Mal innerhalb kurzer Zeit europäische Amtskollegen in seine Heimat Bayern. Zugesagt haben dieses Mal Italien, Dänemark, Belgien, Schweiz, Luxemburg, Niederlande, Polen und Schweden sowie der EU-Innenkommissar.

Die Botschaft, die Dobrindt mit diesen Einladungen sendet: Deutschland hat in der Migrationspolitik umgesteuert und will jetzt eine "Führungsrolle in Europa" einnehmen.

Die Richtung, die er dabei vorgibt: "mehr Schärfe und mehr Härte" in der europäischen Asylpolitik. So hat er es vergangene Woche im Bundestag angekündigt. So trägt er es seit Amtsantritt vor. So hat er es vor der Wahl versprochen.

Europäische Treffen in Bayern

Im Juli die Zugspitze, jetzt der Bayerische Hof in München, wo das letzte Wiesn-Wochenende eingeläutet wird - Dobrindt sucht sich Bühnen für seine "Migrationswende". Es sind Bühnen in seiner Heimat und damit auch Einladungen "zu sich".

Das soll Vertrauen schaffen zwischen den europäischen Partnern und suggeriert zugleich, seht her, die Grenzkontrollen isolieren Deutschland nicht, im Gegenteil - das Verhältnis zu den Nachbarstaaten ist prächtig. Eine gemeinsame Abschlusserklärung ist dieses Mal allerdings nicht geplant. Stand jetzt tritt Dobrindt am Nachmittag nur mit EU-Innenkommissar Magnus Brunner vor die Kameras.

Migrationsgipfel auf dem Berg: Im Juli lud Dobrindt zu einem Treffen auf der Zugspitze.

Evergreen: Drittstaatenmodelle

Aber Dobrindt hat Vorstellungen, wie "mehr Schärfe und mehr Härte" aussehen sollte. Auf europäischer Ebene setzt er dafür auf einen Evergreen - die Drittstaatenmodelle. Das heißt: die Auslagerung von Asylverfahren in Staaten außerhalb der Europäischen Union und die Abschiebung von abgelehnten Asylbewerbern in Länder, die nicht ihre Heimatstaaten sind.

Diese Ideen werden seit Jahrzehnten immer wieder diskutiert und in regelmäßigen Abständen auf die politische Tagesordnung gesetzt. Für Dobrindt sind es dennoch "innovative Lösungen".

In der Vergangenheit waren entsprechende Versuche nicht besonders erfolgreich. Es gab rechtliche Schwierigkeiten. Vor allem aber praktische Hürden: Für wie viele Menschen lassen sich solche Modelle umsetzen, mit welchen Partnerländern und wie teuer fällt die Gegenleistung aus?

Niederländischer Versuch mit Uganda

Kurz vor dem Migrationstreffen im Bayerischen Hof kann Dobrindt allerdings auf einen erneuten Versuch verweisen. Die niederländische Regierung hatte vergangene Woche mitgeteilt, dass sich Uganda bereit erklärt habe, in den Niederlanden abgelehnte Asylbewerber aufzunehmen.

Das Ganze ist zunächst nur eine "Absichtserklärung" und sie ist mit Einschränkungen verbunden: Es gehe dabei um eine "begrenzte Zahl abgelehnter Asylbewerber", die aus der Region stammen.

Migrationsforscherin Victoria Rietig von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) hält solche "return hubs" für sinnvoller als die Idee, Asylverfahren in Drittstaaten auszulagern. "Ich kann mir gut vorstellen, dass es mehr Vereinbarungen für Rückkehrzentren geben wird", sagt Rietig. "Aber die Frage ist immer, ist das dann totes Papier oder wird das dann auch umgesetzt?" Und ob es von der Flucht nach Europa abschrecke, "hängt sehr davon ab, wie stark das publik gemacht wird" - wie "martialisch", die Bilder seien, die dabei kreiert würden.

Verschärfte Grenzkontrollen

Für "mehr Schärfe und mehr Härte" auf nationaler Ebene hat Dobrindt an seinem ersten Tag als Innenminister die Grenzkontrollen verstärkt und die Zurückweisung von Asylsuchenden angeordnet.

Insbesondere die Grenzkontrollen zu Österreich werden seit Jahren immer wieder verlängert - obwohl sie nach europäischem Recht ursprünglich nur für maximal zwei Jahre, mittlerweile drei Jahre andauern dürften.

So hat das auch der bayerische Verwaltungsgerichtshof in einem Urteil von März 2025 gesehen. 

Vor dem Verwaltungsgericht Dresden hat ein Pole Anfang des Jahres einen erneuten Anlauf unternommen. Mit einer Entscheidung ist nicht so schnell zu rechnen. In dem Fall aus Bayern hatte es eineinhalb Jahre gedauert, bis das Verwaltungsgericht in erster Instanz entschieden hatte.

Zurückweisung von Asylsuchenden

Überraschend schnell kam dagegen eine erste Gerichtsentscheidung zur Zurückweisung von Asylsuchenden. Keine vier Wochen nachdem Dobrindt sie als neuer Innenminister angeordnet hatte.

Doch dann blieb es still. Eine zweite Entscheidung hat es bis heute nicht gegeben. Und so schnell wird sich das voraussichtlich nicht ändern. An den Verwaltungsgerichten in Karlsruhe, München, Köln und Freiburg laufen und liefen zwar weitere Eil- und Klageverfahren von insgesamt acht Betroffenen. In allen Fällen, in denen Eilanträge gestellt wurden, hat die Bundespolizei den Zurückweisungsbescheid aber aufgehoben. Die Betroffenen haben daraufhin ihre Eilanträge zurückgenommen.

Klagen sind derzeit noch anhängig in Berlin, Karlsruhe, Köln und Freiburg. Solche Verfahren in der Hauptsache dauern an den Verwaltungsgerichten jedoch. Bis es zu einer ersten mündlichen Verhandlung kommt, könnten ein bis zwei Jahre vergehen.

Hätten Dobrindt und das Innenministerium ein Interesse daran, schnell eine weitere Entscheidung von einem anderen Gericht zu bekommen, hätten sie es also auf die Eilverfahren ankommen lassen müssen. Warum die Bundespolizei das verhindert hat, indem sie die Zurückweisungsbescheide aufgehoben hat, lässt sie auf Anfrage des ARD-Hauptstadtstudios unbeantwortet - und verweist auf den Datenschutz.

"Einzelfallentscheidung"

Für Dobrindt aber wäre eine weitere Eilentscheidung eines Verwaltungsgerichts sowieso nur eine weitere "Einzelfallentscheidung". Irrelevant für seine Zurückweisungspolitik. Das hat er mehrfach deutlich gemacht.

Etwas ändern würde er erst, wenn auch der Europäische Gerichtshof (EuGH) mit der Zurückweisung von Asylsuchenden nicht einverstanden wäre.

Ein EuGH-Urteil wird es aber nicht so ohne weiteres geben. Der Gerichtshof ist nur zuständig für die Auslegung von EU-Recht, wenn es dazu Fragen gibt. Zu den in den Zurückweisungsfällen einschlägigen Vorschriften hat er sich aber bereits mehrfach geäußert. Es ist zwar nicht ausgeschlossen, dass sich ein deutsches Gericht trotzdem an die Luxemburger Richter wendet. Zwingend ist es aber nicht.

Zwischenziel: Rückgang der Asylanträge

"Mehr Schärfe und mehr Härte" ist am Ende aber nicht das Ziel von Dobrindts Politik, sondern ein Mittel, um für weniger Asylbewerber in Deutschland zu sorgen. Das langfristige Ziel dabei: Die AfD schwächen.

Bei der Entwicklung der Asylbewerberzahlen sieht sich Dobrindt auf einem guten Weg. Monat für Monat verkündet er rückläufige Antragszahlen, die er seiner Politik zuschreibt. Pünktlich zum Migrationstreffen in München kündigt er einen erneuten Rückgang der Asylanträge an.

"Ich kann Ihnen heute schon sagen: Nicht nur die Zahlen der illegalen Migration vom August gehen gegenüber dem Vorjahr um 60 Prozent runter, auch die Zahlen vom September dieses Jahres werden um 60 Prozent niedriger sein als vor einem Jahr", sagte Dobrindt vergangene Woche bei einer Debatte im Bundestag. Er bezieht sich dabei auf die Asylerstantragszahlen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF).

Ob die Zurückweisung von Asylsuchenden abschreckende Wirkung habe, "können wir nicht belegen, aber eben auch nicht widerlegen", so Migrationsforscherin Rietig. Allerdings: Die Zahlen gingen schon vor Dobrindts Amtsantritt zurück. "Wenn wir also von der Migrationswende sprechen, dann müssen wir die eigentlich datieren auf den Herbst 2023 und nicht jetzt auf den Regierungswechsel", sagt Rietig.

Ein weiterer Grund für den Rückgang dürfte außerdem der Sturz von Präsident Baschar al-Assad in Syrien im vergangenen Dezember sein. Syrien führte über lange Zeit die Liste der wichtigsten Herkunftsländer von Asylbewerbern in Deutschland an.

Langfristiges Ziel: AfD schwächen

Die Umfragewerte der AfD entwickeln sich dagegen in die entgegengesetzte Richtung.

Marcus Engler vom Deutschen Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung kritisiert deshalb Dobrindts Strategie: "Wenn das übergreifende Ziel ist, die AfD zu verdrängen, kann ich nicht erkennen, dass es auch nur im Ansatz gelingt."

Der neue ARD-Deutschlandtrend beispielsweise sieht Union und AfD gleichauf bei 26 Prozent. Die AfD hat also seit der Bundestagswahl in Umfragen zugelegt, die Union verloren. Auf das Langfristziel scheint Dobrindts Migrationspolitik also noch keine Auswirkung zu haben.

Bianca Schwarz, ARD Berlin, tagesschau, 04.10.2025 10:35 Uhr

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