Im Oktober geriet ein Asylbewerber unter Terrorverdacht. Er soll einen Anschlag auf die israelische Botschaft geplant haben. Doch der Vorwurf ist haltlos. Dennoch läuft das Verfahren gegen den Libyer bis heute.

Am Anfang fielen die Entscheidungen im Stundentakt. Und das ist eigentlich auch sehr gut so. Der Bundesnachrichtendienst (BND) bekam einen Hinweis auf einen möglichen islamistischen Terroranschlag in Berlin. Zeitnah wurden am 18. Oktober 2024 Bundeskriminalamt (BKA) und der Generalbundesanwalt informiert. Es gab einen konkreten Namen und bald auch eine Adresse. Omar Saeid A., geboren 1996 in Libyen, derzeit wohnhaft in Bernau bei Berlin.

Die Ermittler begannen mit ihrer Arbeit, bei der Bundesanwaltschaft wurde ein Haftbefehlsantrag geschrieben. Am nächsten Tag schickte der BND weitere Informationen, der Generalbundesanwalt beantragte den Haftbefehl, eine Ermittlungsrichterin unterschrieb und stempelte. Noch am gleichen Tag wurde Omar Saeid A. festgenommen und nach Karlsruhe gebracht.

Omar Saeid A. bestritt jegliche Terrorpläne energisch. Trotzdem kam er in Untersuchungshaft.

Brisante Erkenntnisse?

Doch schon bald dämmerte den Ermittlern, dass der Beschuldigte A. tatsächlich unschuldig sein könnte. Zwar waren die vom BND übermittelten Sätze aus einer angeblichen Kommunikation von A. durchaus brisant. So hieß es beispielsweise: "Ich möchte jemanden, der mir eine Waffe gibt. Das Wichtigste bei der Sache ist Vertraulichkeit!"

Doch erstaunlicherweise bemühte sich A. redlich, den Ermittlern bei der Aufklärung der Sache zu helfen, entsperrte freiwillig sein Handy und beantwortete jede ihrer Fragen. Die Ermittler fanden weder die behauptete Unterhaltung noch sonstige Terrorinhalte.

Der BND hatte die Erkenntnisse nicht selbst gewonnen, sondern von einem ausländischen Partnerdienst erhalten. Als sich jedoch herausstellte, dass dieser Partnerdienst die angebliche Chat-Kommunikation gar nicht selbst erfasst, sondern von einem Nachrichtenhändler eingekauft hatte, wurden die Zweifel an der Glaubwürdigkeit immer größer. Der Haftbefehl war nicht mehr zu halten. A. kam frei.

Fehler setzt sich fort

Allerdings ist heute, ziemlich genau ein Jahr später, das Ermittlungsverfahren immer noch nicht eingestellt. "So etwas habe ich in mehr als 20 Jahren Berufserfahrung noch nicht erlebt", sagt Marvin Schroth. Er ist nicht nur der Rechtsanwalt von Omar Saeid A., sondern gehört auch zu den Rechtsanwälten in Karlsruhe, die immer wieder von den Ermittlungsrichtern des Bundesgerichtshofs gebeten werden, in Terrorverfahren den Beschuldigten rechtlichen Beistand zu gewähren, wenn diese keine eigenen Anwälte haben.

Schroth hat schon viele Terroristen und Spione vertreten. Er kennt die Verfahren der Bundesjustiz, seine Expertise hat Gewicht. Umso härter fällt seine Kritik aus: Allen Beteiligten sei mittlerweile klar, dass es ein Fehler war, seinen Mandanten in Haft zu nehmen. Aber nun passiere der nächste Fehler, indem man seinen Mandanten über Monate hinweg hängen lasse. Nicht einmal eine Haftentschädigung habe er bislang bekommen.

Omar Saeid A. selbst zu sprechen ist nicht einfach. Sein Deutsch ist schlecht, sein Cousin hilft ihm bei der Kommunikation mit Behörden und Anwälten. Denn A. hofft weiterhin, dass sein Asylantrag in Deutschland erfolgreich sein könnte. Diese Hoffnung ist wohl eher unrealistisch. Mindestens die Haftentschädigung steht ihm aber zu und auch das Label "Terrorverdächtiger" will er getilgt haben. Doch wann es soweit sein wird, steht offenbar in den Sternen.

Einstellung vielleicht demnächst

Die Bundesanwaltschaft will sich nicht zu Einzelheiten des Vorgangs äußern. Ihre Sprecherin bestätigt lediglich, dass das Ermittlungsverfahren noch nicht eingestellt ist, dies aber demnächst geschehen könnte. Gut vorstellbar ist, dass die Behörde gerade auch Eiligeres zu tun hat, weil es neue Ermittlungsverfahren und Lagen gibt, die gefahrträchtig zu sein scheinen und abgearbeitet werden müssen.

Andererseits müsste gerade auch ein unschuldig Verfolgter besondere Aufmerksamkeit bekommen. Doch was schnell begonnen hat, geht wohl nur langsam und für den Betroffenen mühsam und belastend zu Ende.

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