Die wegen bewaffneter Raubüberfälle angeklagte ehemalige RAF-Terroristin Klette könnte einer Verurteilung wegen versuchten Mordes entgehen. Denn das zuständige Gericht geht nur von einem sogenannten bedingten Tötungsvorsatz aus.

Im Prozess gegen die ehemalige RAF-Terroristin Daniela Klette ist der schwerste Vorwurf vom Tisch: Das Landgericht Verden wertet den bewaffneten Überfall in Stuhr nahe Bremen 2015 nicht als Mordversuch, wie es mit einem rechtlichen Hinweis klarstellte. Die 66-Jährige kann daher mit einer niedrigeren Strafe rechnen, falls sie verurteilt werden sollte.

Das Gericht geht allerdings weiter von einem sogenannten bedingten Tötungsvorsatz aus. Die Richter glauben also, dass der Täter den Tod des Opfers zwar nicht unbedingt gewollt, ihn aber in Kauf genommen hat. Doch sei er von dem Vorsatz zurückgetreten und habe entschieden, die Tat nicht zu Ende zu bringen.

Überfall auf Geldtransporter im Jahr 2015

Der Überfall am 6. Juni 2015 dauerte nur etwa vier Minuten: Nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft sollen die drei früheren RAF-Terroristen Daniela Klette, Burkhard Garweg und Ernst-Volker Staub einen Geldtransporter mit knapp einer Million Euro im Laderaum gestoppt haben. 

Vermummte Täter sprangen nach Angaben der Staatsanwaltschaft aus einem weißen VW-Transporter. Drei Schüsse fielen, einer in den Reifen, einer gegen die Scheibe und einer gegen die Beifahrertür des schwarzen Transporters mit der anvisierten Beute. Zwei Schüsse drangen laut Anklage in die Fahrerkabine ein - die Geldboten blieben dabei körperlich unverletzt. Die Täter sollen am Ende ohne Beute geflüchtet sein.

Klette soll gemeinsam mit Garweg und Staub über Jahre hinweg diverse Geldtransporter und Kassenbüros von Supermärkten überfallen haben, um ihr Leben im Untergrund nach der Auflösung der linksextremistischen Rote Armee Fraktion zu finanzieren.

Nach Jahrzehnten auf der Flucht nahmen Ermittler Klette im Februar 2024 in ihrer Wohnung in Berlin fest, wo sie unter falscher Identität lebte. Seitdem sitzt sie in Vechta in Untersuchungshaft. Ihre mutmaßlichen Komplizen sind weiter auf der Flucht. 

Mordversuch - juristisch umstritten

In dem Verfahren im niedersächsischen Verden geht es um Vorwürfe des schweren Raubs, der schweren räuberischen Erpressung und des versuchten Mordes. Klette wird aber nicht vorgeworfen, die fraglichen Schüsse selbst abgefeuert zu haben. Laut Anklage bildete sie mit Garweg und Staub aber eine kriminelle Bande und muss sich als Mittäterin daher sämtliche Taten zurechnen lassen.

Die Einschätzung der Staatsanwaltschaft, die Schüsse als Mordversuch zu bewerten, ist unter Juristen umstritten: Noch vor Beginn des Prozesses stellte das Oberlandesgericht Celle klar, dass es keinen dringenden Tatverdacht wegen versuchten Mordes sieht. 

Auch die Verteidigung lehnte den Vorwurf von Anfang an ab. Sie betonte wiederholt, dass nicht gezielt auf den Fahrer des Geldtransporters geschossen worden sei. Die Anwälte forderten weitere Gutachten, die unter anderem den Schusswinkel und ein Projektil überprüfen sollen. 

Das Gericht lehnte die Anträge ab. Der Schütze war nach Überzeugung des Gerichts in einer solch dynamischen Situation nicht in der Lage, vor dem Abdrücken der Waffe den Schusswinkel oder das Splittern eines Projektils zu berechnen. Es sei nur dem reinen Zufall zu verdanken, dass durch die Schüsse niemand verletzt wurde. 

Was am Ende zum Abbruch der Tat führte - ob die Täter beispielsweise durch eine Sirene der Polizei gestört wurden oder freiwillig den Rückzug antraten - muss nach Angaben des Vorsitzenden Richters noch geklärt werden.

Das Gericht hat den Prozess nun für einen Monat unterbrochen. Anfang August soll das Verfahren fortgesetzt werden. Weitere Verhandlungstermine sind bis Ende des Jahres festgelegt. Beobachter gehen davon aus, dass sich das Verfahren noch deutlich länger ziehen wird.

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