Die Regenbogenflagge steht als Zeichen der Toleranz und der Verbundenheit mit queeren Menschen - oder auch als Friedenssymbol. Derzeit wird sie zunehmend zum Politikum, auch wenn sie an einem Bundestagsbüro hängt.

Mehrere Bundestagsabgeordnete sind von der Bundestagsverwaltung aufgefordert worden, Regenbogenflaggen zu entfernen, die an oder in ihren Büros hängen. Betroffen waren unter anderem Stella Merendino, Abgeordnete der Linken, und Lina Seitzl von der SPD.

Die Bundestagsverwaltung betont, dass sich die Anordnung nicht speziell auf queere Symbole beziehe. Das Anbringen von Fahnen sei "grundsätzlich und unabhängig von der konkreten Symbolik nicht gestattet", sagte ein Sprecher des Bundestags. "Es geht nicht konkret um die Kontrolle von Regenbogenfahnen."

"Von außen sichtbar" ausnahmslos nicht gestattet

Seitzl, die selbst nicht zur queeren Community gehört, hatte laut Tagesspiegel anlässlich des Berliner Pride Month zwei Regenbogenfahnen in ihrem Büro aufgehängt - als Zeichen für Vielfalt und Respekt. Sie sei telefonisch aufgefordert worden, die Flaggen abzuhängen. "Ich bin mir nicht sicher, ob man die Flaggen von außen sehen konnte, aber das war wohl der Grund", sagte Seitzl der Zeitung.

Der entscheidende Punkt scheint tatsächlich die Sichtbarkeit von außen zu sein. Denn die Bundestagsverwaltung verwiest auf die Hausordnung des Parlaments. Und dort steht:

Der Passus war 2018 in die Hausordnung eingefügt worden - wenige Monate nach dem erstmaligen Einzug der AfD in den Bundestag.

Ein bewusstes "Zeichen des Widerspruchs"

Dass aktuell ausgerechnet die - oft auch als Friedenssymbol verwendete - Regenbogenflagge zum Politikum geworden ist, hat viel mit Julia Klöckner zu tun. Die CDU-Politikerin ist seit März Bundestagspräsidentin. Sie hatte angeordnet, die Regenbogenflagge aus Neutralitätsgründen nur noch zum Internationalen Tag gegen Homophobie am 17. Mai auf dem Reichstagsgebäude hissen zu lassen - und nicht mehr auch beim Berliner Christopher Street Day am 26. Juli, was jahrelang üblich war.

Linken-Abgeordnete Merendino, die einen Aufkleber und eine Flagge an ihrem Büro entfernen musste, sagte dem Tagesspiegel, es sei ihr darum gegangen, "ein Zeichen des Widerspruchs zu setzen gegen die Entscheidung von Frau Präsidentin Klöckner" und "auch gegen die Aussage eines Kanzlers Merz, der Bundestag sei kein Zirkuszelt."

Merz: "Stehe persönlich" für queere Menschen ein

Tatsächlich hatte Klöckner eine breite Debatte ausgelöst, in der sich auch Bundeskanzler Friedrich Merz zu Wort meldete. Er machte einen Vergleich, der auch von Merz-Anhängern als zumindest unglücklich gewertet wurde. In der ARD-Talkshow "Maischberger" wurde er gefragt, wie er es finde, dass Klöckner die Regenbogenfahne zum CSD nicht hissen wolle. Seine Antwort: Der Bundestag sei "ja nun kein Zirkuszelt", auf das man beliebig Fahnen hisse.

Das brachte ihm den Vorwurf der Queerfeindlichkeit ein - was Merz zurückweist. "Wir tun alles, um Menschen, die queer sind, ein gutes und auch ein sicheres Leben in unserer Gesellschaft zu ermöglichen", sagte Merz am Mittwoch im Bundestag. Er fügte hinzu: "Ich stehe auch persönlich dafür ein, dass das so ist." 

Klöckner: "An Maß und Mitte verloren"

Bundestagspräsidentin Klöckner meint, die Debatte habe "an Maß und Mitte verloren". Man könne "nicht bei jedem guten und wichtigen Anlass Fahnen hissen". Es gebe beispielsweise den Orange Day gegen Gewalt gegen Frauen. Das sei "ein wichtiges Anliegen, aber da hissen wir auch nicht die dazugehörige Fahne", sagte sie der Süddeutschen Zeitung.

Grüne: Solidarität statt Jagd auf Regenbogensymbole

Klöckner verweist in der Debatte immer wieder auf die Neutralität. Auf Kritik daran hatte sie im Bericht aus Berlin vor einigen Tagen mit den Worten reagiert: "Da müssen wir neutral sein, auch wenn das manchmal wehtut." Doch gerade Vertreter der queeren Community verweisen darauf, dass angesichts gesellschaftlicher Entwicklungen Neutralität nicht das Gebot der Stunde sei.

"Queere Menschen sind derzeit verstärkt Bedrohungen ausgesetzt, laut Verfassungsschutz besteht sogar Gefahr für Leib und Leben", sagt Nyke Slawik, queerpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, im Gespräch mit tagesschau.de. In Zeiten, in denen CSD-Paraden abgesagt werden müssten oder nur unter Polizeischutz stattfinden könnten, brauche es "Solidarität statt einer Jagd auf Regenbogensymbole im Bundestag."

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