Die neue schwarz-rote Bundesregierung will die noch von der Ampelkoalition eingeführte beschleunigte Einbürgerung wieder abschaffen. Dabei wird von der Möglichkeit kaum Gebrauch gemacht.
Kamal Shekho kam Ende 2021 nach Deutschland. Eigentlich wäre Polen für sein Asylverfahren zuständig gewesen, erzählt er. Doch eine Überstellung scheiterte. Der heute 21-jährige Syrer blieb. Mittlerweile mache er in Hamburg eine Ausbildung zum Fachinformatiker, zusätzlich habe er einen Minijob. Seinen Lebensunterhalt finanziere er selbstständig. Nebenbei engagiere er sich als Sprachmittler.
Als er im vergangenen Jahr mitbekommen habe, dass nun auch schon nach drei Jahren eine Einbürgerung möglich sei, sei er "begeistert" gewesen. Er habe extra noch einen Sprachkurs gemacht und Ende des vergangenen Jahres den Antrag gestellt.
Die Voraussetzungen sind hoch: Das Gesetz, mit dem die Ampelkoalition das Staatsbürgerschaftsrecht reformiert hatte, fordert für eine Einbürgerung nach drei statt erst nach fünf Jahren "besondere Integrationsleistungen". Dazu zählen etwa gute schulische Leistungen oder bürgerschaftliches Engagement, die Sicherung des Lebensunterhalts und Sprachkenntnisse auf C1-Niveau.
Abschaffung schon nach einem Jahr?
CDU und CSU nennen die Möglichkeit, nach drei Jahren eingebürgert zu werden, "Turboeinbürgerung". Gemeinsam mit der SPD wollen sie diese nun wieder abschaffen - nachdem sie erst seit etwa einem Jahr in Kraft ist. Nach der ersten Lesung eines entsprechenden Gesetzentwurfs im Bundestag Ende Juni berät heute der Bundesrat, der allerdings nicht zustimmen muss.
Eine Einbürgerungsmöglichkeit nach drei Jahren setze "falsche Anreize", hatte Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) bei der ersten Lesung im Bundestag gesagt. Außerdem werde nach innen der Eindruck erweckt, der deutsche Pass würde "in einer Art Sonderangebot" vergeben. Eine Einbürgerung müsse aber "am Ende eines Integrationsprozesses" stehen und "nicht am Anfang". "Die Einbürgerung nach drei Jahren Aufenthalt in Deutschland kann es schlichtweg nicht gewährleisten, dass die Integration vollumfänglich funktioniert."
Die zuständigen Ausschüsse im Bundesrat bedauern dagegen die geplante Abschaffung. "Entscheidend für die Integration ist nicht allein die Voraufenthaltszeit, sondern auch die aktive Teilnahme und Teilhabe an Arbeitsmarkt und Gesellschaft", heißt es in einer Empfehlung dazu.
Nur wenige Fälle in den Ländern
Aus Sicht des Bundesinnenministers ist die Abschaffung der Einbürgerungsmöglichkeit nach drei Jahren einer der Hebel, der für eine Migrationswende umgelegt werden muss. Tatsächlich haben wenig Menschen davon Gebrauch gemacht, wie eine Abfrage des ARD-Hauptstadtstudios bei den zuständigen Landesministerien zeigt.
Ende Juni 2024 trat das Gesetz der damaligen Ampelkoalition in Kraft. Seitdem wurden in Berlin 573 Personen nach drei Jahren Aufenthalt eingebürgert - das machte 1,02 Prozent aller Einbürgerungen aus. Der Anteil der nach bereits drei Jahren Eingebürgerten sei 2025 im Vergleich zum Vorjahr sogar deutlich zurückgegangen, heißt es aus der Senatsverwaltung. "Das zeigt die geringe praktische Relevanz dieser Vorschrift." In Bayern war der Anteil sogar noch geringer: Bis Ende April waren es 78 Personen, was rund 0,14 Prozent entspricht. In Baden-Württemberg waren es 2024 16 Fälle, für 2025 gibt es noch keine Zahlen.
In allen anderen Bundesländern - die Zahlen vorliegen haben - waren es jeweils weniger als zehn Personen.
In noch weniger Fällen sind abgelehnte Anträge bekannt. Im Saarland erklärt das Innenministerium das damit, dass vorab geklärt werde, ob die Deutschkenntnisse und die Integrationsleistungen ausreichten. "Dies war regelmäßig nicht der Fall." Nach Beratung hätten schließlich nur vier Personen einen entsprechenden Antrag gestellt, davon wurde zwei Anträgen stattgegeben, zwei hätten ihren Antrag wieder zurückgenommen.
Bislang keine Übergangsregelung
Eine Übergangsregelung enthält der Gesetzentwurf von CDU/CSU und SPD bislang nicht. Wer also jetzt einen Antrag auf Einbürgerung nach drei Jahren gestellt hat, über den die Behörden vor Inkrafttreten der Gesetzesänderung noch nicht entschieden haben, hat Pech gehabt und muss warten. Eine Einbürgerung wäre dann erst nach fünf Jahren Aufenthalt in Deutschland möglich - ohne erhöhte Voraussetzungen. Daran will auch die neue schwarz-rote Bundesregierung festhalten.
Im Fall von Kamal Shekho könnte das passieren. Von den zuständigen Behörden hat er jetzt seit zwei Wochen nichts mehr gehört, nachdem zwischenzeitlich etwas Tempo in die Bearbeitung gekommen sei. Was ihm etwas Hoffnung macht, ist die parlamentarische Sommerpause. Endgültig beraten und beschlossen wird der Gesetzentwurf vom Bundestag voraussichtlich frühestens im September.
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