Einladend sieht es aus, das Café in Berlin-Neukölln. Zum Lunch gibt's Kartoffel-Gemüse-Auflauf, wie so vielerorts. Aber «das Hoven» ist kein gewöhnlicher Laden. Danjel Zarte hat ihn vor gut zwei Jahren mit dem Erbe des Vaters eröffnet – als Ort, an dem queere Menschen besonders willkommen sind: «Ich wusste, es wird nicht einfach. Doch einen so grossen emotionalen Stress konnte ich mir nicht vorstellen.»
Es ist eine Queer-Phobie am Limit.
Der 36-Jährige und sein Lokal erleben regelmässig Hass und Gewalt: «Schmierereien, SS-Runen und Hakenkreuze, aber auch Hundekot in den Laden werfen und körperliche Angriffe aufs Personal kommen vor.» Ein Feuerlöscher landete schon im Büro im ersten Stock, seine Autoscheiben wurden mehrfach eingeschlagen. «Es ist eine Queer-Phobie am Limit», sagt Zarte.

45 Straf-Anzeigen in 16 Monaten, nochmals so viele Angriffe habe er gar nicht angezeigt. Seit Zarte die Leuchtschrift «queer and friends» zur Sichtbarkeit der für Diversität aufhängte, ist die Sorge um Angestellte und Lokal zur Dauerbelastung geworden. Die Nachbarn hängten Regenbogenfahnen aus Solidarität auf. Inzwischen fährt Polizei sicherheitshalber stündlich vorbei.
Die Rechtsextremen verfolgen Schritt für Schritt ihren Plan. Es erinnert an die 1930er-Jahre, bevor die Nazis wüteten
Homophobe Attacken hätten in Berlin stark zugenommen, sagt auch Berlins Queerbeauftragter Alfonso Pantisano: «Jeden Tag werden allein in unserer Stadt bis zu drei Übergriffe gezählt. Und man geht davon aus, dass neun von zehn Übergriffen gar nicht erst angezeigt werden. Das ist eine Katastrophe für eine Demokratie.»

Die Rechtsextremen würden Schritt für Schritt ihren Plan verfolgen, es erinnere an die 1930er-Jahre, sagt Pantisano. Damals feierte sich Berlin als Geburtsstadt der weltweiten queeren Emanzipationsgeschichte – bevor die Nazis wüteten.
Rechtsextreme setzen bei der Mobilisierung besonders auf Queerfeindlichkeit. Alles, was scheinbar schwach ist, wird abgewertet.
Rechtsextreme setzten bei der Mobilisierung besonders auf Queerfeindlichkeit, erklärt Lorenz Blumenthaler von der Amadeu Antonio Stiftung. Denn es gehe ihnen um sogenannt soldatische Männlichkeit: «Alles, was scheinbar schwach ist, wird abgewertet.»

Am Umgang mit queeren Menschen zeige sich besonders gut, wie tolerant eine Gesellschaft sei, so Blumenthaler: «Denn man kann auf rechtsextreme Narrative aufbauen, wie sie schon immer verbreitet wurden und die nach wie vor anschlussfähig sind in einer Mitte der Gesellschaft: Etwa, dass queere Menschen für Frühsexualisierung bei Kindern und Jugendlichen sorgten und die Kinder bedroht seien.»
CSD erwartet erneut Hunderttausende
«Wir befinden uns erstmals in dieser Geschichte in der Situation, dass wir nicht für neue Rechte kämpfen, sondern das in den letzten Jahrzehnten Erreichte vereidigen», sagt Thomas Hoffmann vom Vorstand des Berliner Christopher Street Day (CSD. Doch just in dieser schwierigen Zeit entziehe Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU/CSU) ihnen die Solidarität, fügt Hoffman an.

Denn Klöckner hat unter Verweis auf das Neutralitätsgebot entschieden, die Regenbogenfahne zum CSD nicht wie früher auf dem Bundestag zu hissen. Kanzler Merz verteidigte das mit der provokativen Aussage, der Bundestag sei doch kein Zirkuszelt.
Es ist ein absoluter Skandal, dass Klöckner hier versucht, billige Punkte im rechten Kulturkampf zu machen.
«Es ist die Regenbogenfahne vor dem Bundestag. Das sendet ein Signal weit in die Gesellschaft hinein, in was für einer Gesellschaft wir eigentlich leben wollen und wie diese Gesellschaft sich zu queerer Sichtbarkeit verhält», stellt Hoffmann fest: «Ich finde es einen absoluten Skandal, dass Klöckner hier versucht, billige Punkte im rechten Kulturkampf zu machen.»
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