Drei Kräne drehen sich über der Baugrube am Berliner Kulturforum. Hinter dem Baustellenzaun wachsen graue Betonwände, die den Rohbau eines Museums mit gut 9000 Quadratmetern Fläche erkennen lassen. In der deutschen Hauptstadt und Kulturmetropole entsteht unweit des Potsdamer Platzes und des Tiergartens – in direkter Nachbarschaft der Neuen Nationalgalerie von Mies van der Rohe, der Philharmonie und der Staatsbibliothek von Hans Scharoun – ein Prestigeprojekt der Stiftung Preußischer Kulturbesitz: das Museum für die Kunst des 20. Jahrhunderts.

Das Projekt wurde vor zehn Jahren ausgelobt. Das Basler Architekturbüro Herzog & de Meuron gewann 2016 den Wettbewerb mit einem radikal archaischen Entwurf – einer Baufigur, die bald auch von den Architekten selbst als „Scheune“ tituliert wurde. Der Bundestag hatte ursprünglich 200 Millionen Euro für den Bau bewilligt, die damalige Kulturstaatsministerin Monika Grütters das Projekt als Herzensangelegenheit vorangetrieben. Doch – wenig überraschend bei öffentlichen Bauvorhaben in Berlin – wurde die Kostenschätzung bald erheblich nach oben korrigiert.

Im Jahr 2019 wurden die Baukosten auf 364 Millionen Euro beziffert, hinzu kam ein großzügiger Puffer von über 85 Millionen Euro. Die Gesamtsumme von 450 Millionen Euro galt fortan als gesetzt – und wurde von den Projektverantwortlichen auch nicht infrage gestellt. Auch im Glauben darauf, dass prognostizierte Baupreissteigerungen und Risikokosten bereits eingepreist seien.

Seit dem 24. Juli 2025, knapp 18 Monate nach der Grundsteinlegung, steht fest: Das vom Direktor der Neuen Nationalgalerie Klaus Biesenbach in „berlin modern“ umgetaufte Museum wird teurer – und später fertig. Die ursprünglich für 2027 geplante Eröffnung verschiebt sich um zwölf Monate. Mit der baulichen Fertigstellung wird nun Ende 2028 gerechnet. (Die museale Einrichtung dürfte dann noch einige Zeit in Anspruch nehmen.)

„Die Ursachen für die Verzögerung sind vielfältig“, erklärt ein Sprecher der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, „vor allem handelt es sich aber um Verzögerungen beim Rohbau und verzögerte Planungsleistungen. Die Projektsteuerung hat bereits wirksame Gegenmaßnahmen ergriffen, um weiteren Verzögerungen entgegenzuwirken. Im Vergleich zu anderen komplexen Großbaumaßnahmen des Bundes bewegt sich der bisherige Verzug im unteren Bereich.“ Die Zahlen sprechen hingegen eine klare Sprache: Die einst auf 364 Millionen Euro veranschlagten Baukosten steigen voraussichtlich auf 526,5 Millionen Euro.

Gründe für die Steigerungen seien die konjunkturelle Entwicklung, Ukraine-Krieg, Energiekrise und Inflation. Die Bau- sowie Risikokosten seien „2023 für Anpassungen zur Verbesserung der Nachhaltigkeit erhöht“ worden. Ein weiterer Anstieg sei „derzeit nicht zu verzeichnen“, so die SPK. „Die aktuelle Gesamtprognose – einschließlich Risikokosten und Baupreissteigerungen – liegt zudem deutlich unter dem Stand der Prognose aus dem Sommer 2023.“ Dennoch: Mehrkosten von über 160 Millionen Euro sind kein Pappenstiel – und dämpfen das Vertrauen in die Kalkulationen von Bund und Stiftung Preußischer Kulturbesitz als Bauherren erheblich.

Der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestags wurde von Wolfram Weimer, dem amtierenden Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) über die „Rohbauverzögerung“ informiert. Die Kostensteigerung wurde erst zu Beginn der Sommerpause kommuniziert – ein Zeitpunkt, der Fragen aufwirft. Kritiker, die bereits 2019 bezweifelten, dass der Bau mit 450 Millionen Euro zu realisieren sei, sehen sich bestätigt. Schon damals hielten viele Beobachter 600 Millionen Euro für realistischer.

Rückschlag für die „Kulturbauten-Offensive“

Auch der Bundesrechnungshof hatte früh Bedenken geäußert – wegen hoher Kosten und mangelhafter Klimabilanz. Während der Amtszeit von Claudia Roth als Kulturstaatsministerin wurden daraufhin Änderungen im Planungsprozess durchgesetzt, um die ökologische Bilanz des Baus zu verbessern. Das führte zu teils massiven Eingriffen in den ursprünglich prämierten Entwurf von Herzog & de Meuron. Roth konnte sich rühmen, aus dem teuren Renommierprojekt zumindest ein ökologisches Vorzeigeobjekt gemacht zu haben. Ihre PR-Versprechen muss nun ihr Nachfolger einlösen – oder einfangen.

Auf der Architekturbiennale von Venedig hatte Staatsminister Wolfram Weimer eine „Kulturbauten-Offensive“ gefordert, mit „Investitionen in kulturelle Leuchttürme“ solle der Standort Deutschland gestärkt werden. „Und in Berlin ist der Neubau des Museums berlin modern auf gutem Weg“, hielt der BKM in einem Statement vom 25. Mai 2025 fest. Zwei Monate lässt er über einen Sprecher ausrichten, die Aussage habe sich „vor allem auf den Zeitplan“ bezogen. „Das Gebäude ist im Stadtbild bereits gut sichtbar, das Richtfest ist für Oktober 2025 geplant.“ Als Leuchtturm ist es leider noch nicht erkennbar.

In Berlin haben Verzögerungen und Kostenexplosionen bei Museumsbauten fast schon Tradition. Die James-Simon-Galerie auf der Museumsinsel wurde 2018 nach 17 Jahren Bauzeit eröffnet – die Kosten wuchsen entsprechend. Das benachbarte Pergamonmuseum ist seit Jahren Baustelle und wird es bis zur vollständigen Wiedereröffnung (geplant 2037) auch noch bleiben – zu dem astronomischen Preis von 1,5 Milliarden Euro. Das Museum des 20. Jahrhunderts reiht sich nun ein.

Die Erweiterung der Nationalgalerie wurde ursprünglich aufgrund des Drucks von bedeutenden Privatsammlern wie Erich Marx, Heiner Pietzsch und Egidio Marzona angestoßen, die drohten, ihre Leihgaben abzuziehen, wenn die Staatlichen Museen zu Berlin ihnen keine adäquaten Räume bieten. Inzwischen haben einige von ihnen Teile ihrer Sammlungen anderen Museen überlassen.

Zugleich gelingt es der Neuen Nationalgalerie zurzeit nicht, ihrer ikonischen Strahlkraft neue Impulse zu verleihen. Der Bauverzug könnte hier immerhin ein unerwarteter Vorteil sein: Klaus Biesenbach und sein Team gewinnen ein Jahr mehr Zeit, um an einem überzeugenden Konzept für den Scheunenbau am Kulturforum zu feilen. Zum Richtfest im Herbst, so die SPK, werde man das „kuratorische Konzept für die Übergangszeit vorstellen“. Ob „berlin modern“ allerdings den Anspruch, den es finanziell erhebt, am Ende auch inhaltlich einlösen kann – das steht einstweilen noch in den Sternen.

Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt beim ursprünglichen Autor. Die erneute Veröffentlichung dieses Artikels dient ausschließlich der Informationsverbreitung und stellt keine Anlageberatung dar. Bei Verstößen kontaktieren Sie uns bitte umgehend. Wir werden bei Bedarf Korrekturen oder Löschungen vornehmen. Vielen Dank.