Man könnte denken, in diesem Land würde tatsächlich einmal der Volks- und Wählerwille von den Regierenden durchgesetzt. Nach der Bildungsministerin Karin Prien (CDU) hat nun auch Kulturstaatsminister Wolfram Weimer (parteilos, von Kanzler Merz berufen) seinen Ministeriumsmitarbeitern das Gendern mit Sternchen oder anderen Sonderzeichen und typografischen Spielchen wie dem Binnen-I untersagt. Doch statt das als „Genderverbot“ zu framen, sollte man es lieber als „Falschschreibverbot“ bezeichnen.

Denn der Rat für deutsche Rechtschreibung, der im Auftrag der Länder-Kultusminister die Regeln festlegt, hat vom Gendern mit Sonderzeichen ausdrücklich abgeraten und sie als nicht zum „Kernbestand der deutschen Orthografie“ gehörend bezeichnet. Da ist es doch erfreulich, dass wenigstens in den beiden Bundesministerien, die für Bildung und Kultur zuständig sind, jene Direktive auch befolgt wird – wenn schon die einschlägigen Länderminister ihre Mitarbeiter sowie die ihnen unterstehenden Schulen und Universitäten munter weitergendern lassen.

Auch Gerichte haben sich in der jüngsten Vergangenheit gegen die sogenannte „geschlechtergerechte“ oder „gendergerechte Sprache“ ausgesprochen. Die Einschränkung durch das Attribut „sogenannt“ ist nötig, weil allein der unreflektierte Gebrauch des Wortes „geschlechtergerecht“ implizit anerkennt, dass das nicht-gegenderte Deutsch, dessen Pflege und Beibehaltung eine Bevölkerungsmehrheit wünscht, „ungerecht“ sei.

Das Oberlandesgericht Naumburg hat ein Urteil wegen zu schnellen Fahrens auch deswegen aufgehoben, weil darin der Betroffene zur „betroffenen Person“, der Sachverständige zur „sachverständigen Person“ der Messbeamte zur „messverantwortlichen Person“ wurde. Die Naumburger Generalstaatsanwältschaft nannte als warnendes Beispiel dafür, wie „ridikül“ solche Formulierungen wirken könnten, den Ausdruck „tat-tuende Person“ als neutrale Bezeichnung für Täter oder Täterin.

Ein paar Tage später entschied das Düsseldorfer Oberlandesgericht, dass der „Geschäftsführer“ einer Firma auch weiterhin so genannt werden muss. Eine städtische GmbH hatte dafür geklagt, im Handelsregister „Geschäftsführung“ gebrauchen zu dürfen. Solche grammatisch zweifelhaften Konstruktionen oder auch Doppelnennungen wie „Geschäftsführer und Geschäftsführerin“ seien gar nicht notwendig, so das OLG. Denn der verfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz und das grundgesetzlich verankerte Diskriminierungsverbot stellten sicher, dass das Wort „Geschäftsführer“ nicht geschlechtsbezogen verstanden und angewendet werden dürfe.

Als Sieg der Vernunft und des Volkswillens sollte man all diese Nachrichten vorerst nicht interpretieren. Denn der „Geschäftsführer“ im Handelsregister ist eine juristische Person, keine reale – und juristische Personen haben kein Geschlecht, dem man irgendeine „Gerechtigkeit“ widerfahren lassen müsste.

Und in den übrigen Bundesministerien, vor allem dort, wo die SPD das Sagen hat, wird weitergegendert werden, so wie den Funktionsträgern in den Ideologiewerkstätten der Universitäten beigebracht wurde, so wie sie es aus den öffentlich-rechtlichen Sendern ins Ohr gesäuselt bekommen und so wie es in ihren Parteiprogrammen durchexerziert ist. Zumal die ridikülen „Forschenden“, „Tat-tuenden“ und Doppelnennungen zwar nicht im Einklang mit der Logik und Grammatik sind, aber zumindest vom Rechtschreibrat nicht ausdrücklich untersagt. So schnell werden die genderverantwortlichen Personen einen bereits gewonnen geglaubten Kulturkampf nicht aufgeben.

Feuilletonredakteur Matthias Heine ist Autor mehrerer Bücher über die deutsche Sprache, darunter „Der große Sprachumbau“ (2025)

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