Die Porträtsitzungen zogen sich schon über Monate hin. „Onkel schimpfte und fluchte, dass es nur so ein Vergnügen war, ihm zuzuhören“, erinnerte sich Elisabeth Lederer später an das Jahr 1914, als sie dem Maler Gustav Klimt Modell saß – oder besser: stand. „Onkel“ nannte sie ihn, seit er im Hause Lederer in der Wiener Bartensteingasse 8 ein und aus ging.

Ihre Eltern, August Lederer, Spross einer ursprünglich böhmischen Industriellenfamilie, und Serena Lederer, die wohlhabende Tochter aus der Budapester Pulitzer-Familie, gehörten zu Klimts wichtigsten Sammlern. Besonders Serena stand dem Avantgardekünstler nahe; bereits 1899 hatte er sie porträtiert. Wie nah, darüber wurde in Wien getuschelt – wie über viele Beziehungen von Klimt zu seinen Modellen und Auftraggeberinnen. Für Elisabeth sollte diese Nähe ihrer Mutter Jahre später überlebenswichtig werden.

1914 jedenfalls gab Serena Lederer ihrem Lieblingsmaler den Auftrag, Elisabeth zu porträtieren. Doch Gustav Klimt haderte: „Wiederholt warf er den Bleistift weg und äußerte sich dahin, dass man überhaupt niemals Leute malen soll, die zu nahe stehen.“ Auch die Kunstmäzenin mischte sich ein, stritt über angemessene Posen, Make-up und Kleidung der Tochter. „Ich mal mir mein Mädel, wie sie mir gefällt und damit Schluss“, wird Klimt zitiert. Bis 1916 arbeitete er an dem Bild, veränderte es immer wieder, erklärte es nie für fertig. Schließlich griff Serena Lederer durch, entführte das Werk aus Klimts Atelier, lud es kurzerhand ins Auto und hängte es daheim auf.

Eine um 1930 entstandene Fotografie zeigt Serena Lederer in ihrem Salon. Hinter ihr hängt das „Bildnis Elisabeth Lederer“: eine junge Frau mit schwarzem Haar und fast weißer Haut, im schmalen weißen Kleid und einer Chiffonstola mit ornamentierter Spitze, die sie an der Hüfte rafft. Selbstbewusst blickt sie zum Betrachter, vielleicht umspielt ein wenig Spott ihre roten Mundwinkel. Im Hintergrund erkennt man exotisierende, chinesische Figuren. Auf dem Foto spiegeln sich die bunten Ornamente in der polierten Marmorplatte einer vor dem Gemälde aufgestellten Kommode.

Elisabeth hieß da schon Bachofen-Echt. Sie war vom Judentum zum evangelischen Glauben konvertiert und hatte einen Brauereibesitzer geheiratet. Nach dem „Anschluss“ 1938 versuchte sie, der Verfolgung zu entgehen: Mithilfe ihrer Mutter ließ sie Gustav Klimt offiziell als ihren leiblichen Vater anerkennen. Als „Halbjüdin“ mit prominentem Namen durfte sie in Wien bleiben. 1944 starb sie mit 50 Jahren an einem Hirntumor.

Konfisziert von den Nazis, verkauft nach Amerika

Das Schicksal der Lederer-Sammlung ist bis heute ein Forschungsfeld für die Kunstgeschichte und die Provenienzrecherche. Die Nazis beschlagnahmten große Teile, auch das „Bildnis Elisabeth Lederer“. Viele Kunstwerke gelten als verschollen, zehn Klimt-Gemälde sollen in einem Depot im niederösterreichischen Schloss Immendorf am letzten Kriegstag verbrannt sein. Andere tauchten im Kunsthandel auf.

Klimts Porträt wurde 1948 anonym ins Wiener Auktionshaus Dorotheum eingeliefert, aber kurz vor der Versteigerung zurückgezogen und an Elisabeths Bruder Erich nach Genf übertragen. Später gelangte das Gemälde in den Besitz von Serge Sabarsky, einem wichtigen Vermittler österreichischer Kunst in Amerika, und wurde 1985 verkauft.

Nach Jahrzehnten im Besitz von Leonard Alan Lauder, der im Juni verstarb, kehrt das Spätwerk Klimts – der Maler starb 1918 mit 55 Jahren – nun in den Handel zurück. Die exquisite Provenienz nährt die Erwartung, dass Sotheby’s bei den kommenden Herbstauktionen in New York einen Rekordpreis erzielt: nicht weniger als 150 Millionen Dollar.

Denn der auf dem Kunstmarkt besonders klingende Name Gustav Klimt ist mit der Familie Lauder seit Jahrzehnten verbunden – so wie er es im frühen 20. Jahrhundert mit den Lederers war. Leonards jüngerer Bruder Ronald S. Lauder, beide Söhne der Kosmetikunternehmerin Estée Lauder, besitzt das wohl berühmteste Klimt-Porträt: das „Bildnis Adele Bloch-Bauer I“.

1907 als Hauptwerk der „goldenen Periode“ gemalt, wurde es 1941 von den Nazis aus dem Besitz der jüdischen Familie Bloch-Bauer konfisziert und in die Österreichische Galerie Belvedere überführt, wo es nach dem Krieg blieb. Die Erben um Maria Altmann kämpften jahrzehntelang um Restitution – erst ein Gesetz von 1998 machte die Rückgabe möglich. Ronald S. Lauder erwarb das Werk 2006 für seine Neue Galerie in New York; die „New York Times“ sprach damals von einem Kaufpreis rund 135 Millionen Dollar.

Diesen Preis will Sotheby’s nun übertreffen. Den Klimt-Rekord hält das Haus bereits: Im Juni 2023 erzielte „Dame mit Fächer“ mehr als 85 Millionen Pfund. Nun soll das „Bildnis Elisabeth Lederer“ nicht nur einen neuen Höchstpreis bringen, sondern auch als Glücksbringer dienen – denn die Auktion eröffnet das neue New Yorker Hauptquartier von Sotheby’s in dem vom ehemaligen Bauhaus-Lehrer Marcel Breuer entworfenen Breuer Building an der Madison Avenue, einst Heimat des Whitney Museum of American Art.

Ein Weltrekord zum Auftakt wäre ganz im Sinne des Auktionshauses. Und wünschenswert wäre, dass das Werk nicht in einem Zollfreilager verschwindet, sondern der Öffentlichkeit zugänglich bleibt. Leonard A. Lauder hatte es selbst jahrelang verliehen – an die National Gallery of Canada in Ottawa oder die Neue Galerie seines Bruders.

Für Sotheby’s ist der Zugriff auf die Lauder-Sammlung, um die auch Christie’s gebuhlt haben soll, ein Signal in unsicheren Zeiten. Ausschlaggebend war wohl auch das Breuer Building, das Lauder als einstiger Präsident des Whitney Museum bestens kannte. Nach dem 1,6-Milliarden-Dollar-Coup mit der Sammlung von Microsoft-Mitgründer Paul Allen im Jahr 2022 waren viele Kunstsammler zurückhaltend geworden, ihre kostbarsten Schätze zu verkaufen.

Laut „New York Times“ hat sich Sotheby’s eine Garantie zur Absicherung der Lauder-Sammlung gesichert. Ob zusätzlich sogenannte „Third Parties“ im Spiel sind, die das Risiko abfedern, bleibt offen. „Von außen betrachtet wird es sicherlich wie ein Erfolg aussehen“, wird der Kunstberater Jacob King zitiert. Tatsächliche Zuversicht für den Hochpreiskunstmarkt brächten allerdings wohl nur Erlöse deutlich über dem gesamten Schätzwert von rund 400 Millionen Dollar.

Unter den Hammer kommen neben dem „Bildnis Elisabeth Lederer“ auch zwei Klimt-Landschaften – „Waldhag bei Unterach am Attersee“ (Erwartung mindestens 70 Millionen Dollar) und „Blumenwiese“ (80 Millionen Dollar) –, außerdem Gemälde von Edvard Munch und Agnes Martin sowie seltene Bronzen von Henri Matisse.

„Leonard A. Lauder: Collector“, Abendauktion bei Sotheby’s in New York am 18. November 2025.

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