Bei dem Typ dort gegenüber, in dem Fenster brennt noch Licht./ Er mustert alte Platten aus, ich denk an dich./ Bin seit gestern in der Stadt. Zimmer mies, kleine Pension./ Weiß nicht, was ich hier noch will. Keiner kommt davon.“ So lauten die ersten Zeilen auf dem neuen Album „Ich bin“ von Klaus Hoffmann. Und schon ist der Hörer mittendrin in Berlin, jener Stadt also, die so eng mit dem mittlerweile 74-jährigen Liedermacher und Sänger verbunden ist, dass sie sein Leben und Wirken seit jeher prägt. An der er sich im Gegenzug abarbeitet, im ihr eigenen Berliner Chanson.
Hildegard Knef hat es verkörpert, Harald Juhnke auch. Heute pflegt neben Klaus Hoffmann sein Freund Reinhard Mey das Genre. Mey singt auch auf der neuen Platte ein Lied mit ihm gemeinsam – den Ohrwurm „Ich geh’ auf deinen Straßen“ – in dem es heißt: „Berlin musst du dir verdienen.“ Das eingangs zitierte Lied trägt den Titel „Zurück nach Berlin“ und beschreibt das eigentümliche Gefühl, in Berlin nach Hause zu kommen, also irgendwie zugleich verloren und aufgefangen zu sein, was in keiner anderen deutschen Stadt möglich wäre. Von einer Rückkehr nach Berlin ist abzuraten, so unvermeidlich sie auch bleibt. Die Sehnsucht von Marlene Dietrich ist nur ein Beispiel.
In „Zurück nach Berlin“ schlägt Hoffmann denn auch den ganz großen Bogen durch sein Leben, „zurück bis zu den ersten Auftritten in Berliner Clubs, ich komme ja von der Singerei“, erzählt der in Charlottenburg aufgewachsene Künstler im Gespräch in Hamburg, seiner „Stadt fürs große Fenster“, wie er die Hansestadt nennt. Früher die Stadt seiner Plattenfirmen und jetzt die Stadt seines Veranstalters Karsten Jahnke. Nach der Schule machte Klaus erst einmal eine Ausbildung zum Großhandelskaufmann.
„Als ich dann mit 18 den Gedanken ‚Du darfst handeln‘ verstanden hatte, dachte ich, es wäre alles aus, wie vermutlich viele in dem Alter. Stattdessen fuhr ich auf der Suche nach mir nach Afghanistan. Ich hatte eine Sehnsucht danach, aufgefangen zu werden, egal von wem. Großfamilien, die gemeinsam auf dem Rasen sitzen, Tee trinken oder Hammel essen, wo jeder dazugehört, fand ich attraktiv.“
1969 war das, die Flucht aus der kleinbürgerlichen Enge nach Afghanistan, von der Hoffmann zerschlissen und um einige lebensgefährliche Erfahrungen reicher nach Berlin zurückkehrte, um gleich noch einmal neu anzufangen. „Ich bekam ein Stipendium von 400 Mark für die Max-Reinhardt-Schule für Schauspiel, hatte eine Butze für 100 Mark mit Kohleofen und machte mit Auftritten in Clubs einen Tausender“, erinnert sich Hoffmann. „Da entstanden die ersten Lieder. Also bevor ich Schauspieler wurde. Das war super, eine meiner besten Zeiten.“
Seit damals hat er sich diesen charakteristischen, zweifelnden Ton bewahrt in seinen Liedtexten, unter Liedermachern ein Alleinstellungsmerkmal. Hoffmann: „Dass auch Zweifel vorkommen im Leben, dass man zerbrechlich bleibt, dass man so den Moment sucht, das kenne ich von allen meinen Kollegen. Ich war am Anfang schon am Ende, diesen Widerspruch habe ich gelebt und freimütig gezeigt. Manchmal auch viel zu dick.“
In den folgenden Jahren kam mehr und mehr der Schauspieler Hoffmann zum Vorschein und half dem Sänger auf dem Weg nach oben, bis zu den legendären Alben „Was fang ich an in dieser Stadt?“ von 1978 und „Westend“ von 1979. Beide erschienen also nach dem Durchbruch mit der Hauptrolle im Film „Die neuen Leiden des jungen W.“ von Ulrich Plenzdorf 1976. Da hatte Hoffmann schon diesen unglaublich direkten Blick in die Kamera drauf wie kaum ein anderer.
„Das fanden viele damals ganz toll, aber das war ein Irrtum, ich konnte nicht anders. Ich sah ganz gut aus, wie ich heute weiß, und viele wollten diesen jungen Asketen mit dem pathetischen Blick.“ In Wahrheit, so Hoffmann „gab mir die Schauspielausbildung ein bisschen Stütze, die ich brauchte, um überhaupt aufzutreten. Dann habe ich langsam eine Bühnenfigur für meine Konzerte daraus gemacht.“
Zu dieser Bühnenfigur gehören seither die Chansons von Jacques Brel, deren führender Interpret Hoffmann hierzulande mit seinen deutschen Versionen wurde. Geprägt haben ihn aber auch Ray Charles, Bob Dylan und Pete Seeger. Zur werdenden Bühnenfigur gehörte die Suche nach dem passenden Outfit. „Damals trug ich Karohemden, weil ich wusste, dass alle das gut finden, aber eigentlich wollte ich immer schon Anzug tragen“, erzählt Hoffmann. Der passte auch besser zu Brel. Dennoch hat es eine Weile gedauert, bis Hoffmann so weit war. „Ende der Siebzigerjahre wollten dann viele in der Szene, dass ich in eine kommunistische Partei eintrete, in die KPD/ML oder in die DKP. Da habe ich immer geantwortet, ich bin Anarchist, ich lese nur noch Rimbaud.“
Heute, mehr als 40 weitere Alben, drei Romane, ein Brel-Musical und eine Autobiografie später, ist dieser Rimbaud auf der Suche nach der verlorenen Zeit. Sein Album ist aufgebaut wie eine Novelle, da ist einer in 13 Titeln immer noch auf der gradlinigen Suche nach, auf der Reise zu sich selbst. Der kann sich wieder wie ein staunendes Kind freuen, der Titel „Es schneit“ ist ein beschwingtes Weihnachtslied, das vermutlich leider nicht so häufig wie „Last Christmas“ im Radio laufen wird.
Anschließend erklingt dann gleich eine poetische Kurzbiografie in Liedform, „Ich bin“ ist ein Bekenntnis zum mutigen Springen. In eine Künstlerexistenz etwa. Hoffmann hat den Sprung als Sänger, als Schauspieler und als Autor gewagt. „Der Schauspieler trägt mich“, sagt er, „und der Sänger ist immer noch gefragt.“ Auch der Blick nach außen auf „Die Kinder der Kriege“ verrät grundsätzlich, „wie zerbrechlich wir doch sind“.
Mit dem neuen Album geht Klaus Hoffmann, der mit seiner Frau Malene Staeger in Kladow bei Berlin wohnt, ab Februar 2026 auf Deutschland-Tour. Begleitet wird er bei seinen „Ich bin“-Konzerten nur vom Pianisten Nikolai Orloff, der aus Minsk stammt und seit 1997 in Berlin lebt. Aufs Publikum freue er sich, sein Lachen habe er „wiedergefunden“, sagt er, und im Konzert improvisierte er wieder viel drauflos beim Moderieren. „Manchmal übertreibe ich dabei, da muss ich aufpassen“, sagt Hoffmann. „Andererseits ist es doch der Moment, der zählt.“
Klaus Hoffmann: „Ich bin“ (Stille Music). Im März 2026 gibt der Liedermacher dann drei Konzerte mit seiner Band, aus Anlass seines 75. Geburtstags am 26. März. In der Philharmonie Berlin am 27. März, am 28. März in der Hamburger Laeiszhalle und am 29. März im Theater am Aegi in Hannover.
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