Als im Jahr 1896 ein flackerndes Schwarz-Weiß-Bild über die Leinwand ratterte und eine gebrechliche Gestalt im weißen Ornat ihren Segen spendete, war nicht nur Filmgeschichte geschrieben – es hatte zugleich ein neues Kapitel in der Inszenierung des Papsttums begonnen. Denn der Mann auf dem Filmstreifen war Vincenzo Gioacchino Raffaele Luigi Pecci, besser bekannt als Papst Leo XIII. Der Namensvorgänger des neuen Papstes Leo XIV., bürgerlich Robert F. Prevost, ist der erste Pontifex, von dem es Filmaufnahmen gibt – und zugleich der älteste Mensch, der je auf Film gebannt wurde: Vincenzo Gioacchino Luigi Pecci kam am 2. März 1810 in Carpineto Romano zur Welt.

Leo XIII., der erste Medienpapst. Der kaum zwei Minuten lange Film, aufgenommen von den Lumière-Brüdern, besteht aus drei Szenen. Die Sequenzen der französischen Filmpioniere zeigen Leo XIII., wie er jeweils den Apostolischen Segen spendet, zunächst auf einem Stuhl im Vatikanischen Garten sitzend, in der Folgeszene aus einer von Pferden gezogenen Kutsche heraus.

Die Aufnahmen waren im Jahr 1896 ein bahnbrechendes Ereignis. Der Papst, bisher eine ferne, fast mystische Figur, wurde plötzlich sichtbar. Menschlich. Greifbar. Und das in einer Zeit, in der das Papsttum nach dem Verlust des Kirchenstaates im Jahr 1870 in politischer Isolation lebte.

Der Nachfolger Petri auf Erden spricht mit der Welt

Leo XIII. hatte das moderne Medienpotenzial früh erkannt. In einer Ära, in der sich das Verhältnis zwischen Kirche und Welt neu ordnete, nutzte er die neuen Kommunikationsmittel, um das Papstamt wieder ins Zentrum globaler Aufmerksamkeit zu rücken. Er war der erste Papst, dessen Stimme auf Phonographenrollen festgehalten wurde. Und auch wenn seine Sätze heute kaum noch verständlich sind, ist die symbolische Wirkung enorm: Der Nachfolger Petri hatte begonnen, mit der Welt zu sprechen – nicht nur über Kanzeln, Enzykliken oder Bischofssynoden.

Auch seine berühmte Sozialenzyklika „Rerum Novarum“ von 1891 – ein leidenschaftliches Plädoyer für die Rechte der Arbeiter und die soziale Verantwortung des Kapitals – wurde zum medialen Coup. Das theologische Dokument wurde in zahlreichen Sprachen gedruckt, in Zeitungen kommentiert und von Regierungen rezipiert. Leo XIII. verstand, dass moderne Öffentlichkeit nicht per se ein Feind der Kirche sein musste, sondern auch als Werkzeug zur Missionierung eingesetzt werden konnte.

Aus heutiger Sicht wirkt es fast ironisch, dass ausgerechnet ein damals über 80-jähriger Mann, der zugleich Vorsteher der nicht unbedingt für Fortschritt bekannten katholischen Kirche war, zum frühen Medienstar wurde. Doch Leo XIII. erkannte, dass Sichtbarkeit zugleich Macht bedeutet – und wie sich durch ein neues Medium Seelen gewinnen lassen. Heute wird der historische Filmclip von Leo XIII. auf Social Media geteilt, remixt und kommentiert. Als faszinierendes Zeitdokument, aber auch als Ursprung einer neuen Ära.

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