Es herrscht ja gegenwärtig ein gewisser Mangel an frohen Botschaften. So recht weiß die Menschheit nicht, wie es weitergehen soll. Alles verändert sich. Die Wahrheit löst sich auf. Kriege kommen. Besser als die „Entität“ es mit ziemlich exakt diesen Sätzen am Beginn des vorerst letzten Finales von „Mission Impossible“ tut, könnte man es gar nicht formulieren.

Und vielleicht wäre es auch gar keine schlechte Idee, wenn einfach ein gewaltiger Feuerball über die Erde fegen würde. Dann könnte, wer immer übrig bleibt nach Armageddon, von vorne anfangen. Nur so eine Idee der „Entität“.

„Mission Impossible – The Final Reckoning“ heißt der achte Teil der epischen Abenteuergeschichten, in denen sich Tom Cruise als wahnsinnig eigensinniger und wahnsinnig geheimer Geheimagent Ethan Hunt seit 1996 einem geradezu wahnwitzigen körperlichen Stresstest unterzieht.

Und das ist schon an sich eine gute Nachricht, weil der siebte Teil, der die Vorgeschichte jener drei Stunden erzählt, die jetzt möglichst große Leinwände erleuchten sollte (das würde jetzt zur Verkündung einer anderen frohen Botschaft führen, aber die heben wir uns auf für später), „Mission Impossible – The Dead Reckoning“ heißt.

Das kann man ja selbst als absoluter Ketzer nur so verstehen, dass es ein Finale nach dem Tod geben kann. Dass dieses Finale jetzt natürlich nicht Ethans Ende ist, ist wiederum eine frohe Botschaft, fällt aber unters Spoilern, was wir uns eigentlich verboten haben.

Erklären wir, bevor wir zur eigentlichen Geschichte dieses Films der von frohen Botschaften voller ist als eine Popcorn-Packung mit gepopptem Mais, vielleicht mal kurz die „Entität“. Die hat mit Thomas von Aquin und Ontologie eher nichts zu tun. Oder vielleicht doch. Ausgeschlossen ist das nicht. „Mission Impossible“ versucht von Beginn an, seinen aus der frühen Computerspiel-Ära geborenen Erzählansatz mit – wie man heute so unschön sagt – Narrativen und Metaphern und Namen aus der Kulturgeschichte zu verbinden (Chimera und Bellerophon hießen im zweiten Teil ein menschheitsgefährdendes Virus und sein Gegenmittel).

Die Entität, die Tom Cruise und sein Drehbuch- und Regie-Compagnon Christopher McQuarrie meinen, ist eine sich selbst an sich selbst und dem Wissen der Welt radikalisierende KI, die als blaustichiges Sternbild gelegentlich sichtbar wird. Eigentlich der eiskalte ultimative Endgegner für Ethan Hunt, den unzerstörbaren Welterlöser, der zwar kaum älter, aber zunehmend sentimentaler geworden ist.

Der absolute Antigott, gegen den Hunt antritt mit jener Jüngerschar (ein Dutzend sind’s nicht, immerhin aber sind Frauen unter ihnen), die ihm, dem eigentlich geradezu idealtypischen einsamen Helden, zugewachsen ist über die Jahre. Geboren einst in einem Nullenundeinsen-Forschungszentrum der CIA wie das Corona-Virus in einem chinesischen Labor, droht die Entität jetzt die Weltherrschaft zu übernehmen (mittels Wahrheitsbeugung und Wahlbeeinflussung unter anderem) und erst mal tabula rasa zu machen, danach soll die Mutter Erde nach den Entitätsregeln neu strukturiert werden.

Der ultimative MacGuffin

Stoppen kann es natürlich nur Ethan, deswegen sind wir jetzt hier und das wissen wir seit den gut drei Stunden von „Dead Reckoning“. Bis heute hat es übrigens noch niemand verstanden, „Reckoning“ einigermaßen unfallfrei ins Deutsche zu übersetzen, was wahrscheinlich auch egal ist.

Es gibt ein Ding, nach dem in „Dead Reckoning“ alle auf der Jagd waren, der wiederum ultimative MacGuffin, das braucht man zum Aufhalten des Untergangs. Einen Schlüssel aus zwei Teilen, der ein bisschen einer orthodoxen Monstranz ähnelt. Die hat Ethan – um „Dead Reckoning“ sträfllich kurz zusammenzufassen – nun. Jetzt gilt es die Entität lahmzulegen, bevor sie sich sämtlicher Atomraketen des Planeten bemächtigt und aufeinander und die Welt loslässt.

Wie bisher folgt auch „Final Reckoning“ – auch das ist eine frohe Botschaft – jener Dramaturgie, die alle „MI“-Fans seit drei Jahrzehnten kennen und alle Post-Boomer von Escape-Room-Spielen und Super-Mario. Ethan Hunt absolviert seinen Kreuzweg – auf dem er deutlich stärker gefoltert wird als Jesus hinauf nach Golgatha – von einem ausweglosen Raum zum nächsten und rennt und springt.

Cruise sprintet gefühlt alle halbe Stunde irgendwo durch die Straße, taucht ohne Sauerstoffgerät in der eisigen Bering-See und hängt drei Kilometer über der Küste Südafrikas derart am Flügel eines Doppeldeckers, dass es jedem einigermaßen verantwortungsbewussten Physiklehrer die Tränen in die Augen treibt.

Man soll übrigens natürlich nicht nachdenken. Das wäre tatsächlich eine unmögliche Mission während „Final Reckoning“. Man soll ständig staunen. Und sich erschlagen lassen. Froh sein darüber, dass man seine Blutdrucktabletten diesmal tatsächlich genommen hat.

Und dankbar, dass es diese Art physischen Überwältigungskinos noch gibt. Und getröstet werden von all dem, was mit ihm zusammenhängt. Von den Stunts, die Tom Cruise in seinem fortgeschrittenen Alter immer noch fein selbst absolviert hat und teilweise dazu führen, dass sein Gesicht doch eher deformiert aussieht.

Und von frohen Botschaften wie jener, von der Ethan Hunt und wir am Ende überwältigt werden. Dass die Rettung der Menschheit eben in der Stärke der Menschheit liegt, die keine KI beherrschen können wird. Der Fähigkeit, sich zu entscheiden, Menschen als Menschen zu begegnen und Freundschaften zu schließen und Gräben zu überbrücken durch Herzlichkeit und Wärme.

Von der Fähigkeit Mensch zu sein. Irrsinn zuzulassen und die Absurdität, die beide erst die Grundlage fürs Kino sind. Und am Ende für das Ende der Entität.

Vielleicht hätte es für diesen Gewinn an Weisheit nicht unbedingt jener 400 Millionen Dollar bedurft, die „Final Reckoning“ gekostet haben soll. Vielleicht hätte es ein kleiner französischer Film auch geschafft, einem das Vertrauen in die Kraft des Kinos zurückzugeben. „Partir un jour“, der Cannes-Eröffnungsfilm, soll das geschafft haben (Budget: 5,6 Millionen Euro).

Trump wird das eher nicht gefallen

Aber – auch da gilt das Frohe-Botschaften-Prinzip – es kann gar nicht genug Argumente geben dagegen, das filmische Erzählen hoch digitalisierten Produktionen zu überlassen, die auch auf einem 16-Zoll-Laptop-Bildschirm funktionieren. Die Wohnzimmerwand, an der „The Final Reckoning“ wirklich funktioniert, muss erst noch gebaut werden.

Wobei. In Mar-a-Lago könnte es so eine geben. Aber dass Donald Trump seine Freude an diesem Film und seiner am Ende in geradezu päpstlichen Worten aus dem Jenseits übermittelten endgültigen Botschaft hätte, darf füglich bezweifelt werden.

Wer bis hierhin von guten Nachrichten noch nicht ermüdet ist wie nach fast drei Stunden großem Hochgeschwindigkeits-Welterrettungstheater, dem würden wir vielleicht noch ein paar nicht ganz so gute Botschaften unterjubeln. Die Entität ist als Bösewicht eine eklatante Fehlbesetzung.

Und in Ermangelung eines tatsächlich greifbaren Gegners und im absoluten Bemühen, den Goldstandard des Actionkinos neu zu definieren (und mehr Geld einzuspielen als der – geradezu entitätsmäßig kalt gedacht – finanziell doch extrem gefloppte Vorgänger), überzieht es Cruise doch kräftig mit seinem Action-Jokus.

Da werden manchmal gleich drei Kampfgebiete und was sich auf ihnen abspielt gegeneinander geschnitten und dauern unter anderem auch deswegen in der Regel viel zu lang. Menschen, die so alt sind wie die „Mission Impossible“-Ursprungsserie „Kobra, übernehmen Sie“ und Tom Cruise überkommt dabei irgendwann dann doch das Gähnen, erkennen die Absicht und sind verstimmt.

Jede Geschichte auserzählen

Wozu auch beiträgt, dass Cruise mit einer Art Actionfilm-to-end-all-Actionfilm-Attitüde nicht nur fast so viele Action-Klassiker zitiert, wie er es in „Dead Reckoning“ getan hat, sondern sich auch wahnsinnig müht, möglichst jede klassische „MI“-Meta-Geschichte, die nicht mit dem Tod ihres Protagonisten ausging, zu Ende zu erzählen. Flashbacks bringen den Erzählfluss gerade in der ersten Stunde gewaltig ins Stocken.

Figuren aus allen möglichen „MI“-Phasen tauchen auf und machen am Ende ihren Frieden mit Ethan: Jeder hat die Wahl, ist die Botschaft, wir sind, wer wir sind, nicht durch ein numinoses Schicksal, sondern durch die Entscheidungen, die wir getroffen haben, und die Menschen, die wir uns vertraut gemacht haben.

Wie der kleine Prinz, der Tom Cruise vielleicht gern wäre und körperlich ist, und der Fuchs. Der Wolf und das Lamm stehen am Ende von „MI-8“ auf der grünen Wiese von Südafrika. Man möchte sofort zum Taschentuch greifen. Oder wünscht sich tatsächlich die nächste Prügelei herbei. Was natürlich gerade für eine für einen Scientologen, wie Cruise einer ist, derart christlich unterfütterte Geschichte gar keine frohe Botschaft ist.

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