Das Ergebnis des Eurovision Song Contests am Wochenende sorgt weiter für Wirbel. Einige zweifeln den Ausgang des Publikumsvotings an, bei dem Israel der große Abräumer war. Jetzt schaltet sich mit ESC-Direktor Martin Green ein hochrangiger Verantwortlicher ein.

Wenn es um die Verantwortlichen für den Eurovision Song Contest (ESC) geht, fällt einem wahrscheinlich als Erster der sogenannte Supervisor ein. Viele Jahre hatte der Norweger Jon Ola Sand diesen Posten inne. Er trat zum Beispiel immer dann in Erscheinung, wenn es um die Bekanntgabe der Ergebnisse bei dem Gesangswettbewerb ging. Mit den Worten "Take it away" bestätigte er, dass ein valides Resultat vorliege.

2021 übernahm der Schwede Martin Österdahl die Funktion von Sand. Auch er kreierte einen eigenen Spruch, um den Moderatoren und Moderatorinnen zu signalisieren, dass mit der Abstimmung alles in Ordnung sei: "Good to go."

Bis vor einem Jahr trat Österdahl - wie früher Sand - für diesen kurzen Satz auch stets in den ESC-Live-Shows auf. Beim diesjährigen ESC in Basel wurde er jedoch nicht mehr gesichtet. Der Grund: Österdahl war bei dem politisch bereits aufgeheizten Wettbewerb 2024 in Malmö vor laufenden Kameras mehrfach vom ESC-Publikum ausgebuht worden. Dieser Konfrontation wollte er sich in der Schweiz nicht erneut stellen.

Martin Green hat was zu sagen

Doch von der für den ESC verantwortlichen Europäischen Rundfunkunion (EBU) wurde auch noch eine andere Konsequenz aus der Skandal-Veranstaltung in Malmö gezogen: die Schaffung der neuen Funktion eines ESC-Direktors. Dieser soll Hauptansprechpartner des Supervisors sein und diesen nicht zuletzt von seinen Kommunikationsaufgaben entlasten. Besetzt wurde die Stelle mit dem Briten Martin Green.

Wenn sich nun Green zu der Debatte um das Abstimmungsergebnis in Basel zu Wort meldet, hat dies also durchaus Gewicht. Im Nachgang zu dem Gesangswettbewerb am Samstag war die Auseinandersetzung, die sich schon seit dem ESC in Malmö im Wesentlichen um die Teilnahme Israels dreht, an verschiedenen Stellen wieder neu aufgeflammt.

Zum einen sprach sich der österreichische Gewinner JJ dafür aus, Israel im kommenden Jahr von der Veranstaltung auszuschließen. Zum anderen wurden öffentlich Zweifel am Ergebnis des Publikumsvotings laut. In diesem lag nicht etwa JJ, sondern die Israelin Yuval Raphael klar vorn. Der Österreicher siegte nur, weil ihn die internationalen Jurys, deren Votum zur Hälfte über den Ausgang des Wettbewerbs mit entscheidet, mit sehr vielen Punkten bedacht hatten.

40 Jahre Erfahrung

Die EBU habe die Diskussionen "aufmerksam verfolgt", schreibt Green nun in einer Mitteilung an die "liebe Eurovision Song Contest-Community". Zunächst wolle er JJ und dem Team des Österreichischen Rundfunks (ORF) noch einmal herzlich gratulieren. "Sein Auftritt und sein Song haben den Wettbewerb eindeutig und berechtigt gewonnen, und wir möchten sicherstellen, dass diese herausragende Leistung nicht durch Randdebatten in den Schatten gestellt wird", so Green.

Dann geht der ESC-Direktor auf die Spekulationen ein, bei der Publikumsabstimmung sei nicht alles mit rechten Dingen zugegangen. "Das ESC-Voting-System umfasst mehrere Sicherheitsebenen und ein umfassendes Regelwerk, um ein gültiges Ergebnis zu gewährleisten", betont Green. Der für das Voting zuständige Partner, die Once Germany GmbH, nutze "redundante Systeme und mehrere Plattformen, um die korrekte Übermittlung der Stimmen an das zentrale System zu gewährleisten".

Beim ESC kämen nicht nur speziell entwickelte Systeme zur Überwachung und Betrugsprävention zum Einsatz. Zusätzlich werde der Prozess der Abstimmung auch von über 60 Menschen in Köln sowie weiteren Personen in Wien und Amsterdam überwacht. Green verweist darauf, dass man zusammen über 40 Jahre an Abstimmungserfahrung habe. Alle Ergebnisse würden nach einem "Acht-Augen-Prinzip" überprüft.

Unabhängiger Compliance-Kontrolleur

Schließlich würden die Resultate dann auch noch vom unabhängigen Compliance-Kontrolleur EY authentifiziert. "Jede Entscheidung im Zusammenhang mit den Ergebnissen wird dokumentiert und bewertet. Der gesamte Prozess, einschließlich der Ergebnisberechnung der Plattform und der Abstimmungsergebnisse, wird von EY sorgfältig geprüft und verifiziert", versichert Green.

Am Abstimmungsverhalten lasse sich durchaus eine bestimmte Motivation der Communitys im Umfeld bestimmter Teilnehmer ablesen, räumt Green ein. Die Gründe dafür könnten vielfältig sein: "persönliche Eigenschaften, Hintergrundgeschichten, geografische Zugehörigkeiten und aktuelle Ereignisse". Historisch gesehen sei der ESC "dafür genauso offen wie andere Gesangs- und Musikwettbewerbe und Reality-TV-Sendungen".

Daneben geht der ESC-Direktor noch auf zwei weitere Besonderheiten im Zusammenhang mit der Abstimmung ein. So werde die Anzahl der Stimmen, die eine Person pro Zahlungsmethode abgeben könne, auf 20 begrenzt. Dies solle sicherstellen, dass die Zuschauerinnen und Zuschauer auch für mehr als einen ihrer Lieblingssongs abstimmen könnten. "Es gibt derzeit keine Hinweise darauf, dass dies das Endergebnis unverhältnismäßig beeinflusst", erklärt Green. Dennoch werde man das Verfahren überprüfen.

Auch Werbung wird überprüft

Des Weiteren sei den Delegationen nach den geltenden ESC-Regeln durchaus erlaubt, Werbung für ihre Acts zu machen. Dies diene dazu, "die Künstler zu feiern, ihre Bekanntheit zu steigern und zukünftige Karrieren zu starten - sie ist ein wesentlicher Bestandteil der Musikindustrie", so Green. Weil auch Vorwürfe laut geworden waren, Israel habe für Yuval Raphael in überbordender Art und Weise geworben, solle jedoch auch diese Praxis auf den Prüfstand gestellt werden. Die EBU wolle sicherstellen, dass die Werbung die Mobilisierung "nicht unverhältnismäßig beeinträchtigt".

Mit anderen Worten: Es gibt viel zu tun für Green, seine Kolleginnen und Kollegen. Im Juni werde sich die EBU mit den Fragen rund um die Abstimmungsmodalitäten beim ESC befassen, heißt es.

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