Der demonstrative Schulterschluss verhallte weitgehend unbemerkt. In der vergangenen Woche haben sich die Fraktionsspitzen von CDU, CSU und SPD in Würzburg getroffen, um an ihrer Kommunikation und am gegenseitigen Vertrauen zu arbeiten. Laut Umfragen des Meinungsforschungsinstituts Forsa verblasste die zweitägige Tagung neben der ökonomischen Lage, die 44 Prozent der Befragten als wichtigstes innenpolitisches Thema betrachten.

Trotz der harmonischen Inszenierung von Matthias Miersch (SPD), Jens Spahn (CDU) und Alexander Hoffmann (CSU) sowie dem Abschlusspapier „Deutschland voranbringen“ bezweifelt eine große Mehrheit, dass die Koalitionsparteien ihre Streitigkeiten beilegen. 75 Prozent der Bundesbürger vermuten eine Fortsetzung der Differenzen. Das gilt auch für die Anhänger der Regierungsparteien. 42 Prozent der Unionsanhänger und lediglich 28 Prozent der SPD-Wählerschaft glauben, dass die Regierung nach der Sommerpause „an einem Strang“ ziehen werde.

Entsprechend gering fällt das Vertrauen der Bevölkerung in die Reformbereitschaft von Schwarz-Rot aus. Nur 13 Prozent der Befragten denken, dass die Bundesregierung bereit sei, die sozialen Sicherungssysteme grundlegend zu reformieren. Unter den SPD-Anhängern glauben 21 Prozent daran, unter jenen der Union immerhin 39 Prozent. Über 80 Prozent der Bundesbürger erachten zugleich „grundlegende Reformen“ für notwendig.

Notwendige Investitionen in Bildung, Infrastruktur, Verteidigung und Digitalisierung sollten nach dem Willen von nur elf Prozent über Steuererhöhungen und 16 Prozent über neue Schulden erfolgen. 65 Prozent appellieren an die Bundesregierung, diese über Einsparungen in anderen Bereichen des Haushalts zu finanzieren. Auch wenn Bundesfinanzminister Lars Klingbeil im ZDF-Sommerinterview mögliche Steuererhöhungen ins Spiel gebracht hat, sprechen sich selbst 44 Prozent der SPD-Anhänger für Einsparungen und lediglich jeder Vierte für eine Abgabenerhöhung aus.

Im Hinblick auf das Ende der Regierungszeit von Friedrich Merz offenbaren die Befragten ein pessimistisches Bild. 25 Prozent prognostizieren, dass es Deutschland im Vergleich zu heute besser gehen werde. 38 Prozent vermuten eine Verschlechterung der Zustände. Unter den SPD-Wählern setzen 30 Prozent darauf, dass es bergauf geht. Unter den Unionsanhängern beläuft sich der Wert sogar auf 52 Prozent.

Nur AfD und Linke mobilisieren noch Wähler

Einen genaueren Blick wirft Forsa zudem auf die Ab- und Zuwanderungen zwischen den Parteien seit der Bundestagswahl. Demnach ist es ausschließlich der AfD (plus 17 Prozent) und der Linken (plus 25 Prozent) gelungen, neue Wähler zu mobilisieren.

Noch im Februar hat die Hälfte der jetzigen AfD-Anhänger die Union gewählt, ein Viertel gehört zu den Nichtwählern. Die Zuwanderer zur Linken speisen sich aus Grünen- (30 Prozent), SPD- (26 Prozent) und Nichtwählern (20 Prozent).

Hinsichtlich des soziokulturellen Hintergrunds der neuen Wähler entstammen knapp Dreiviertel der neuen AfD-Anhänger dem ländlichen bis kleinstädtischen Raum. 60 Prozent sind Männer. Unter den zugewanderten Wählern der Linken finden sich vor allem Frauen (54 Prozent) aus der Großstadt (48 Prozent). 14 Prozent gehören zur Altersgruppe der 18- bis 24-Jährigen.

Laut Forsa-Geschäftsführer Manfred Güllner schickt sich die Linke an, die Hegemonie im linken politischen Segment zu übernehmen. Die Partei vertrete „klassische linke Werte breiterer Wählerschichten“, wodurch sie für die „gesamte junge Intellektuellen-Schicht beiderlei Geschlechts attraktiv und wählbar“ sei. Damit kann sie „nicht nur die ohnehin schon in allen sozialen Schichten stark geschwächte SPD, sondern auch die Grünen auf Dauer verdrängen“, sagt der Soziologe voraus.

Die Umfragewerte stammen aus dem „Trendbarometer“, das Forsa im Auftrag von RTL Deutschland erstellt. Für die Angaben zu den Erwartungen an die schwarz-rote Bundesregierung wurden zwischen dem 29. August und dem 1. September 1006 Personen befragt.

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