Lange war die sogenannte doppelte Staatsbürgerschaft etwas, was hierzulande tunlichst vermieden werden sollte. Wer deutscher Staatsbürger werden wollte, musste den Pass seines Herkunftslandes idealerweise aufgeben. Die Ampel-Regierung brachte dann aber eine umfassende Reform des Staatsangehörigkeitsrechts auf den Weg, die viele der bisherigen Restriktionen lockerte.
2024 beschloss der Deutsche Bundestag eine Reform des Staatsangehörigkeitsrechts. Neu war unter anderem die Regelung, dass Einbürgerung nach fünf statt acht Jahren möglich und die doppelte Staatsbürgerschaft künftig grundsätzlich erlaubt sein sollte. Die neuen, beschleunigten Einbürgerungsregeln (etwa die „Turbo-Einbürgerung“ für besonders gut Integrierte nach nur drei Jahren im Land) hat die aktuelle schwarz-rote Koalition bereits wieder gekippt. Nun will sich die Union laut einem Medienbericht offenbar auch die doppelte Staatsbürgerschaft vornehmen.
Wie die „Bild“-Zeitung meldet, machen Politiker aus Bund und Ländern Druck auf die Bundesregierung. An zwei Stellen möchten die Unionspolitiker ansetzen: Zum einen soll kriminell gewordenen Doppelstaatlern der deutsche Pass schneller entzogen werden können. Zudem soll gleichzeitige Staatsbürgerschaft für Deutschland und ein anderes Land bei künftigen Einbürgerungen wieder die Ausnahme werden und nicht mehr die Regel sein.
Rekord bei Einbürgerungen im Jahr 2024
Im Jahr 2024 wurden in Deutschland insgesamt 291.955 Menschen eingebürgert, ein Rekordwert seit Beginn der Erhebung im Jahr 2000. Die größte Gruppe der eingebürgerten Personen waren laut dem Statistischen Bundesamt Syrer, gefolgt von Menschen mit türkischer, irakischer, russischer und afghanischer Staatsangehörigkeit.
Gegenüber „Bild“ forderte Stephan Mayer (CSU): „Gewalttätern, Schwerkriminellen, Verfassungsfeinden, Antisemiten und Deutschen-Hassern muss die Staatsbürgerschaft sofort entzogen werden, wenn sie zwei Pässe haben. Es kann nicht sein, dass wir Menschen das Privileg der Staatsbürgerschaft schenken und sie hinterher unsere Werte und uns mit Füßen treten. Wir brauchen jetzt dringend eine grundlegende Reform des Staatsbürgerschaftsrechts.“ Der Zeitung zufolge sei eine Gruppe besonders im Visier: Anhänger der palästinensischen Terror-Organisation Hamas, die Hass auf Israel schüren.
In seinem Statement stellte der Innenexperte Meyer die doppelte Staatsbürgerschaft sogar grundsätzlich infrage: „Wir müssen uns als Land fragen, ob wir die generelle doppelte Staatsbürgerschaft so noch wollen und ob wir sie uns noch leisten können.“
Einen ähnlichen Ton schlägt Cornell Babendererde von der CDU an. Die Politikerin, zuständig für das Einbürgerungsrecht in der Unionsfraktion, lässt sich in „Bild“ mit den Worten zitieren: „Die doppelte Staatsbürgerschaft sollte die Ausnahme bilden, nicht die Regel.“ Denn: „Wenn 80 Prozent der Eingebürgerten 2023 neben der deutschen Staatsangehörigkeit ihren alten Pass behalten wollen, müssen wir uns fragen: Ist die Liebe, die Identifikation mit unserem Land am Ende vielleicht doch nicht so groß und geht es vielleicht vielmehr darum, die mit dem deutschen Pass garantierten Vorteile zu erhalten?“
SPD und Grüne halten an doppelter Staatsbürgerschaft fest – „gefährliches Ablenkungsmanöver“
Widerspruch erhielt die Union am Mittwoch aus der SPD und von den Grünen. SPD-Innenexperte Sebastian Fiedler wies auf den Koalitionsvertrag, in dem sich Union und SPD auf die Beibehaltung der doppelten Staatsbürgerschaft verständigt hatten. Auch die Abgeordneten der Unionsfraktion, die sich jetzt zu Wort melden, hätten der Beibehaltung bei der Abstimmung über das Aus für die Turbo-Einbürgerung mit zugestimmt. „Nach unserem Grundgesetz ist die deutsche Staatsangehörigkeit grundsätzlich unantastbar“, sagte Fiedler.
In Ausnahmefällen könnten Doppelstaatler die deutsche Staatsangehörigkeit auch wieder entzogen werden, sagte Fiedler, etwa wenn sie durch Täuschung oder Drohung erworben wurde oder sie sich terroristischen Vereinigungen anschließen, etwa dem islamischen Staat. Den von CSU-Politiker Mayer genannten Kriminaldelikten müsse nicht durch Pass-Entzug begegnet werden, sondern durch „harte kriminalpolitische Antworten“, erklärte der SPD-Politiker. „Der Entzug der Staatsbürgerschaft hingegen ist hier weder zielführend noch verfassungsrechtlich möglich.“
Die Grünen-Migrationsexpertin Filiz Polat kritisierte den Unionsvorstoß als „durchschaubaren und perfiden Versuch, die doppelte Staatsbürgerschaft durch die Hintertür wieder einzukassieren“. Sie nannte den Vorschlag ein „gefährliches Ablenkungsmanöver von der missglückten Stadtbild-Debatte“, sagte Polat der Nachrichtenagentur AFP. Die Forderungen spielten der AfD in die Hände, beklagte sie.
Wie viele Menschen in Deutschland mehr als einen Pass haben, ist derweil offen: Diese Zahlen werden nicht offiziell erhoben. „Bild“ zitiert in dem Kontext nur ungefähre Zahlen: Demnach gab es im „Zensus 2022“ 5,8 Millionen Doppelstaatler, der „Mikrozensus 2024“ führte 3,1 Millionen Personen auf. Tendenziell dürfte der Doppelpass aber immer häufiger werden: 2023 durften laut dem Bundesamt für Statistik von rund 201.000 Neubürgern 80 Prozent ihren alten Pass zusätzlich zum deutschen Pass behalten.
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