Wer die aktuelle Lage Deutschlands mit jener des Jahres 2015 vergleicht, könnte fast meinen, dass es sich um zwei unterschiedliche Welten handelt. In den vergangenen zehn Jahren hat sich der Blick der Bevölkerung auf die Bundesrepublik eklatant verdüstert, und die Unsicherheit ist in wesentlichen Bereichen so hoch wie schon lange nicht mehr.
Diese beunruhigende Entwicklung zeigt der Deutschlandtrend des Meinungsforschungsinstituts Infratest Dimap im Auftrag von ARD-„Tagesthemen“ und WELT im November. Die Demoskopen haben sich bei der repräsentativen Befragung explizit den „Verhältnissen in Deutschland“ gewidmet.
Demnach erklären nur noch 38 Prozent der Wahlberechtigten die „außenpolitische Situation Deutschlands“ für „sehr“ oder „eher“ sicher – ein Minus von 36 Prozentpunkten im Vergleich zum Januar 2015. Das Gegenteil vertreten 58 Prozent der Befragten. Die „wirtschaftliche Stellung Deutschlands in der Welt“ schätzen sogar nur 29 Prozent als sicher ein, das ist ein Rückgang um 56 Prozentpunkte. Für 69 Prozent ist sie „sehr“ oder „eher“ unsicher.
Und die „gesellschaftliche Stabilität in Deutschland“ halten laut Erhebung gerade einmal 26 Prozent der Deutschen für sicher (minus 37 Punkte) – aus Sicht von 72 Prozent der Befragten ist sie das Gegenteil. Untergliedert man nach Parteien, dann schätzen nur sehr wenige AfD-Anhänger die Lage in den drei Bereichen als sicher ein – während Grüne diesbezüglich am zuversichtlichsten sind.
Die „persönlichen Verhältnisse“ werden von den Befragten besser bewertet, aber auch hier gibt es Verschlechterungen. 80 Prozent der Wahlberechtigten erklären ihr „Wohnumfeld“ für sicher, ein Minus von elf Prozentpunkten im Vergleich zu Januar 2015. Aktuell sagen 79 Prozent, dass ihr Arbeitsplatz sicher sei (minus acht Punkte). 66 Prozent geben das bezüglich ihres „Lebensstandards“ an (minus 14), und die „Zukunft der Kinder“ erklären gerade mal 27 Prozent für sicher (minus 24).
Zu diesem Langzeit-Vergleich passt die kurzfristige Entwicklung, wenn es um die „Sicherheit im öffentlichen Raum“ geht. Demnach wächst in Deutschland gefühlte Unsicherheit: Fast die Hälfte der Bürger – nämlich 48 Prozent – fühlt sich inzwischen unwohl auf öffentlichen Plätzen, Straßen, Parkanlagen sowie in Bahnen und Bussen. Vor acht Jahren habe der entsprechende Anteil nur halb so hoch gelegen, analysiert Infratest Dimap. Die Hälfte der Befragten gibt aktuell an, sich im öffentlichen Raum „eher“ oder „sehr“ sicher zu fühlen.
Die gefühlte Unsicherheit ist im Vergleich zum Februar dieses Jahres um fünf Prozentpunkte gestiegen. Insgesamt geben 53 Prozent der befragten Frauen an, sich unsicher zu fühlen, während es bei Männern 43 Prozent sind. „Die größte Furcht bezieht sich auf Diebstahldelikte und Verbal-Attacken in der Öffentlichkeit. Seltener sind Sorgen, Opfer physischer oder sexueller Bedrängnis bzw. eines Terroranschlags zu werden“, resümieren die Demoskopen.
In diesem Zusammenhang führten sie auch eine Abfrage bezüglich „Ansichten zur AfD“ durch. Der Aussage „Ich finde es gut, dass die AfD den Zuzug von Ausländern und Flüchtlingen stärker begrenzen will als andere Parteien“ stimmen 47 Prozent zu (plus zwei Prozentpunkte im Vergleich zu Mai 2025), während unverändert 47 Prozent sie ablehnen.
Für die Aussage, dass die Rechtsaußen-Partei „besser als andere Parteien verstanden“ habe, dass sich „viele Menschen bei uns einfach nicht mehr sicher fühlen“, gibt es 52 Prozent Zustimmung (minus drei Punkte im Vergleich zu Februar 2025) und 42 Prozent Ablehnung (plus sechs). Interessant ist hier ein differenzierter Blick auf die Parteianhänger: 45 Prozent der Unterstützer der Union stimmen dieser Aussage über die AfD zu. Bei denen der SPD sind es immerhin 28 Prozent, bei denen der Grünen 25 und denen der Linkspartei 19.
In der monatlichen Sonntagsfrage gibt es nur minimale Bewegung. Die Union steigt um einen Prozentpunkt auf 27 Prozent. Die anderen Bundestagsparteien bleiben auf dem Niveau des Vormonats: die AfD bei 26 Prozent, die SPD bei 14, die Grünen bei zwölf, die Linke bei zehn. FDP und Bündnis Sahra Wagenknecht würden es mit jeweils drei Prozent nicht ins Parlament schaffen.
Die Zufriedenheit mit der schwarz-roten Bundesregierung verbessert sich leicht um zwei Prozentpunkte auf 22 Prozent, die Unzufriedenheit überwiegt stark mit 76 Prozent (minus ein Punkt). Mit der Arbeit von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) sind aktuell nur 26 Prozent zufrieden – 71 Prozent sind es nicht.
Vizekanzler und Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) sowie Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) kommen ebenfalls nur auf einen Zufriedenheitswert von jeweils 26 Prozent. Die Unzufriedenheit mit ihnen ist aber mit 57 beziehungsweise 55 Prozent deutlich geringer als die mit Merz.
Zur Methodik: Für den Deutschlandtrend hat Infratest Dimap zwischen dem 3. und 5. November 1300 wahlberechtigte Bürger in 775 Telefon- und 525 Online-Interviews befragt. Die Fehlertoleranz liegt zwischen zwei und drei Prozentpunkten.
Kristian Frigelj berichtet für WELT über bundes- und landespolitische Themen, insbesondere aus Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg.
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