Die frühere Bundesfamilienministerin Anne Spiegel (Grüne) hat einen neuen Job: Sie ist am Dienstag zur neuen Sozialdezernentin der Region Hannover gewählt worden.
Spiegel holte in der Regionsversammlung Hannover mit 49 von 77 abgegebenen Stimmen die nötige Mehrheit. 23 Abgeordnete stimmten gegen die Politikerin, fünf enthielten sich. Spiegel kündigte an, für ihr neues Amt in die Region Hannover zu ziehen. Die Amtszeit beträgt acht Jahre.
Spiegel feiert damit ein politisches Comeback. Die 44-Jährige steht seit ihrer Rolle bei der Flutkatastrophe im Ahrtal im Sommer 2021 in der Kritik, als sie Familien sowie Umweltministerin in Rheinland-Pfalz war. Im Zusammenhang damit war sie im April 2022 nach nur vier Monaten als Bundesfamilienministerin zurückgetreten.
Spiegel war zehn Tage nach der Flutkatastrophe zu einem Familienurlaub nach Frankreich aufgebrochen – worüber sie später letztlich stolperte. Damals wurde ihr unter anderem vorgeworfen, trotz der schweren Lage in ihrem Bundesland nicht vor Ort gewesen zu sein. Später bezeichnete sie ihr Verhalten als Fehler und räumte persönliche Überlastung ein.
Bürger richten Kritik an Anne Spiegel und Steffen Krach
An der Sitzung der Regionsversammlung Hannover konnten auch Bürger teilnehmen – und die nutzten die offene Fragestunde anschließend ausschließlich für Kritik. „Wie wollen Sie Ihren Wählerinnen und Wählern erklären, dass sie eine grüne Politikerin aus Rheinland-Pfalz wählen, die schon in ihrer Amtszeit dort lieber in den Urlaub gefahren ist, statt sich in der größten Katastrophe, die es je in Deutschland gegeben hat, um die Betroffenen zu kümmern?“, fragte ein Bürger.
Ein weiterer Bürger erinnerte an die vielen Toten der Flutkatastrophe und richtete sich vorwurfsvoll an die grüne Fraktionsvorsitzende Sinja Münzberg: „Warum? Warum Anne Spiegel?“
Kritik an der Nominierung äußerte auch die FDP. Spiegel habe während der Flutkatastrophe ein wichtiges Amt bekleidet, sagte die FDP-Vertreterin Anika Lilientahl im Nachrichtensender WELT. Man müsse fragen, ob Spiegel die richtige Qualifikation mitbringe, wenn sie in einer entscheidenden Nacht wie der Ahrtal-Flut nicht erreichbar gewesen sei. „Es ist schwierig, dass in dem Amt wiedergutzumachen.“
Regionspräsident Steffen Krach, der für die Berliner SPD zur Abgeordnetenhauswahl 2026 antritt, verteidigte Spiegel: Es habe ein „objektives, transparentes Auswahlverfahren“ gegeben. Spiegel habe sich als Landesministerin über viele Jahre Expertise angeeignet und in der Koalition „eine gewisse Anerkennung“ genossen.
Die Nominierung Spiegels war von Protesten begleitet worden. Erst am Wochenende demonstrierten in Hannover rund 50 Menschen gegen ihre mögliche Wahl. Die Organisatoren legten 135 Kreuze und Grablichter auf den Opernplatz mitten in der niedersächsischen Landeshauptstadt – symbolisch für die Opfer der Flutkatastrophe im Ahrtal 2021. Auch am Wahltag fanden sich vor dem Haus der Region Hannover einige Demonstranten ein.
Spiegel ging in ihrer Vorstellungsrede auf die Kritik an ihrer Person ein. Sie nehme die Vorbehalte wahr und ernst. „Ich wische sie nicht einfach weg, sondern ich nehme sie als Anlass und Ansporn zu zeigen, dass ich eine inhaltliche Expertise mitbringe, die für die Menschen in der Region einen Mehrwert darstellt.“
Sozialpolitik sei „kein Sprint, sondern ein Staffellauf“, sagte die 44-Jährige, die derzeit noch als Leiterin des operativen Geschäfts beim gemeinnützigen Berliner Hilfsangebot „Krisenchat“ arbeitet, ein professionelles Chat-Beratungsangebot für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene in schwierigen Situationen.
Aus dem Regionsverband der Grünen hieß es nach der Wahl: „Wir unterstützen Anne Spiegel nicht trotz ihrer Vergangenheit, sondern aufgrund der Konsequenzen, die sie daraus gezogen hat.“ Sie stehe für eine Haltung, die politische Arbeit nicht als Perfektion verstehe, sondern als Prozess, in dem Verantwortungsbewusstsein und Lernbereitschaft wichtig sei.
Spiegel soll im Mai 2026 die Nachfolge von Andrea Hanke antreten, die in den Ruhestand geht. In der Regionsversammlung wurden insgesamt drei neue Regionsräte für acht Jahre gewählt. Neben Spiegel waren das Torben Klant und Isabella Gifhorn.
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