Die Regierungskoalition in Brandenburg steht nach dem Parteiaustritt von vier Mitgliedern des BSW auf der Kippe. In einer gemeinsamen Erklärung verkündeten Jouleen Gruhn, Melanie Matzies, André von Ossowski und Reinhard Simon den Schritt am Dienstagabend. Wie es mit der Koalition weitergeht, hängt unter anderem davon ab, wie sich die Mehrheitsverhältnisse nach dem Austritt verändern.
In ihrer Erklärung verweisen die vier Landtagsabgeordneten auf die jüngsten Entwicklungen innerhalb des BSW. „Autoritäre Tendenzen prägen zunehmend mehr das innerparteiliche Klima, der Druck auf Abgeordnete wächst, während offene Diskussionen und die Einbindung unterschiedlicher Stimmen in den Hintergrund treten“, heißt es in der Erklärung, in der auch von „radikalisierten Positionen“ die Rede ist.
Sie monieren auch, dass Ostdeutschland bei der Neuaufstellung des Bundesvorstands des BSW „sträflich“ vernachlässigt werde. Auch dies habe zu dem Entschluss, aus der Partei auszutreten, beigetragen. Er sei das Ergebnis sorgfältiger Überlegungen.
Parteigründerin Sahra Wagenknecht, die jüngst ihren Rückzug in Aussicht gestellt hatte, schaltete sich am Abend in der ARD-Sendung „Maischberger“ in die Brandenburger Debatte ein. Die vier Personen hätten im Wissen um die Positionen der Partei kandidiert und den Menschen versprochen, diese Positionen mit zu vertreten, sagte die BSW-Vorsitzende.
Und weiter: „Ich finde es wirklich problematisch, wenn einzelne Abgeordnete hier in einer wichtigen Position – und unsere Kritik am öffentlich-rechtlichen Rundfunk ist eine wichtige Position – meinen, das müssten sie einfach anders machen, weil sie es vielleicht besser wissen“, sagte Wagenknecht. Doch betonte sie, man werde „mit ihnen im Gespräch bleiben, und ich hoffe, dass wir das auch lösen können“.
Worum geht es in dem Streit um die Rundfunkverträge?
Konkret beziehen sich die vier Abgeordneten auf die Debatte um zwei Medienstaatsverträge, um die in der BSW-Fraktion zuletzt heftig gerungen wurde. Sie sollen in der kommenden Woche im Landtag zur Abstimmung gestellt werden. Dabei geht es um die Reform von ARD, ZDF und Deutschlandradio sowie mehr Jugendmedienschutz.
Die BSW-Fraktion hatte mehrheitlich angekündigt, dagegen zu stimmen. Sie fordert eine weitgehendere Reform und befürchtet bei den Plänen zum Jugendmedienschutz übermäßige staatliche Eingriffe. Die vier ausgetretenen Landtagsabgeordneten beklagen, dass es in der Debatte darüber einen „Verlust an Besonnenheit, Vernunft und demokratischer Diskussionskultur“ gegeben habe.„Statt Beteiligung, Dialog, Kompromiss und Einigung stand am Ende Eskalation.“
Innerhalb des BSW sind die Medienstaatsverträge umstritten. Brandenburgs Finanzminister Robert Crumbach (BSW) tritt etwa für die Reformen ein. Der Partei-Bundesvorstand wiederum lehnte sie Anfang November ab. Vollends eskalierte der Streit, als vier Abgeordnete einen Misstrauensantrag gegen den Fraktionsvorstand um den Vorsitzenden Niels-Olaf Lüders stellten.
Für die Sitzung des Hauptausschusses im Landtag am Mittwoch – eine Vorabstimmung – wird erwartet, dass Crumbach mit Ja stimmt, BSW-Fraktionschef Lüders mit Nein. Bei der Entscheidung im Landtag wollte die BSW-Fraktion laut Lüders am 19./20. November mehrheitlich mit Nein stimmen. Ministerpräsident Dietmar Woidke dürfte für die Medienstaatsverträge dennoch eine Mehrheit erhalten, da auch die CDU Zustimmung signalisierte.
Von Ossowski, einer der ausgetretenen Parlamentarier, machte im RBB deutlich, dass sein Austritt auch mit politischen Stilfragen zu tun hat. „Wenn man sich sicher ist, dass ein Antrag durchgeht, ist es für mich eine Moralapostelei, sich hinzustellen, gegenüber den Bürgern und zu sagen, wir sind aber dagegen, weil man ja weiß: Der Staatsvertrag geht durch. Das gehört sich nicht. Damit brüskiert man auch die Koalition und den Ministerpräsidenten“, sagte er am Dienstagabend.
Koalition ohne vier ehemalige BSW-Abgeordnete ohne Mehrheit
Die SPD wurde von dem Bruch innerhalb des BSW überrascht und will erst einmal mit der BSW-Fraktionsspitze beraten. Sie hat es nun praktisch mit zwei Lagern innerhalb der Fraktion zu tun. SPD-Fraktionschef Björn Lüttmann verweist aber darauf, dass die vier ausgetretenen BSW-Mitglieder „ein klares Bekenntnis zur Koalition“ abgegeben hätten.
Denn die vier ausgetretenen Abgeordneten betonen, dass sie als Mitglieder der Fraktion die Arbeit von SPD-Ministerpräsident Dietmar Woidke und der BSW-Minister weiter unterstützen wollen.
Der Brandenburger Landtag besteht aus 88 Abgeordneten. Die SPD ist mit 32 Sitzen die größte Fraktion im Landtag, hat aber keine absolute Mehrheit. Sie ist daher auf Koalitionspartner angewiesen. Zusammen mit dem BSW und dessen 14 Sitzen haben beide eine knappe Mehrheit von 46 Stimmen. Die AfD ist mit 30 Sitzen vertreten. Die CDU verfügt über 12 Sitze im Landtag.
Ohne Gruhn, Matzies, von Ossowski und Simon käme das BSW auf zehn Abgeordnete. Die Koalition würde damit von 46 auf 42 Abgeordnete schrumpfen und hätte damit keine absolute Mehrheit mehr. Nach aktuellem Stand wollen die vier in der Fraktion bleiben – parteilos. Eine Koalition aus SPD und CDU hätte mit 44 Stimmen keine Mehrheit.
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