Die Anschuldigungen gegen „Mr. Brexit“ sind nicht neu: Seit mehr als zehn Jahren kursieren in den britischen Medien Gerüchte über angeblich rassistische, faschistische und antisemitische Äußerungen, die Nigel Farage schon zu Schulzeiten geäußert haben soll. Aktuell ist es nun der „Guardian“, der in diversen Artikeln Dutzende ehemalige Schulkameraden von Nigel Farage zu Wort kommen lässt. Die (mittlerweile erwachsenen) Männer werfen dem Politiker – teils anonym, teils unter Klarnamen – Mobbing, Fremdenfeindlichkeit und Rassismus in diversen Schul-Situationen vor. Teils waren sie selbst Opfer oder aber sie erlebten die Angriffe und Attacken als Augenzeugen.
Der heute 61 Jahre alte Politiker (Jahrgang 1964) besuchte bis zum Jahr 1982 das private Internat Dulwich College. Die Zeitung berichtet nun unter anderem, dass Farage damals Mitschüler mit Migrationshintergrund gezielt gemobbt haben soll.
Der damals noch Minderjährige habe etwa immer wieder ein Lied mit dem Titel „Vergast sie alle“ (damit gemeint war laut dem „Guardian“ angeblich die Tötung von Juden, Schwarzen und Pakistanis) gesungen. Einmal habe Farage dem Bericht zufolge auch eine Namensliste von Schülern verbrannt, auf der es mehr „Patels“ (ein verbreiteter indischer Nachname) als „Smiths“ (typisch britisch) standen.
Auf ein besonders breites Echo stießen die Schulhof-Erinnerungen von Peter Ettedgui, einem mittlerweile erfolgreichen und preisgekrönten Film-Regisseur, der jüdischen Glaubens ist. Ihm habe Nigel Farage, der damals zwischen 13 und 14 Jahre alt gewesen sein soll, immer wieder zugeflüstert: „Hitler hatte Recht“ und „Vergast sie alle“ – begleitet von einem zischenden Geräusch, dass, so gibt Ettedgui dem „Guardian“ zu Protokoll, offenbar an ausströmendes Gas erinnern sollte.
„Es ist 49 Jahre her. Ich war gerade erst im Teenageralter“, verteidigt sich Farage
Erstmals seit Bekanntwerden der neuerlichen (und teils schwerwiegenden) Anschuldigungen hat sich Nigel Farage nun selbst geäußert. Er habe, so der 61-Jährige in einem Radiointerview mit der britischen BBC, „nie direkt versucht, jemanden zu verletzen“. Direkt befragt, ob er Mitschüler rassistisch beleidigt habe, antwortete Farage: „Nein, und im Übrigen ist das ganze 49 Jahre her, 49 Jahre! Habe ich jemals versucht, jemanden aufgrund seiner Herkunft anzugreifen? Nein.“
Daraus entwickelte sich, so protokollierte erneut der „Guardian“, ein Schlagabtausch mit Interviewer Gareth Lewis. Der hakte etwa nach, ob Farage die Vorwürfe kategorisch zurückweisen würde. „Ich würde niemals so etwas Verletzendes oder Beleidigendes tun“, antwortete Farage auf die Frage. Dann verteidigt er sich: „Es ist 49 Jahre her. Ich war gerade erst im Teenageralter. Kann ich mich an alles erinnern, was in der Schule passiert ist? Nein, das kann ich nicht. War ich jemals Teil einer extremistischen Organisation oder habe ich mich aus diesem Grund direkt, unangenehm und persönlich, also wirklich beleidigend, verhalten? Nein.“ Wieder hakte Lewis nach, ob er, Farage, jemanden rassistisch beleidigt habe. Farages Antwort: „Nein, nicht absichtlich.“ Was er mit „nicht absichtlich“ gemeint sei, verstehe er nicht, so der Journalist. Die Antwort des Reformpartei-Chefs: „(...) Ich habe nie direkt versucht, jemanden zu verletzen.“
Farage hatte es zuvor tagelang abgelehnt, sich zu den im „Guardian“ vorgebrachten Anschuldigungen seiner ehemaligen Mitschüler direkt zu äußern. Der britische Premier Keir Starmer (Labour) hatte ihm daraufhin Rückradlosigkeit vorgeworfen.
Erste Vorwürfe bereits 2013
Der Vorwurf der Xenophonie begleitet Nigel Farage nun schon seit mehr als einem Jahrzehnt. Im Jahr 2013 hatte der britische TV-Sender Channel 4 einen entsprechenden Bericht vorgelegt. Reporter Michael Crick hatte damals einen Brief aus dem Juni 1981 vorgelegt, der von einem Lehrer in Dulwich geschrieben worden sein soll. Der Pädagoge hatte seinen damaligen Schüler Nigel Farage in dem Schreiben als „Rassisten“ und „Faschisten“ und „Neofaschisten“ bezeichnet. In einem Interview damit konfrontiert, wich Farage den Vorwürfen damals aus, wie der „Guardian“ in einer Timeline rekonstruierte. Auf die Frage hin, ob er als Schüler „rassistische Äußerungen“ getätigt habe, antwortete Farage: „Nicht unbedingt rassistische Dinge. Es kommt darauf an, wie man es definiert.“ 2019 wurde ein anonymer Brief von einem ehemaligen Klassenkameraden Farages publiziert, in dem sich ähnliche Vorwürfe fanden. Reporter Michael Cricke präzisierte seine Anschuldigungen dann erneut im Jahr 2021 in einer Biografie über den Politiker.
Nigel Farages Einfluss auf die britische Parteienlandschaft ist beachtlich. Schon in jungen Jahren trat er in die Konservative Partei ein, später arbeitete er in der Finanzbranche. Weitere politische Stationen des gebürtigen Londoners waren die Partei Ukip (UK Independence Party), mit der er – letztlich erfolgreich – für den Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union kämpfte, und das EU-Parlament (Farage kandidierte damals erfolgreich für die Brexit Party). Bis 2021 und dann erneut ab dem Jahr 2024 stand er Reform UK vor, einer rechtspopulistischen Partei, die sich mittlerweile auch bei Wahlen auf lokaler Ebene einer wachsenden Beliebtheit erfreut. Aktuell führt Reform UK in landesweiten Meinungsumfragen teils deutlich. Die nächste Parlamentswahl ist planmäßig allerdings erst 2029.
Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt beim ursprünglichen Autor. Die erneute Veröffentlichung dieses Artikels dient ausschließlich der Informationsverbreitung und stellt keine Anlageberatung dar. Bei Verstößen kontaktieren Sie uns bitte umgehend. Wir werden bei Bedarf Korrekturen oder Löschungen vornehmen. Vielen Dank.