Am Oberlandesgericht Dresden hat am Dienstag die Hauptverhandlung gegen sieben mutmaßliche Linksextremisten begonnen. Bei der Dresdner Versammlungsbehörde hatte sich eine Antifa-Solidaritätsdemo mit etwa 20 Teilnehmenden angemeldet. Einige von ihnen beklatschen später im Gericht die Angeklagten. Wenige Antifa-Gegner protestierten ebenfalls. Laut einem Reporter von MDR SACHSEN filmte der Streamer und Aktivist der Heimat-Partei (früher NPD) Sebastian Schmidtke das Geschehen. Ein großes Polizeiaufgebot sicherte den Prozessbeginn ab.
Dort wurde am Dienstag die 270 Seiten lange Anklageschrift verlesen. Sechs der sieben Beschuldigten sollen der Bundesanwaltschaft zufolge Mitglieder einer kriminellen Vereinigung gewesen sein, die unter den Namen "Hammerbande" oder "Antifa Ost" bekannt wurde. Der siebte Beschuldigte solle die Vereinigung unterstützt haben. Angeklagt wurden laut Gericht sechs Männer und eine Frau. Sie müssten sich auch wegen gefährlicher Körperverletzung, versuchten Mordes und Sachbeschädigung verantworten.
Eine Gruppe linker Antifa-Sympathisanten hat vor dem Oberlandesgericht in Dresden protestiert. Dort begann im Hochsicherheitstrakt der Prozess gegen sieben mutmaßliche Linksextremisten.Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNKAngriffe gegen rechte Szene
Die Gruppe wurde laut Anklageschrift spätestens Ende 2017 oder Anfang 2018 in und um Leipzig gegründet und verfolgte eine militante linksextremistische Ideologie. Ziel sei es gewesen, Personen anzugreifen, die als Vertreter der rechten Szene galten. Die Angriffe fanden laut Bundesanwaltschaft in wechselnden Besetzungen statt, in Deutschland, aber auch im Ausland.
Die Angreifer seien "planvoll und organisiert" vorgegangen, sagte Oberstaatsanwältin Alexandra Geilhorn bei der Verlesung der Anklage. In einigen Fällen hätten die Angeklagten zumindest "billigend in Kauf genommen", dass die Angegriffenen zu Tode kommen könnten, befand die Vertreterin der Bundesanwaltschaft.
Sie gingen planvoll und organisiert vor.
Johann G. - der Hauptangeklagte
Besondere Aufmerksamkeit liegt auf Johann G., dem in der Anklage eine herausgehobene Rolle in der Gruppe zugeschrieben wird. Er soll Angriffe geplant und Mittäter angeworben haben. Gemeinsam mit dem Mitangeklagten Paul M. organisierte er demnach auch Kampfschulungen für Mitglieder. In von M. verwalteten Depots habe die Gruppe unter anderem Schlagwerkzeuge, Pfefferspray, Vermummungsutensilien und Mobiltelefone gelagert.
Der Angeklagte Johann G. war monatelang auf der Flucht, bis er im November 2024 in Thüringen in einem Zug festgenommen worden war.Bildrechte: picture alliance/dpa | Sebastian KahnertUm welche Taten geht es?
Die Anklage listet insgesamt acht Angriffe in mehreren Bundesländern auf, darunter Überfälle auf Gaststätten in Eisenach sowie Angriffe an Bahnhöfen im sächsischen Wurzen und in Dessau. Opfer wurden dabei teils schwer verletzt. Auch in der ungarischen Hauptstadt Budapest sollen G., M. und weitere Mitglieder der Gruppe im Februar 2023 mutmaßliche Rechtsextremisten bei der dortigen Neonazi-Veranstaltung "Tag der Ehre" attackiert haben.
Die Tatvorwürfe im Einzelnen (zum Aufklappen)
- Tobias E., Johann G., Thomas J. und Paul M. wurden im Oktober 2024 und im Januar 2025 festgenommen. Die vier sitzen in U-Haft.
- Die Beschuldigten Henry A., Melissa K. und Julian W. sind auf freiem Fuß.
- Unter wechselnder Beteiligung der Angeschuldigten und anderer Mittäter soll es laut Generalbundesanwalt zu diesen Überfällen gekommen sein:
- 30.10.2018, Wurzen: Angriff auf einen Mann mit Tritten und Schlagstöcken. Melissa K. soll das Opfer ausgespäht haben.
- 8.1.2019, Leipzig-Connewitz: mit anderen soll Johann G. einen Mann massiv geschlagen, getreten und verletzt haben.
- 19.1.2019, Dessau-Roßlau: Tobias E. und Johann G. sollen mit weiteren Anhängern am Bahnhof vier Personen angegriffen haben, die auf dem Rückweg von einer Kundgebung in Magdeburg anlässlich des Jahrestags der Bombardierung der Stadt waren. Die Angreifer sollen mit einem Hammer und einer Eisenstange gezielt auf die Köpfe der Opfer eingeschlagen und lebensgefährliche Schläge und Tritte gegeben haben.
- 19.10.2019, Eisenach: Johann G. und Thomas J. sollen mit anderen einen Anschlag auf den Inhaber und Besucher einer Kneipe der rechtsextremistischen Szene verübt haben. Dabei wurde Inventar beschädigt und mehrere Besucher wurden mit Schlagstöcken, Schlägen und Reizgas angegriffen.
- 21.10. 2019, Dortmund: Paul M. und ein Mittäter sollen ein "Thor-Steinar"-Ladengeschäft großflächig Buttersäure und einer weiteren Substanz besprüht und angegriffen haben. Es entstand ein großer Sachschaden; eine Verkäuferin erlitt eine Augenverletzung. Die Täter stahlen Kleidungsstücke, um sie für künftige Ausspähaktionen zu verwenden. Johann G. soll den Überfall geplant haben.
- 14.12.2019, Eisenach: Tobias E., Johann G., Paul M. und Julian W. sollen erneut den Inhaber der rechten Szenekneipe in Eisenach attackiert und verfolgt haben. Bei einer Verfolgung sollen auch drei Begleiter des Inhabers angegriffen worden sein. Die Täter flüchteten mit hoher Geschwindigkeit vor der Polizei und hatten gestohlene Kennzeichen am Fluchtauto.
- 15.2.2020, Wurzen: Henry A. soll gemeinsam mit anderen am Bahnhof sechs Personen überfallen haben, die von einer Gedenkveranstaltung in Dresden anlässlich des 75. Jahrestags der Bombardierung der Stadt kamen. Die Männer waren vorab auf der Zugfahrt unter anderem von Johann G. ausgekundschaftet worden.
- 12.1.2023, Erfurt: Johann G. soll mit anderen zwei ausgespähten Personen angegriffen haben: von hinten mit Hammer- und Faustschlägen mehrfach wuchtig gegen die Köpfe.
- 9.2. bis 11.2.2023, Budapest: Johann G. und Paul M. sollen bei Übergriffen gegen Neonazis und Rechtsextremisten beteiligt gewesen sein. Die Vorfälle anlässlich des sogenannten "Tags der Ehre", zu dem Rechtsextremisten aus ganz Europa jedes Jahr in die Hauptstadt Ungarns reisen, fanden in einem Café und auf einem Platz statt. Die Geschädigten sollen mit Pfefferspray, Schlagstöcken, Fausthieben und einem Hammer angegriffen worden sein. Ein Geschädigter soll mindestens 15 Schläge überwiegend gegen den Kopf bekommen haben.
Quelle: Mitteilung des Generalbundesanwalts beim Bundesgerichtshof (GBA) vom 11. Juni 2025
Angeklagte in Untersuchungshaft
Vier der Angeklagten sitzen in Untersuchungshaft, drei weitere sind auf freiem Fuß. Der jahrelang gesuchte Johann G. war vor einem Jahr in einem Zug in Thüringen gefasst worden. Weitere Verfahren gegen mutmaßliche Mitglieder der Gruppe laufen unter anderem in Düsseldorf.
Der Prozess ist zunächst bis April 2027 angesetzt, sagte eine Gerichtssprecherin. Im Falle einer Verurteilung hätten die Angeklagten empfindliche Freiheitsstrafen zu erwarten. So drohe für die Bildung einer kriminellen Vereinigung und für gefährliche Körperverletzung bis zu fünf beziehungsweise bis zu zehn Jahren Haft.
Im Falle einer Verurteilung haben die Angeklagten empfindliche Freiheitsstrafen zu erwarten.
Nächster Prozess um Lina E.
Bereits in der Vergangenheit wurden Mitglieder der Gruppierung verurteilt: So erhielt 2023 die Linksextremistin Lina E. wegen mehrerer Gewalttaten in Deutschland eine Haftstrafe von mehr als fünf Jahren. Erst kürzlich stuften die USA die Gruppe "Antifa-Ost" zudem als "ausländische Terrororganisation" ein.
MDR (ben/kk/abe/wim/bdi)/afp/dpa
Weiterführende Links
- 14. November 2025USA setzen deutsche "Antifa-Ost" auf Terrorlistemit Video
- 05. Juni 2025Sieben weitere Anklagen gegen Umfeld von Lina E.
- 08. November 2024Gruppe Lina E.: Polizei nimmt mutmaßlichen Linksextremisten in Thüringen fest
- 31. Mai 2023Urteil im Linksextremismus-Prozess: Mehr als fünf Jahre Haft für Lina E.
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