Nach der nur knapp erreichten schwarz-roten Kanzlermehrheit für das heftig umkämpfte Renten-Gesetzespaket der Bundesregierung richten sich nun Forderungen an Friedrich Merz (CDU) nach einem Umbau der Sozialsysteme. Die Rufe kommen aus Union und SPD sowie auch von Ökonomen.

Hessens Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) dankte den Kritikern des Gesetzes in der Jungen Gruppe der Unions-Bundestagsfraktion, eine „wichtige Diskussion über die Rente angestoßen“ zu haben. Diese Debatte müsse jetzt sehr konkret in der geplanten Renten-Kommission fortgesetzt werden, die noch vor Weihnachten eingesetzt werden soll.

„Aus meiner Sicht wäre es zum Beispiel wichtig, die Frühstart-Rente deutlich auszubauen. Wir brauchen nicht immer nur weitere Milliarden für ein bestehendes System unter massivem Finanzierungsdruck, sondern kluge Anreize für private Vorsorge und eine Altersvorsorge von Geburt an mit einer echten und tragfähigen Frühstart-Rente für die junge Generation“, sagte Rhein WELT AM SONNTAG. „Rasch kommen muss nun auch die Abschaffung des Bürgergelds und damit eine Rückkehr zu einer positiven Leistungskultur und zu Anreizen für Arbeit statt für Arbeitslosigkeit.“

Der Arbeitgeberverband BDA zeigte sich skeptisch, dass der geplanten Kommission ein großer Wurf gelingen könne. „Der Fehler ist gemacht. Es ist kaum ernsthaft zu glauben, dass die Renten-Kommission das wieder korrigiert“, sagte Hauptgeschäftsführer Steffen Kampeter, der auch CDU-Mitglied ist, WELT AM SONNTAG.

Kritiker des Gesetzes wie die jungen Parlamentarier von CDU und CSU sowie andere in der Union hatten sich dagegengestemmt, dass die im Koalitionsvertrag festgeschriebene Stabilisierung des Rentenniveaus bei 48 Prozent eines Durchschnittsverdiensts über das Jahr 2031 hinaus verlängert werden soll. Die Junge Gruppe fürchtet dadurch Folgekosten für künftige Generationen in Höhe von rund 120 Milliarden Euro.

Das am Freitag beschlossene Rentenpaket sieht zudem eine Ausweitung der sogenannten Mütterrente sowie die Einführung der „Aktivrente“ vor, die Anreize für eine längere Lebensarbeitszeit schaffen soll. Auch die Stärkung der betrieblichen Altersvorsorge wurde angenommen. Wenn der Entwurf auch den Bundesrat am 19. Dezember passiert, wird das Gesetz am 1. Januar 2026 in Kraft treten.

„Das Rentenpaket erhöht den Druck auf den Bundeshaushalt. Schon ohne diese Beschlüsse reichen die Einnahmen des Bundes im Jahr 2029 gerade noch für die Sozialausgaben, die Verteidigungsausgaben und die Zinskosten“, sagte die Wirtschaftsweise Veronika Grimm WELT AM SONNTAG. „Es ist eine Reform in die völlig falsche Richtung – wir müssten im Gegenteil den Ausgabenanstieg dämpfen. Stand jetzt sind auch keine Reformen sichtbar, die das Wachstum deutlich erhöhen und so einen Anstieg der Einnahmen ermöglichen würden.“ Nun seien höhere Lohnnebenkosten, Steuererhöhungen und eine Ausweitung der Schuldenspielräume zu erwarten. „All das schwächt den Standort weiter – das ist alles sehr bedenklich.“

Wirksame Reformschritte wären hingegen eine Kopplung des Renteneintrittsalters an die längere Lebenserwartung, ein Anstieg der Bestandsrenten mit der Inflation statt mit den Löhnen sowie die Wiedereinsetzung des Nachhaltigkeitsfaktors zur Berücksichtigung der demografischen Entwicklung. „Außerdem sollte man die Rente ab 63 abschaffen und sie durch eine angemessene Härtefallregel ersetzen“, so Grimm. „Die Mütterrente sollte wieder entfallen, und die Abschläge bei Frühverrentung sollten versicherungsmathematisch fair ausgestaltet werden.“

Auch Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) sprach sich für eine grundlegende Rentenreform aus. „Es wird nicht reichen, nur an zwei Schräubchen zu drehen, sondern wir brauchen ein ganz neues System.“ Der CDU-Sozialflügel CDA kritisierte die Unionsführung um Kanzler Merz, die den Konflikt um das Renten-Paket „auf eine ungewisse Abstimmung“ im Bundestag habe hinauslaufen lassen, statt ihn vorab zu klären.

Nun werde aber mit der Renten-Kommission Raum für „echte Reformen“ geschaffen, so CDA-Chef Dennis Radtke. „Die Rente darf kein Spielball der parteipolitischen Profilierung sein. Sie ist ein Generationenvertrag – und dieser verlangt nach Verantwortung und Augenmaß.“

Claudia Kade ist Politik-Chefin bei WELT.

Nikolaus Doll berichtet über die Unionsparteien und die Bundesländer im Osten.

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